Gut vorbereitet auf die Herausforderungen einer Feldforschung?
Ich fahre mit meinem Doktoranden auf eine mehrmonatige Feldforschung in ein abgelegenes Gebiet. Ich befürchte, dass er die Belastungen, die damit verbunden sind, nicht ernst nimmt. Wie kann ich ihn auf die verschiedenen Herausforderungen gut vorbereiten? – Das fragt eine Professorin
Dieser Artikel ist im DUZ Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft in der Rubrik "Unter 4 Augen" erschienen und Teil der Online-Reihe "Ratgeber" auf DUZ Wissenschaftskarriere.
Coachin Dr. Neela Enke antwortet:
Forschung findet auch unter extremen Bedingungen statt. Dabei gibt es unterschiedliche Herausforderungen. Notieren Sie im ersten Schritt, was davon für Ihre Feldforschung relevant ist und welche Befürchtungen Sie bezüglich Ihres Doktoranden haben: Ist es seine Arbeitsweise, seine körperliche und mentale Verfassung oder befürchten Sie Herausforderungen in der Interaktion im Team oder vor Ort mit lokalen Fachkräften? Lassen Sie ihn zehn Punkte aufschreiben, von denen er annimmt, sie könnten im Feld schiefgehen. Kombinieren Sie diese Notizen zu einer Liste kritischer Punkte, an der Sie die Vorbereitung ausrichten. Hier einige Beispiele, worum es gehen könnte:
- Für die Logistik bieten sich Checklisten, gemeinsame Planung der Arbeitsschritte sowie mehrfache Kontrolle der Arbeitspläne und des gepackten Materials im Mehraugen-Prinzip an.
- In puncto Sicherheit sind standardisierte Vorgehen zur Information über rechtliche Bestimmungen und Verhaltensweisen im Notfall empfehlenswert, soweit die Einweisung nicht von den beteiligten Einrichtungen vor Ort beziehungsweise unterwegs durchgeführt wird. Teilen Sie kritische Situationen aus Ihrer Erfahrung, zum Beispiel Kontrollen durch Angehörige des Militärs, Unfälle, Begegnungen mit gefährlichen Tieren oder Pflanzen. Lassen Sie Ihren Doktoranden überlegen, wie er in diesen Situationen reagieren würde und wie er idealerweise reagieren sollte. Werten Sie gemeinsam aus und formulieren Sie als verantwortliche Führungskraft deutlich Ihre Erwartungen.
- Spielt körperliche Fitness eine Rolle, sind für manche Forschungsreisen Untersuchungen durch den betriebsärztlichen Dienst vorgesehen. Eine differenziertere Einschätzung zu Fitness und Kompetenzen Ihres Doktoranden können Probeexkursionen bieten, um auch Abläufe im Feld einzuüben.
- Sprechen Sie psychische Belastungen (zum Beispiel keine Privatsphäre) und typische Konflikte im Team (zum Beispiel Arbeitsteilung) im Vorfeld an; nicht, um diese zu dramatisieren, sondern um sie als Bestandteil von Belastungssituationen zu normalisieren und einen konstruktiven Umgang damit im Feld zu ermöglichen. Was erwarten Sie von Ihrem Doktoranden im Falle eines Konfliktes und/oder einer Krise? Was wünscht er sich? Wichtig: Abhängigkeiten und Machtverhältnisse spielen gerade in abgelegenen Gebieten und Extremsituationen eine noch viel größere Rolle als sonst. Zudem verwischen die Grenzen zwischen privat und professionell oft erheblich. Wie wollen Sie mit diesen Punkten umgehen? Was hat sich in der Vergangenheit bewährt?
- Für den Umgang mit lokalen Kooperationspartnerinnen und -partnern sowie Behörden es sinnvoll, Ihre Erfahrungen einzubringen. Eine gemeinsame Beschäftigung mit dem Zielland und seinen aktuellen politischen und sozialen Gegebenheiten kann hilfreich sein.
Teilen Sie Ihr Wissen und Ihre Erlebnisse insgesamt großzügig: Was Ihnen als sehr felderfahrene Person selbstverständlich erscheint, kann für Neulinge augenöffnend sein. Last but not least: Berichten Sie von den schönen und aufregenden Momenten im Feld, um Vorfreude zu wecken.
DR. NEELA ENKE ist Coachin, Mediatorin und Trainerin im Hochschulbereich in Berlin. Zu ihren Schwerpunkten gehören Konfliktmanagement, Führung, Karriereentwicklung sowie Fragen von Gender und Diversity. Sie ist Mitglied im Coachingnetz Wissenschaft, das Partner der DUZ ist.
www.scienza-berlin.de
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DUZ Magazin 01/2023 vom 20.01.2023