// editorial: energiewende //
Nun ist auch Alexei Nawalny – „Putins wohl entschiedenster Kontrahent“ –, wie das Handelsblatt anlässlich der Meldung...
...über seinen Tod am 16. Februar titelte, für immer zum Schweigen gebracht. Noch eine Stimme weniger, die es aus dem Inneren Russlands heraus wagte, den Diktator und sein korruptes System offen anzuprangern. Zwei Jahre nach dem kriegerischen Überfall auf die Ukraine sitzt Putin fest im Sattel und steuert sein eigenes Land auf Gedeih und Verderb in die Isolation und den Abgrund.
Der Rest der Welt erstarrt in Ungläubigkeit und Schrecken angesichts der Entschlossenheit und Brutalität, mit der der selbsternannte Retter des nationalen Stolzes und Widerbelebers russischer Großmachtansprüche sein Nachbarland in Schutt und Asche legt und massiv den Weltfrieden bedroht. Kaum jemand noch versteht, wie dieses Russland, das uns in vielem so nah und gleichzeitig doch so fern zu sein schien, wirklich tickt.
Vielleicht aber müssen wir uns ernsthaft fragen: Haben wir Russland und seine Menschen überhaupt schon mal richtig verstanden und eingeschätzt? Was wissen wir wirklich über die Mentalität und Kultur, über die Traumata und Wertvorstellungen des russischen Volkes und seiner Führer – auch seiner Oppositionellen? Nawalny selber, der mutig gegen Putin aufbegehrte, distanzierte sich nie von seinen nationalistischen Anfängen, wo er mit diffamierenden Äußerungen gegenüber Georgiern oder Arbeitsmigranten aus Zentralasien politische Bekanntheit erlangte. Seine politische Linie war eher unklar. Was wussten wir tatsächlich über ihn?
Haben wir uns bei unserem Bemühen zur Annäherung und Zusammenarbeit möglicherweise hinreißen lassen von unserem Wunsch nach einer friedlichen Koexistenz? Davon, dass schon alles gut gehen würde, dass unsere westlichen Maßstäbe und Vorgehensweisen letztendlich auch die russische Gegenseite überzeugen und zur Räson bringen würden – also die übliche Hybris, gepaart mit Naivität und Wunschdenken? Liest man aufmerksam den Gastbeitrag von Martin Gross, kommt man zu einem klaren „Ja“. Für Gross, der ab 1998 zahlreiche europäisch-russische Hochschulprojekte koordiniert hat, steht fest: „In der Reformeuphorie der 1990er-Jahre hatte der Westen angenommen, ein Reformprozess in Russland verliefe ähnlich wie in Polen oder im Baltikum. Im Nachhinein erweist sich das als grundlegender Konstruktionsfehler“. Die Frage nur ist: Was lernen wir aus solchen Fehleinschätzungen für künftige Kooperationen mit Partnern aus anderen Kulturkreisen und schwierigen politischen Systemen?
Und ebenfalls sehr aufschlussreich: unser THEMA über politische Irrtümer bei der Energiewende.
DUZ Magazin 02/2024 vom 23.02.2024