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Ökologischer Fehlschluss

Die Generation Z gibt es nicht, sagt der Leipziger Arbeitspsychologe Hannes Zacher. Sie ist empirisch nicht nachweisbar, sondern lediglich eine sehr einfache Erklärung für ein komplexes Phänomen.

Herr Prof. Zacher: An der Generation Z kommt man derzeit nicht vorbei. Kaum eine Konferenz, auf der sie nicht Thema ist, und auch die Medien widmen ihr immer wieder neue Berichte. Worauf führen Sie das zurück?

Das liegt natürlich am Fachkräftemangel, der immer stärker wird. Deswegen rücken die Jüngeren stärker in den Fokus und die Unternehmen interessieren sich dafür, was die jungen Menschen wollen. Die Vor- und Nachteile von bestimmten Generationen gab es früher auch schon. Ich kenne keine überzeugende Studie, dass es eine Generation Z überhaupt gibt.

Heißt das, alle glauben an einen Mythos? 

Es gibt das, was wir uns ausdenken. Es gibt auch Tierkreiszeichen und Horoskope. Das heißt nicht, dass es das wirklich gibt. Vor 500 Jahren hat auch niemand angezweifelt, dass Hexen existieren. Generationen bieten halt eine sehr gute Erklärung für etwas an, was sehr komplex ist.

Also nur eine bequeme Vereinfachung?

Wenn man sich kritisch damit auseinandersetzt, erkennt man, dass diese künstlichen Generationsgruppen nicht viel Sinn machen, weil wir nicht irgendwo eine Grenze ziehen können. Ab 1981 ist Generation Y und ab 1996 kommt eine ganz andere Generation. Ganz so einfach ist die Realität leider nicht. Man kann auch nicht sagen, eine ganze Gruppe ist anders als die Gruppen vorher. Die ganze Generationsthematik vereinfacht die Realität viel zu stark.

Was sind denn angeblich die typischen Merkmale der Gen Z?

Die typischen Merkmale gibt es nicht und je nachdem, in welchen Ratgeber man schaut, sind es auch immer andere. Man kann nicht einer ganzen Gruppe typische Merkmale zuschreiben. Es gibt fleißige und weniger fleißige Menschen. Es gibt besonders selbstbezogene und wenig selbstbezogene Menschen. Menschen sind individuell sehr unterschiedlich.

Trotzdem hat sich diese Gruppenbildung durchgesetzt.

Ja, aus psychologischer Sicht kann man sagen, wir Menschen neigen schon immer zu einem Gruppendenken. Da sind die Ostdeutschen und die Westdeutschen, die Alten und die Junge, die Männer und die Frauen. Das ist aufgrund der Einfachheit sehr attraktiv. Wir nennen das in der Psychologie einen ökologischen Fehlschluss, einen Gruppenfehlschluss. Von der Gruppe auf die individuellen Merkmale zu schließen, funktioniert einfach nicht.

Aber die Generation Z glaubt doch häufig selbst, dass es sie gibt?

Vielleicht ist das so eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn man jüngeren Leuten immer wieder erklärt, wie sie sind, vielleicht übernehmen sie das dann irgendwann und glauben am Ende selbst, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Früher hat man gesagt, die Generation X ist überhaupt nicht mehr leistungsmotiviert. Aber heute sind viele in Führungspositionen vertreten. Das Ganze hat sich also als Irrtum entpuppt. Ich glaube, dass man da etwas heraufbeschwört, was am Ende gar nicht so heiß ist, wie es gekocht wurde.

Die Generation Z gilt im Arbeitsleben als wählerisch. Ist sie das denn nicht wirklich?

Das liegt vor allem an der Wirtschaftslage. Wenn die umschlägt, werden die Berufseinsteiger auch nicht mehr so wählerisch sein. Das hat aber nichts damit zu tun, wann sie geboren wurden. Wenn die Arbeitsmarktlage vor 30 Jahren so gewesen wäre wie heute, wären die Jüngeren damals auch sehr wählerisch gewesen. Und wenn wir über Work-Life-Balance sprechen, die die Jüngeren gerne möchten, müssen wir bedenken: Die Menschen vor 30 Jahren wollten das auch, aber sie hatten nicht die Möglichkeiten, sie einzufordern.

Inwieweit wird der Mythos befeuert durch die vielen Berater, die den Unternehmen beibringen wollen, wie man die Generation Z erreichen kann?

Es gibt eine regelrechte Generationsindustrie. Viele Berater kommen auch aus der Wissenschaft. Da gibt es Workshops, wie man die Generation Z führt, und sehr viele Bücher. Aber letztlich ist das alles verlorene Liebesmüh. Wir wissen, wie man Menschen gut führt. Das ist völlig unabhängig davon, ob sie einer bestimmten Generation angehören. 

Die Generation Z ist mittlerweile auch an den Universitäten angekommen. Merken Sie da einen Unterschied?

Nein. Manche Studierende wollen mehr Zeit für sich, andere sind sehr ehrgeizig. Solche Unterschiede hat es schon immer gegeben. Was heute anders ist als früher, ist der Bachelor und Master. Dadurch ist der Druck im Studium angestiegen, der Stress. Das Diplom-Studium war es etwas freier, man hatte weniger Druck. Auch hier ist es so, dass vor allem das System etwas mit den Menschen macht.

Und bei Ihren Mitarbeitenden? 

Viele von ihnen sind jünger als ich. Manchmal denke ich, die sind irgendwie anders, als ich früher als Student oder Doktorand war. Mit dem Alter verändert man seine Sicht und sieht deshalb die jungen Leute anders. Wir wissen aus der Entwicklungspsychologie, dass Menschen mit dem Alter immer stressresistenter werden und gewissenhafter. Sie haben einen erwachseneren Blick auf die Welt und nehmen Jüngere anders wahr. Und dabei vergisst man, dass man früher auch nicht anders war als sie heute. In der Entwicklungspsychologie gibt es Längsschnittstudien, die verfolgen Menschen über 20 oder mehr Jahre und analysieren, wie sich ihre Persönlichkeit verändert. Und da ist die Evidenz tatsächlich viel besser als in Hinblick auf Generationen. Der Alterungsprozess macht auch psychisch etwas mit uns. Wir werden reifer und treffen bessere Entscheidungen.

Was bedeutet das für Unternehmen und Arbeitgeber?

Für bestimmte Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich kann es durchaus sinnvoll sein, erfahrene, ältere Mitarbeiter einzustellen, die gut mit aufgebrachten Menschen umgehen können. Bei bestimmten Tätigkeit haben Ältere durchaus Stärken.

Was würden Sie Unternehmen in Bezug auf die Generation Z raten?

Unternehmen sollten auf die Entwicklungspotenziale des Einzelnen schauen und nicht auf das ganze Generationengerede reinfallen. Welche Werte, Wünsche und Fähigkeit haben die einzelnen Personen und wie kann man ihre individuellen Fähigkeiten entwickeln? Da gibt es bei jeder Person Potenziale und es ist eher hinderlich, wenn man sie mit einem Generationslabel versieht. Generationen sind stabil, Menschen dagegen unglaublich entwicklungsfähig. Sie können dazulernen und sich verändern. Das halte ich für eine humanere Sichtweise.

Sehen Sie langsam ein Umdenken, eine Abkehr vom Label der Generation Z? 

Viele sind müde, was die Generationenerklärung angeht. Sie schauen auf die individuellen Stärken des Berufsnachwuchses und erkennen eine große Diversität. Für manche ist das ein Aha-Erlebnis. Denen hat noch niemand gesagt, dass man die Generations-Argumente auch kritisch sehen sollte und dass da eine ganze Industrie von Beratern, Speakern und Forschern am Werke ist. //

Prof. Dr. Hannes Zacher

hat eine Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie am Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie an der Universität Leipzig inne.

Foto: privat

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