Aufbruch ade!
Aus der Traum: Die „fetten“ Jahre für Bildung und Forschung sind vorbei. Im Bundeshaushalt wird politisch 2024 mehr als nur eine halbe Milliarde Euro fehlen.
Die wiedergewählte Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Katja Becker, zeigte als Erste aus dem Kreis der Wissenschaftsorganisationen Einsicht in die neue Realität. „Politische Hauptaufgabe“ in den kommenden Jahren werde die Sicherung der Finanzierung der Forschung sein – angesichts insgesamt knapper werdender Ressourcen. Zwar kommen DFG und die anderen großen Forschungsorganisationen laut dem Haushaltsentwurf 2024 des Bundes diesmal noch relativ ungeschoren davon – sieht man von ihren nicht unerheblichen Mehrkosten durch Inflation und Tariferhöhungen ab. Gleichzeitig signalisiert der Etatentwurf jedoch erhebliche Finanzprobleme für einen großen Teil der Projektforschung. Aber vor allem bedeutet er das Aus für die großen BAföG-Reformpläne der Ampel-Koalitionäre. Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) schweigt bisher dazu. Und auch der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sollte es doch nicht gleichgültig sein, wenn mehr als ein Drittel der Studierenden inzwischen als „armutsgefährdet“ gilt.
Laut Etatentwurf hat Stark-Watzinger im kommenden Jahr 20,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind 1,162 Milliarden Euro weniger als 2023. Zieht man fairerweise die 700 Millionen Euro für die in diesem Jahr einmalig gewährte Heizungsbeihilfe für Studierende und Fachschüler davon ab, so bleibt für das Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr ein Haushalts-Ausgabenminus für Bildung und Forschung von knapp einer halben Milliarde Euro. Die Folgen der Inflation kommen hinzu. Also sparen statt Aufbruch, völlig anders als im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP versprochen.
Trotz der gewaltigen Folgekosten von Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise und Klimawandel halten führende Ökonomen es grundsätzlich für falsch, angesichts des Transformationsprozesses in der Wirtschaft ausgerechnet jetzt bei Bildung und Forschung zu sparen. Doch die FDP in der Koalition mit SPD und Grünen pocht vehement auf die Einhaltung der Schuldengrenze und will von möglichen Steuererhöhungen für Reiche oder Erben nichts wissen. Die grundsätzliche Frage bleibt dennoch, ob es denn keine Schulden sind, wenn unsere Gesellschaft den nachwachsenden Generationen nur ein marodes, sozial ungerechtes Bildungssystem bietet und ihnen gleichzeitig ein kaputtes Schienennetz, baufällige Brücken und eine rückständige digitale Infrastruktur hinterlässt.
Um die fest zugesagten regelmäßigen Aufwüchse für die großen Forschungsorganisationen und den Hochschulpakt aufzubringen, ebenso die Startgelder für die FDP-Lieblingsprojekte wie die Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind) und die immer noch nicht gegründete Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI), muss Stark-Watzinger innerhalb ihres Etats im kommenden Jahr gewaltig umschichten. Gespart wird vor allem beim BAföG-Titel – insgesamt 650 Millionen Euro gegenüber 2023. Das Ministerium geht also längst nicht mehr davon aus, dass künftig mehr Studierende BAföG erhalten werden – anders noch als 2022 versprochen.
Nun sind drastische Haushalts-Sparorgien bei Bildung und Forschung wahrlich nichts Neues. In der ersten Legislaturperiode von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) mit der Koalition von Union und FDP wurden ab 1983 Jahr für Jahr jeweils rund eine Milliarde DM in diesen wichtigen Zukunftsfeldern gestrichen. Das BAföG wurde für die Studierenden auf ein voll zurückzuzahlendes Darlehen umgestellt. Kohl sprach später selbst vom „BAföG-Kahlschlag“. Anders als heute stellte sich die damalige Bundesbildungsministerin Dorothee Wilms (CDU) nach jeder neuen Haushalts-Sparrunde der Öffentlichkeit und verkündete stolz, sie sei mit ihrem geschrumpften Etat „voll und ganz zufrieden“. //
DUZ Magazin 07/2023 vom 21.07.2023