// Editorial //
Für die einen sind sie Verräter und gehören für Jahrzehnte hinter Gitter. Für die anderen sind sie Helden, die...
...ihre berufliche Stellung und nicht selten ihr Leben im Dienste von Wahrheit, Gerechtigkeit und Demokratie riskieren: Whistleblower (bei uns auch als Informant, Hinweisgeber, Enthüller oder Aufdecker bezeichnet). Dank der von ihnen gelieferten Informationen und Dokumente werden illegale staatliche Geheim- und Militäroperationen enthüllt, millionenschwere Korruptionsfälle und Justizskandale aufgedeckt oder manipulierte Wahlvorgänge ans Licht gebracht. Ihr Wirken hinter den Kulissen kann politische Erdbeben auslösen und die darin verstrickten Staatsoberhäupter, Wirtschaftslenker bis hin zu obersten Richtern oder Kirchenführern zu Fall bringen. Das wohl berühmteste Beispiel ist die Watergate-Affäre, die 1974 zum Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon führte. Die Lorbeeren für die Aufdeckung dieses unerhörten Machtmissbrauchs durch Nixon heimsten die Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post ein. Doch ohne William Mark Felt, der damals FBI-Ermittler war, wäre dies nie möglich gewesen. Er lieferte die brisanten Informationen nachdem Woodward ihm zugesichert hatte, ihn niemals als Quelle bekannt zu geben. Felt starb 2008 im Alter von 95 Jahren, unbehelligt.
Doch längst nicht alle Whistleblower kommen ungeschoren davon. Nehmen wir nur den Fall des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Edward Snowden. Er brachte im Sommer 2013 tausende geheime Dokumente über die weltweite Überwachung durch britische und US-Geheimdienste an die Öffentlichkeit und löste damit die NSA-Affäre aus. Das bescherte dem seinerzeit 29-Jährigen viel Bewunderung, aber auch eine endlose Verfolgung durch die US-Behörden. Nachdem seine Asylanträge vielerorts (auch von Deutschland und Frankreich) abgelehnt wurden, fristet er seit 2013 sein Dasein im russischen Exil. Noch Anfang Juli 2013 hatten deutsche Wissenschaftler in einem offenen Brief an die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Asyl für Snowden in Deutschland gefordert und ihn als „Kronzeugen für die Aufklärung dieser staatlichen Überwachungsaktivitäten“ bezeichnet.
Und auch in der Wissenschaft selber gibt es Menschen, die Fehlverhalten und Probleme nicht unter den Teppich kehren wollen. So deckte Rainer Moormann, Atomwissenschaftler am Forschungszentrum Jülich, die Sicherheitsprobleme auf, die mit Kugelhaufreaktoren und insbesondere dem Versuchskernkraftwerk AVR Jülich verbunden waren. Von Kollegen wurde er daraufhin als „Demagoge“ diffamiert. Aufgrund der Anfeindungen ging Moormann in den vorgezogenen Ruhestand. Jetzt soll für Whistleblower alles besser werden: Zum 2. Juli 2023 tritt das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft, das auch für Wissenschaftseinrichtungen gilt. Der Jurist Christian Badura hat für Sie die Möglichkeiten und Fallstricke zusammengefasst.
DUZ Wissenschaft & Management 06/2023 vom 07.07.2023