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Arbeit in heterogenen Teams

Das interdisziplinäre, hochschulübergreifende Kooperationsprojekt Leonardo – Zentrum für Kreativität und Innovation der Technischen Hochschule Nürnberg hat einen Leitfaden für erfolgreiche Zusammenarbeit in heterogenen Teams konzipiert.

Die Technische Hochschule Nürnberg, die Hochschule für Musik Nürnberg und die Akademie der Bildenden Künste Nürnberg gründeten 2018 das gemeinsame Leonardo – Zentrum für Kreativität und Innovation mit der Überzeugung, dass es nicht nur persönlich bereichernd ist, in einer heterogenen Gruppe zusammenzuarbeiten, sondern dass es vor allem fachlichen Mehrwert bietet. Die Beteiligung an Kollaborationen, Verbünden oder regionalen Arbeitsgruppen ist längst Usus für akademische Institutionen wie auch für ihre Mitarbeitenden, werden aber zukünftig noch zunehmen – ob in Joint Labs mit Industriepartnern, Forschungskonsortien oder Hochschulnetzwerken. Der Erfolg der Kooperationen ist in hohem Maße vom Gelingen abhängig, für und mit den beteiligten Personen ein konstruktives Arbeitsklima und gemeinsame Arbeitsprozesse zu gestalten. 

Im Leitfaden „How to ... Wie interdisziplinäre Zusammenarbeit gelingt“ sind Erkenntnisse und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen aus vier Jahren zusammengetragen, in denen 30 interdisziplinäre Projektgruppen gefördert, methodisch und administrativ begleitet sowie Innovationsprozesse im Hochschulkontext erforscht wurden. Das How-to-Manual lässt sich dabei als Baukasten verstehen: Je nachdem, was die Beteiligten brauchen und was dem Projektprozess dient, können Handlungsempfehlungen, Checklisten oder Wissensboxen herangezogen werden. 

Wie setzen sich heterogene Teams zusammen und wie arbeiten sie miteinander? Wer übernimmt welche Aufgaben? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit und wie kommuniziert die Gruppe? Diese und weitere Fragen stellt sich ein Team zu Beginn des gemeinsamen Projekts. Eine Blaupause hierfür gibt es nicht, vielmehr ist die Entwicklung abhängig von fach- und organisationskulturellen Hintergründen und den Persönlichkeiten der Einzelpersonen. 

Der Prozess der Teambildung jedoch kann aktiv und positiv gestaltet werden, vorausgesetzt die Beteiligten bringen ein gewisses Maß an Offenheit mit. Alle Teammitglieder sollten offen sein für Menschen aus diversen Fachkulturen, für andere Arbeitsmethoden und Ansichten. Denn um ein vielschichtiges Problem zu lösen – und das ist meist die Aufgabe eines Projektteams –, lohnt es sich, bei der Teamzusammensetzung breit und interdisziplinär zu denken. Bei komplexen Fragestellungen wird die Beteiligung von Expertinnen und Experten benötigt, deren Wissen zunächst nicht relevant erscheint. Sind diese auch an der Lösung der vorliegenden Herausforderungen interessiert, ist der nächste Schritt zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit getan. Schließlich sind Interesse sowie die intrinsische Motivation, sich auf eine Zusammenarbeit in einer heterogenen Gruppe einzulassen, ebenso unverzichtbar.

Rollen finden und Kulturen etablieren

Wenn diese Grundvoraussetzungen stimmen, können Rollen zugeteilt werden – und zwar fernab von Hierarchien. Mit Rollen sind unterschiedliche Funktionen und Zuständigkeiten verknüpft, die Teams individuell festlegen. Jedes Teammitglied übernimmt einen Teil der Verantwortung. Wenn Stärken gezielt genutzt werden, trägt das zum Erfolg der Zusammenarbeit bei. 

Neben den Rollen, die im Laufe des Prozesses angepasst und übertragen werden können, sind auch Regeln und Rituale elementar für die Teamkultur. Das sind festgelegte Leitplanken für die Orientierung im Miteinander – wie ein gemeinsames Mittagessen an jedem Mittwoch oder eine morgendliche Begrüßungsrunde im Gruppenchat. Es darf durchaus auch Raum für Persönliches entstehen. Das kann mögliche Verzögerungen erklären und das offene Miteinander stärken. Wenn Vertrauen entsteht und die Menschen hinter ihrer Disziplin und Rolle wahrgenommen und wertgeschätzt werden, etablieren sich gleichzeitig Faktoren, die der Zusammenarbeit zuträglich sind, wie eine Fehlerkultur. Auch in stressigen Phasen können Erwartungen und Sorgen besprochen und reflektiert werden.

Alle Rollen sind verteilt, Kommunikationskanäle festgelegt und ein gemeinsames Verständnis der Problemstellung etabliert? Dann kann die heterogene Zusammenarbeit beginnen. Doch wie wird ein Kreativitätsprozess initiiert? Auch hier lautet die Antwort: Die beste Kreativitätstechnik ist jene, die zur Situation und zum Team passt. Es hilft, gewohnte Muster zu durchbrechen und einfach zu starten, um möglichst schnell neue Erfahrungen zu sammeln. Zu Beginn ist es zudem nützlich, eher auf Quantität als auf Qualität zu setzen. Wiederholungen, Weiterentwicklungen, aber auch das Verwerfen von Ideen gehören zum Innovationsprozess. Niemals vernachlässigt werden sollte die Kommunikation: Wertschätzende und anerkennende Formulierungen wie „Ja, außerdem …“ statt „Ja, aber ...“ ermöglichen ein konstruktives Miteinander, auch wenn Vorschläge der Teammitglieder nicht der eigenen Meinung entsprechen. Es lohnt sich, alle Notizen, Ideen und Impulse mit dem Team zu teilen und zu diskutieren, um das volle Potenzial der Interdisziplinarität auszuschöpfen.

So harmonisch und simpel diese Empfehlungen klingen: Die Zusammenarbeit heterogener Gruppen kann langwierig und komplex sein. Viele Aspekte einer Kollaboration müssen diskutiert werden, die für homogene Teams derselben Disziplin klar erscheinen mögen. Zu Beginn kann daher festgelegt werden, dass jede kritische Nachfrage offen aufgenommen und Weiterentwicklungen sowie Veränderungen nicht grundlos verneint werden. Rückfragen lassen sich sogar nutzen, um Ideen, Prozessschritte oder Arbeitsweisen nochmals aus einer anderen Perspektive zu betrachten und zu hinterfragen. So werden mögliche Verzögerungen verhindert und eine offene, respektvolle Kommunikation wird im Team etabliert. 

Eine gute Moderation hilft hier besonders. Sie nimmt eine zentrale Rolle in der interdisziplinären Zusammenarbeit ein. Bestenfalls wird diese Schnittstellenrolle mit einer Person besetzt, die keiner der Kerndisziplinen der heterogenen Gruppen angehört. Das ebnet den Weg für eine gleichberechtigte Teilhabe und baut Brücken zwischen den Fachkulturen. Auch verschiedene Altersgruppen einzubeziehen, eröffnet neue Blickwinkel auf aktuelle Fragestellungen. Besonders im Hochschulkontext bietet es sich an, Studierende zu integrieren. Nicht nur langjährige Expertinnen und Experten sind interessiert, komplexe Fragen zu lösen. Auch Studierende können wertvolle Beiträge zu einem Projekt leisten. Input und Erfahrungsschatz aus verschiedenen Altersgruppen können neue Blickwinkel ermöglichen und den Transfer zu mehr Interessensgruppen öffnen.

Transfer – im Hochschulkontext die Weitergabe von Wissen – trägt zur Lösung von Problemen bei. Erreicht dieses Wissen nur eine kleine Gruppe von Interessierten, werden weiterführende Ideen und Innovation verhindert. Zudem zeigte sich in den Jahren der Corona-Pandemie, dass traditionelle Formen des Transfers nicht mehr ausreichen, um Menschen gegen Unwissen und Fake News durch wissenschaftliche Fakten zu wappnen. Ein Umdenken ist erforderlich, sodass ein kontinuierlicher Austausch zwischen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren entstehen kann. Sie können aus unterschiedlichen Disziplinen, Institutionen oder Unternehmen stammen. Forschungseinrichtungen, kleinere und mittlere Unternehmen, Start-ups, Konzerne, aber auch soziale und kulturelle Einrichtungen sowie Privatpersonen sind potenzielle Adressaten. Für den Transfer bedeutet das: Er sollte nicht auf eine spezifische Zielgruppe ausgerichtet sein, sondern ein möglichst breites Spektrum von Interessierten ansprechen. 

Wie lässt sich das realisieren? Etwa durch Workshops zu Zwischenergebnissen eines Projekts oder über Social-Media-Postings, die über den aktuellen Stand informieren. Transferaktivitäten wie diese müssen häufiger und wiederkehrend stattfinden. Beginnt der Transfer bereits in den ersten Schritten des (Innovations-)Prozesses, steht nicht mehr das Ergebnis, etwa eine Erfindung oder ein Produkt, im Zentrum des Transfergeschehens, sondern Menschen: Menschen, die aktiv Wissen schaffen und Ideen oder Impulse weitergeben. Schließlich eröffnen sich dadurch auch Möglichkeiten, weitere Expertise oder zusätzlichen Input zur Problemstellung zu erhalten. So entsteht nicht nur interdisziplinäre Zusammenarbeit, Wissenschaft und Forschung werden außerdem durch neues Wissen und Erkenntnisse bereichert. //

Über LEONARDO

Leonardo – Zentrum für Kreativität und Innovation ist eine Kooperation zwischen der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm, der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg und der Hochschule für Musik Nürnberg. Die Initiative wurde 2018 gegründet und hat 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als interdisziplinärer Raum, Projektplattform und Forschungseinrichtung arbeitet Leonardo an der Schnittstelle von Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Kunst. Die Zusammenarbeit und der Aufbau des gemeinsamen Zentrums wurden ermöglicht durch das Bund-Länder-Programm „Innovative Hochschule“.

Leonardo ist ein Kernelement des Kooperations- und Transfergeschehens der drei beteiligten Hochschulen und über Hochschulgrenzen hinaus. Durch die nachhaltige Entwicklung von Ideen und die Eröffnung neuer Wege im Zusammenspiel von Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft werden unterschiedliche Welten miteinander verbunden. Das Innovationszentrum förderte und begleitete bereits mehr als 150 interdisziplinäre Projektpartner bei der Zusammenarbeit mit den Hochschulen, beim gegenseitigen Wissensaustausch und beim Transfer in die Gesellschaft. Neue hybride Formen im Dialog mit einem Netzwerk, das durch seine Diversität gekennzeichnet ist, werden erforscht und erprobt. Dabei wird das Zentrum selbst als Experiment in stetiger Reflexion und Revision verstanden. Herzstück der Räume in der Nürnberger Innenstadt sind die Labore und Werkstätten, zu denen Maker Space und Werkstatt, ein XR- und Visual Lab, Tonstudio und Soundlabor sowie Eventflächen und Co-Working Space gehören. Auf mehr als 1000 Quadratmetern können Hochschulangehörige und ihre Netzwerkpartner Ideen entwickeln, weiterverfolgen, erproben und umsetzen.

Laura Müller 

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Innovation im Leonardo – Zentrum für Kreativität und Innovation der Technischen Hochschule Nürnberg. Zuvor absolvierte sie den Master Arbeitsmarkt und Personal an der Universität Nürnberg-Erlangen und forschte in ihrer Abschlussarbeit zu Kooperationen von Konzernen und Start-ups.

Foto: TH Nürnberg

Ulrike Herzog

ist Lektorin, Autorin und Journalistin und arbeitet als Wissenschaftskommunikatorin im Leonardo – Zentrum für Kreativität und Innovation der Technischen Hochschule Nürnberg.

Foto: TH Nürnberg

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