Gesundheitsmanagement – Umsichtig planen, umsetzen und verstetigen
Sechs Learnings aus der Praxis einer Projekt- und Prozessberaterin
von Dr. Brigitte Steinke
Im Jahr 2025 werden sich an der Universität Limerick (Irland) auf internationaler Ebene Hochschulen und Netzwerkakteur*innen Gesundheitsfördernder Hochschulen treffen, um die Verabschiedung der Okanagan Charta nach zehn Jahren Revue passieren zu lassen und zu aktualisieren. Viele der anwesenden deutschen Hochschulen und ihre Vernetzungsgruppen können dann stolz auf ihre gesundheitsförderliche Entwicklung sein und gleichzeitig deutlich machen, was noch zu tun ist. So zeigt ein Blick auf die Landkarte des Kompetenzzentrums „Gesundheitsfördernde Hochschulen“, dass es zahlreichen Hochschulen gelungen ist, nicht nur Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) für die Mitarbeitenden einzuführen, sondern – fokussiert seit 2015 – auch die Studierendengesundheit in den Blick zu nehmen.
Was sind nun wichtige Learnings für eine umsichtige Planung, Umsetzung und Verstetigung des Hochschulischen Gesundheitsmanagements (HGM)? Fangen wir mit dem Begriff der „Verstetigung“ an: Gemeint ist damit, dass personelle Ressourcen dauerhaft für die Bearbeitung eines Themas bereitgestellt sind. Verstetigung bedeutet aber auch, gesundheitsförderliche Aspekte in Aufgabenbereiche der Hochschule einzubinden, sodass sie zum Standard werden. Beispiele dafür sind: bei der Planung von Prüfungen deren Art der Durchführung zu hinterfragen, den Mensaplan im Hinblick auf gesunde Ernährung umzustellen oder den Campus bewegungs- und lernfreundlich zu gestalten. Im Folgenden skizziere ich sechs Learnings, die ich während meiner langjährigen Tätigkeit als Prozessberaterin in Hochschulengemeinsam mit den dortigen Akteur*innen gemacht habe und die aus meiner Sicht Grundlage dafür sind, dass HGM erfolgreich verankert werden kann:
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne: Gestaltet wird der HGM-Prozess meist in Anlehnung an den Public Health Action Cycle (PHAC), der vier Phasen (Analyse/Problembestimmung, Strategieformulierung/Planung, Umsetzung und Evaluation) aufzeigt, die sich im Zeitverlauf und im Entwicklungsprozess wiederholen. Handlungspraktisch aber ist das zu kurz gegriffen. Allem voranzustellen ist die explizite Planung einer Zeitspanne der Vorbereitung (auf ein Projekt hin bis zur Implementierung des HGM) und die Schaffung von Arbeitsstrukturen. Das braucht Zeit und Ressourcen, weil hier auch schon die Art und Weise der Gesundheitskommunikation und der Zusammenarbeit in der Hochschule kreiert wird. Diese Phase wird häufig wenig wertgeschätzt. Dabei ist in dieser Zeit schon viel „los“: Idealerweise wird die Sensibilisierung und Informationsvermittlung zum Thema vorangetrieben, es geht um ein Logo, die Sichtung und Entscheidung über Kommunikationskanäle, die Mitglieder einer Steuerungsgruppe werden gewonnen. Und oftmals tun sich unverhofft Türen auf. So melden sich schon im Frühstadium des Projekts Fakultäten mit ihren Themen, Hochschulbibliotheken fragen aktiv nach Möglichkeiten der Sitz- Stehdynamik, Professor*innen wünschen sich eine Bewegte Pause in den Vorlesungen.
Kommunikation ist das A und O für den Erfolg: Die bewusste (geplante) offene Kommunikation und Information im Thema beeinflusst entscheidend, wie Partizipation gelingt und wie HGM bekannt wird. Je sichtbarer und erfahrbarer HGM wird, umso mehr Vernetzung und Interesse entsteht. Aus der Kommunikation sind die digitalen Medien nicht mehr wegzudenken. Doch auch für deren Nutzung gilt: Zunächst muss geklärt werden, wer angesprochen werden soll und welche Formate sich für welche Zielgruppe am besten eignen. Die Praxis zeigt, dass Präsenzmedien wie Postkarten, Flyer, Türanhänger, Wanderausstellungen zu Gesundheitsthemen oder zur Veröffentlichung von Analysen bei allen Mitgliedern der Hochschule ebenso beliebt sind und für Gespräche und Bekanntheit sorgen. Äußerst erfolgversprechend ist die „kommunikative Übersetzung“ des Themas durch die Zielgruppen selbst, zum Beispiel durch die Gruppe der Lehrenden, der Studierenden oder der nichtwissenschaftlichen Mitarbeitenden. So gelingt es, dass sie ihre eigene Sprache zum Thema finden können. Mit ihren sprachlichen (und inhaltlichen) Zugängen zum Thema Gesundheit prägen diese Gruppen schließlich auch das HGM mit.
Nutzen was es schon gibt: Gut beraten sind diejenigen, die Ressourcen und Standards nutzen, die bereits vorhanden sind und eingesetzt werden. Oftmals ist es möglich, dort „anzudocken“ und bewusst gesundheitsförderliche Fragestellungen aufzunehmen. Beispielsweise bieten sich die Befragungen der Studierendenvertretungen oder Befragungen zur Qualitätssicherung von Studium und Lehre an. Bachelor- und Masterarbeiten oder Promotionen erheben nicht selten gesundheitsrelevante Fragestellungen, die sehr nützlich für die Entwicklung in der eigenen Hochschule sein können. Einige Gesundheitsmanager*innen bieten den Fakultäten selbst wissenschaftliche Fragen für die Ausbildung von Studierenden an. Beispiele sind die Auswertung von Analysen, die Erhebung der Gesundheitssituation am Campus oder die Erfassung von Bedarfen und Belastungen. Auch außerhalb der Hochschulen konnten inzwischen viele gesundheitsförderliche Standards entwickelt werden, wie zum Beispiel der Pausenexpress durch den adh.
Messbarkeit sichern und realistisch bleiben: In Entwicklungsprozessen sollten Evaluationen regelmäßig ablaufen und sich nicht nur auf quantitative Formate beschränken. Ein Managementprozess lebt von Daten. Irritierenderweise wird im Public Health Action Cycle die Evaluation als eine abschließende eigene Phase dargestellt. Von hohem Wert, aber oftmals unterschätzt, sind qualitative Methoden der Messung. Beispiele sind die Prozessevaluation, Feedbackrunden oder strukturierte Beobachtung. So bietet das HIS-Institut für Hochschulentwicklung gemeinsam mit der TK speziell ein Reflexions- und Entwicklungsinstrument an, was als Unterstützung erlebt wird.
Immer im Gespräch bleiben: Eine ganz wichtige Erfahrung und ein Erfolgsfaktor in allen Projekten ist es, mit der Hochschulleitung im Gespräch zu bleiben, einen regelmäßigen Informationsfluss zu sichern und immer wieder den Auftrag der Hochschulleitung zu reflektieren: Wie entwickelt sich der Prozess, welche Punkte müssen angepasst werden, welche Unterstützung ist notwendig, wie sehen die Prioritäten aus? Es geht um einen regelmäßigen Austausch und die Begegnung zum Thema. So gelingt eine stärkere Identifikation der Verantwortlichen mit dem Vorhaben und die Verstetigungsfrage bleibt virulent. Schon bei Projektstart sollten Zwischenbilanzen mit der Hochschulleitung eingeplant und vielfältige Kontaktpunkte zu Mitgliedern der Hochschulleitung ausgelotet werden. Ein Instrument, um am Ball zu bleiben, ist die Stakeholderanalyse. Stakeholder sind Personen, die Interesse am Thema Gesundheit haben (könnten) – darunter Prorektor*innen für Studium und Lehre, Kanzler*innen, Mitarbeitende aus dem Hochschulsport oder dem Studierendenwerk. Hat man sich einen Überblick verschafft, geht es um die Einordnung: Welche Einstellung und Haltung haben einzelne Stakeholder zum Projekt und welchen Einfluss besitzen sie? Die Analyse selbst stellt immer eine Momentaufnahme dar und muss zu gegebener Zeit aktualisiert werden. Dies gilt auch für die aus der Analyse erfolgte Ableitung, wie Beziehungen hergestellt oder aktiviert werden und mit wem dies erfolgen sollte.
Innehalten und reflektieren: Um in Veränderungsprozessen erfolgreich zu agieren, braucht es einen langen Atem, Mut und ein gewisses Maß an Beharrlichkeit. Dabei hilft es enorm, ab und an innezuhalten und zu reflektieren. So kann man sich mit Abstand und in Distanz (strategisch) orientieren und eine qualitative Situationsanalyse erstellen. Das House of Competence am KIT hat dafür ein kleines Buch herausgegeben: „Warum nicht anders?“ Hier findet man viele hilfreiche Übungen und Impulse. Der Pausenexpress ist ein 15-minütiges niedrigschwelliges Bewegungsangebot, das Hochschulangehörige im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung während der Arbeitszeit nutzen können.
Dieser Beitrag ist erschienen im DUZ Special Lebenswelt gesunde Hochschule – Auf dem Weg zu einem professionellen Gesundheitsmanagement des Allgemeinen Deutsche Hochschulsportverbands (adh) und der Techniker Krankenkasse (TK). Das DUZ Special ist sowohl digital als auch in Print ab sofort kostenfrei im Verlag erhältlich.