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Das Kind zweier Staaten

Ende Januar feierten die Staatschefs von Deutschland und Frankreich in Berlin das 50-jährige Bestehen des Elysée-Vertrages. Ein Ergebnis dieses historischen Aktes der Aussöhnung war die Deutsch-Französische Hochschule. Ihr Angebot ist einzigartig, aber noch immer viel zu wenig bekannt.

Paris/Berlin Blieb die Umsetzung oft unkonkret, so galt bei der Unterzeichnung am 22. Januar 1963 allein der Wille zur Annäherung der ehemaligen Erzfeinde als bahnbrechend. Auch eine verstärkte Kooperation im Hochschulbereich sah das Vertragswerk vor. „Die zuständigen Behörden beider Staaten sollen gebeten werden, beschleunigt Bestimmungen über die Gleichwertigkeit der Hochschultitel und -diplome zu erlassen“, heißt es darin. Darüber hinaus sollten sich Forschungsstellen und wissenschaftliche Institute vernetzen.
Der Durchbruch für die Schaffung binationaler Studiengänge mit doppeltem Hochschulabschluss kam allerdings erst 1987 mit der Gründung des Deutsch-Französischen Hochschulkollegs, aus dem wiederum die Deutsch-Französische Hochschule (DFH) mit Sitz in Saarbrücken hervorging. Sie nahm 1999 ihre Arbeit auf – mit einem bislang einzigartigen Konzept.
Der Name klingt jedoch missverständlich. Die DFH ist keine Universität mit eigenem Lehrkörper und Forschern, sondern ein Netz von 180 Hochschul-Einrichtungen in beiden Ländern. Neben Universitäten gehören auch Fachhochschulen, Technische Universitäten, Ingenieur- und Wirtschaftsschulen dazu. 143 integrierte bi-, aber auch trinationale Studiengänge in allen wissenschaftlichen Disziplinen sind im Angebot. Die DFH überprüft deren Qualität.
Obligatorisch ist die Ausbildung in zwei nationalen Bildungssystemen mit ihren landesspezifischen Arbeits-, Lehr- und Lernmethoden. Dabei soll es sich um ein Studienprogramm „aus einem Guss“ handeln, wie es heißt. Zwischen den jeweiligen Partnerhochschulen muss das Programm genau abgestimmt sein, sodass der Aufenthalt im Gastland als komplementärer und gleichwertiger Teil des Studiums stattfinden kann. Er soll mehr als ein „Mobilitätsfenster“ sein, das Studiengangsentwickler einbauen. In binationalen Studiengängen ist Mobilität integraler Bestandteil.

Natürlich gelangen Studenten schneller zum akademischen Grad, wenn sie auf internationale Erfahrungen verzichten. Doch genau diese können bei der Jobsuche entscheidend sein. Die DFH bezeichnet sich selbst als „Internationalisierungs-Agentur“. Ihre Absolventen erhalten finanzielle Unterstützung in Höhe von 270 Euro monatlich, während sie im Partnerland studieren. Am Ende bekommen sie ein Doppeldiplom, das in beiden Ländern anerkannt ist.

Der größte Teil des DHF-Budgets geht in die Förderung binationaler Studiengänge. Aber die DFH unterstützt auch den Austausch von Forschern und wissenschaftlichem Personal etwa mit Sommeruniversitäten oder mit dem Programm „Cotutelle de thèse“, einer deutsch-französischen Doppelpromotion. Rund 5300 Studenten und 500 Doktoranden zählt die DFH momentan sowie 1000 Absolventen pro Jahr. Etwa 10.000 Studenten haben seit Gründung der DFH einen Abschluss erhalten und bilden damit ein wachsendes Netzwerk. Von den derzeit 16.358 Studiengängen in Deutschland bieten nach Informationen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) 478 einen internationalen Doppelabschluss an. Rund ein Drittel davon sind deutsch-französisch, von denen die DFH fast alle fördert. Das zeigt ihre Vorreiterrolle nach 50 Jahren Elysée-Vertrag. Obwohl in den Schulen beider Länder das Interesse an der Nachbarsprache zurückgehe, steigt die Nachfrage an den DFH-Programmen kontinuierlich, sagt DFH-Präsident Prof. Dr. Patrice Neau. „Der deutsch-französische Ministerrat sprach sich 2010 für eine Verdoppelung der Studentenzahl bis 2020 aus“, fügt er hinzu. Dafür wäre eine deutliche Aufstockung des derzeitigen Jahresbudgets von knapp zwölf Millionen Euro notwendig. Das Geld kommt zu gleichen Teilen aus Deutschland und Frankreich.

Über Absichtserklärungen für mehr Austausch hinaus hält sich vor allem die französische Seite mit konkreten Zusagen zurück. „Die Regierung verweist auf die Mittel, die sie in die Exzellenzinitiative der französischen Hochschulen gesteckt hat“, sagt HRK-Präsident Prof. Dr. Horst Hippler, der im Hochschulrat der DFH sitzt. Die Hochschulen könnten „die Ausweitung der Programme nicht aus dem eigenen Budget finanzieren“. Alternative Finanzierungsquellen aufzutun, sei jedoch schwierig. Die Wirtschaft, die eng vernetzt sei und die Doppelabschlüsse anerkenne, würde nur spezielle, sie besonders interessierende Bereiche unterstützen, vor allem die Ausbildung von Ingenieuren. „Aber es soll ja ein breiter kultureller Austausch gefördert werden und bei den Sozial- und Humanwissenschaften wäre es schwierig, Geldgeber zu finden“, sagt Hippler. Aufgrund der finanziellen Engpässe gilt die DFH auch aus Sicht der European University Association (EUA) in Brüssel als wichtiger Motor der Kooperation in Europa, aber mit wenig Chancen auf baldige Nachahmer: „Angesichts der dramatischen Kürzungen an Hochschulen in vielen europäischen Ländern wäre Geld für neue binationale Hochschulen momentan wohl nicht durchsetzbar“, sagt EUA-Sprecherin Ulrike Reimann.

Sylvain Laval

Studium und Karriere

„Die DFH müsste mehr für ihre Bekanntheit tun“

Sylvain Laval aus Grenoble studierte in Bordeaux und Stuttgart. Bei seiner Arbeit im Pariser Hochschulministerium nutzt ihm die Ausbildung, wenn er mit deutschen Kollegen zusammenarbeitet.

duz: DFH-Absolventen haben in der Regel drei Monate nach dem Studienabschluss einen Job. Wie verlief ihr Karrierestart?

Laval: Für meinen ersten Job als parlamentarischer Berater in der Nationalversammlung war mein Bezug zu Deutschland und die binationale Ausbildung ein großes Plus. Dank dieser Tätigkeit habe ich meinen jetzigen Posten im Ministerium für Forschung und Hochschulausbildung bekommen, wo ich in engem Kontakt mit deutschen Kollegen stehe. Dass es sich bei meinem Studium der Sozial- und Politikwissenschaften um ein deutsch-französisches Programm handelte, war nicht direkt ausschlaggebend.

duz: Inwiefern nutzen Ihnen die Kompetenzen, die Sie erworben haben?

Laval: Ich habe drei Jahre in Bordeaux und zwei in Stuttgart studiert und neue Arbeits- und Analysemethoden gelernt. Die Fähigkeit, sich anzupassen, ist heute unverzichtbar. Natürlich erlauben auch andere Auslandsprogramme, mobil zu sein, aber der integrierte Studiengang verpflichtet dazu und ist durch die Dauer und Intensität viel solider. Er erlaubt eine echte Kenntnis der anderen Kultur. Und es entstehen dauerhafte Kontakte ins andere Land.

duz: Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf für die DFH?

Laval: Sie müsste noch mehr für ihre Bekanntheit tun. Und ich halte eine Öffnung über das Deutsch-Französische hinaus mit trinationalen Studiengängen für sinnvoll. Gut ist die Mobilitätshilfe von 270 Euro pro Monat während der Zeit an der Partnerhochschule. Das ist mehr als bei Erasmus.

Internet: www.gouvernement.fr/gouvernement/genevieve-fioraso/cabinet

Die Fragen stellte Birgit Holzer.

50 Jahre Elysée-Vertrag

Der Elysée-Vertrag

Am 22. Januar 1963 unterzeichneten Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle und Deutschlands Bundeskanzler Konrad Adenauer den Elysée-Vertrag. In dieser Vereinbarung finden sich auch Passagen zur Förderung und zum Austausch in der Wissenschaft.

Zusammenarbeit in der Forschung:
Heute gibt es in vielen Disziplinen bilaterale Kooperationen, vor allem in Luft- und Raumfahrt, Gesundheitsforschung, Nanotechnologie und Geistes- und Sozialwissenschaften.

Kooperationen in der Politik:
Die zuständigen Ministerien arbeiten seit 2003 im deutsch-französischen Ministerrat zusammen. Zudem gibt es die Deutsch-Französischen Gesellschaften für Wissenschaft und Technologie AFAST und DFGWT.

Die DFH im Profil

Deutsch-Französische Hochschule (DFH)

Präsidentschaft:
Das Amt des Präsidenten besetzen Deutschland und Frankreich abwechselnd. Im Januar übernahm es der bisherige Vize-Präsident Prof. Dr. Patrice Neau.

Zahlen und Fakten:
Die Deutsch-Französische Hochschule ist ein Netz aus 180 Partnereinrichtungen. Die DFH bietet 143 binationale und trinationale Studiengänge an. Derzeit zählt sie 5300 Studenten und 500 Doktoranden. Jährlich schließen rund 1000 Absolventen ihr Studium ab. Seit der Gründung im Jahr 1999 haben insgesamt rund 10.000 Absolventen ein DFH-Programm durchlaufen. Das Jahresbudget liegt bei 11,62 Millionen Euro, die sich Deutschland und Frankreich teilen. In den vergangenen beiden Jahren erhöhte sich das Budget: 2012 gab es 628.000 Euro zusätzliche Fördermittel, im Jahr 2011 insgesamt eine Million Euro.

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