Vielfalt gestalten - 10 Jahre Diversity Audit für Hochschulen
Der Stifterverband und die Baden-Württemberg Stiftung haben vor über 10 Jahren damit begonnen, mit dem Diversity Audit „Vielfalt gestalten“ Hochschulen darin zu bestärken, Diversität als Chance zu sehen.
Institutionen werden hierzu begleitet und beraten, um mit Strukturen und Maßnahmen eine diversitätsfreundliche Hochschulstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Im aktuellen DUZ Special „Vielfalt gestalten – 10 Jahre Diversity Audit für Hochschulen“ veranschaulichen die Herausgeber wie Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen ihre eigenen Institutionen diverser und inklusiver gestalten und welche Strahlkraft dies auf die Gesellschaft hat. Hierzu eine Auswahl relevanter Begrifflichkeiten:
GLOSSAR DIVERSITY
Barrierefreiheit/Barrierearmut
Betrifft Bauten, Verkehrsmittel, Internetseiten etc.; Gewährleistung der Zugänglichkeit unabhängig von körperlichen, sensorischen, kognitiven oder anderen Beeinträchtigungen; ohne Erschwernis oder fremde Hilfe nutzbar; Menschen werden durch Barrieren behindert. Rechtliche Grundlagen für barrierefreies Bauen bieten die UN-Behindertenrechtskonvention, das Behindertengleichstellungsgesetz und die Landesbauordnungen. Die konkrete Umsetzung ist in der DIN 18040 beschrieben. Während mit dem ersten Begriff konkrete Anforderungen im juristischen Sinne verbunden sind, sensibilisiert der zweite Begriff für die bewusste Auseinandersetzung damit, dass in der Realität (trotz SGB und DIN) vielfältige Barrieren (weiter-)bestehen, die auch andere Menschen aufgrund unterschiedlicher Merkmale (z.B. Sprachkenntnisse) ausgrenzen.
Chancengleichheit
Seit den 1960er Jahren ein grundlegendes und weithin akzeptiertes Prinzip für die Bildungspolitik und die Gestaltung von Bildungssystemen. Es bezieht sich auf Schaffung gleicher Chancen zur Erreichung von Bildungszielen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Voraussetzungen der Lernenden. Alle Lernende sollen unabhängig von individuellen Unterschieden die gleichen Möglichkeiten zur Entfaltung ihres Potentials haben. Kritik: reine Chancengleichheit führt nicht zwangsläufig zu einer Verringerung sozialer Ungleichheiten.
Chancengerechtigkeit
Betont das meritokratische Prinzip, wonach individuelle Anstrengung, Begabung und Leistung zu Bildungserfolg führen. Es impliziert, dass diejenigen, die sich besonders bemühen und gute Leistungen erbringen, belohnt werden sollen. Kritik: Dieser Ansatz ignoriert, dass Eigenschaften wie Begabung und Leistungsbereitschaft nicht nur individuelle Eigenschaften sind, sondern je nach sozialem Kontext variieren können. Lernende aus einem privilegierten Umfeld haben bessere Startchancen und damit bessere Bildungschancen.
DEIA (Diversity, Equity, Inclusion and Access)
DEIA steht für Diversity (Vielfalt), Equity (Gerechtigkeit), Inclusion (Inklusion) und Access (Zugang). Es zielt darauf ab, eine Umgebung zu schaffen, die Vielfalt anerkennt, gerechte Bedingungen schafft, inklusiv ist und uneingeschränkten Zugang zu Ressourcen, Chancen und Unterstützung unabhängig von ihren individuellen Merkmalen ermöglicht.
Diskriminierung
bezieht sich auf die ungerechtfertigte Benachteiligung von Personen oder Gruppen aufgrund bestimmter (zugeschriebener) Merkmale (s. ->Diversitätsdimensionen), oft in Verbindung mit Beleidigung und Herabwürdigung. Findet auf individueller, institutioneller und struktureller Ebene statt. Diskriminierungsformen sind u.a.: Ableismus, Adultismus, Ageismus/Altersdiskriminierung, Antisemitismus, Body-Shaming, Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit, Klassismus, Rassismus, (Hetero-/Cis-)Sexismus. Begriffe, die mit -phobie enden, sind soz. Kontext nicht angebracht, da es sich nicht um klassische Angststörungen handelt. Zu Mehrfachdiskriminierung / intersektioneller Diskriminierung s. ->Intersektionalität.
Diversität (lat. “diversitas” = Vielfalt)
Der Begriff berücksichtigt Unterschiede und Gemeinsamkeiten von gesellschaftlichen Gruppen (vgl. ->Heterogenität). Die Theorie des Diversity-Managements besagt, dass divers zusammengesetzte Teams kreativer/innovativer und effektiver arbeiten. Zu den Diversitätsdimensionen zählen: Alter, Ethnische Herkunft, Geschlecht(-liche Identität), körperliche/kognitive Fähigkeiten (je nach Kontext: Beeinträchtigung, Behinderung, chronische Erkrankung etc.), Nationalität, Religion/Weltanschauung, Sexuelle Orientierung, Soziale Herkunft/Sozioökonomischer Status (hierzu je nach Kontext auch Bildungshintergrund: akademischer Haushalt, First-Generation-Studierende, etc.)
Gender Mainstreaming
Seit dem Vertrag von Amsterdam von 1997/1999 ist Gender-Mainstreaming ein erklärtes Ziel der EU. Leitprinzip ist bei allen Planungs- und Entscheidungsprozessen von vornherein Gleichstellungsaspekte zu beachten sowie unterschiedliche Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vorneherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da diese in unterschiedlicher Weise von politischen und administrativen Entscheidungen betroffen sein können.
Heterogenität (griech. „heteros“ = verschieden, anders)
Im Vgl. zu ->Diversität (Vielfalt) liegt der Fokus auf Verschiedenartigkeit, Uneinheitlichkeit in der Zusammensetzung hinsichtlich eines oder mehrerer Merkmale. Begriff eher in Natur- als in Sozialwissenschaften verwendet.
Intersektionalität
Aus dem Englischen „intersection“ (=Schnittpunkt, Kreuzung) übernommen bedeutet dies im soz. Kontext zunächst Überschneidung und Interdependenz (gegenseitige Bedingtheit) verschiedener Kategorien. So überlagern sich auch die Diversitätsdimensionen jeder Persönlichkeit zu einer Mehrfachzugehörigkeit. Wird eine Person aufgrund eines (zugeschriebenen) Merkmals diskriminiert, stellt sich dies je nach den anderen Merkmalen z.T. erheblich anders dar. Um ein umfassendes Verständnis von Diskriminierung zu erhalten, dürfen deren einzelne Formen (s.o.) nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Intersektionalität meint also nicht lediglich Mehrfachdiskriminierung, sondern die Tatsache, dass die Interdependenzen zu ganz spezifischen Diskriminierungsformen führen.
Teilhabe
Sozialpolitisches Konzept für Selbstbestimmung und Eigenverantwortung vs. Fürsorge und Versorgung in Bezug auf Menschen mit Behinderungen. Diese entscheiden (mit), welche Leistungen sie wie erbracht haben möchten. Während sich im SGB IX / BTHG auf körperliche und kognitive Beeinträchtigungen fokussiert wird, entspricht es der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dass (unabhängig individueller ->Diversitätsmerkmale) allen Menschen gleiche Chancen zur Teilhabe in Arbeit, Bildung, Kultur, Politik etc. ermöglicht werden.
Das DUZ Special „Vielfalt gestalten - 10 Jahre Diversity Audit für Hochschulen“ ist ab sofort kostenfrei im Verlag erhältlich.