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Was Macht mit Menschen macht

Nicht einsam an der Spitze versauern, sondern Mitarbeiter mit ins Boot holen – das ist die große Kunst des Führens. Wie schwer das ist, zeigte zuletzt die Leitungskrise an der Hochschule Hannover: Der Senat wählte das Präsidium ab. Nun ist der Hochschulrat am Zug. Könnte ein Kodex für Hochschulmanager helfen?

Sie reden nicht mehr miteinander. Die Differenzen zwischen Präsidium und Belegschaft der Hochschule Hannover sind wohl nicht mehr zu überbrücken: Mitte Januar wurde die vierköpfige Führungsspitze um Präsidentin Prof. Dr. Rosemarie Kerkow-Weil vom Senat abgewählt. Ein in Niedersachsen bisher einmaliger Vorgang. Besiegelt ist das Aus aber noch nicht. Das Votum des mit externen Mitgliedern besetzten Hochschulrats steht noch aus. Wann das Gremium tagt, war bis Redaktionsschluss unklar. Eine Einschätzung der Lage wollte der Vorsitzende des Hochschulrates, Valentin Schmidt, vorerst nicht geben.

Das Votum des Senats ist „für das Präsidium unerfreulich“, heißt es hölzern in einer Mitteilung des Führungsgremiums um Pflegewissenschaftlerin Kerkow-Weil. Die Abwahl sei inhaltlich nicht begründet und für die Hochschule eine Katastrophe. Die Kritiker des Führungsteams um Kerkow-Weil werden dafür umso deutlicher: „Wir kritisieren die Herrschaftspolitik des Präsidiums, ohne vernünftige Kommunikation, ohne transparente Entscheidungen“, sagt Prof. Rolf Nobel, Professor für Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover.

Die Hochschule Hannover ist nicht die einzige akademische Bildungsstätte in Deutschland, die eine Revolte erlebt. Im Jahr 2009 etwa war Prof. Dr. Monika Auweter-Kurtz als Präsidentin der Universität Hamburg zurückgetreten – der Gegenwind im eigenen Haus war zu stark gewesen. In einem Aufruf forderten damals 120 Professoren der Universität die Abwahl von Auweter-Kurtz, da sich unter ihr die Hochschule zu einer autoritär geführten Einrichtung entwickelt habe.

„Kommunikation ist die wichtigste Aufgabe eines Hochschulmanagers.“

Der Druck auf das Hochschulmanagement in Zeiten weltweiter Rankings, internationaler Wettbewerbe und des immer härteren Kampfes um Geld und Reputation sowie die besten Professoren und Studierenden ist groß. „Die wichtigste Aufgabe eines Hochschulmanagers ist die Kommunikation – in alle Bereiche: Wissenschaft, Verwaltung, Gremien und die Spitze der leitenden Forschungseinrichtungen“, sagt Dr. Elisabeth Lack. Es sei „hohe Sensibilität gefordert, in den jeweils unterschiedlichen Sprachen der verschiedenen Bereiche den richtigen Ton zu treffen“. Lack leitet das Referat für Grundsatzangelegenheiten an der Berliner Humboldt-Universität und ist Vorstandsmitglied des Netzwerkes Wissenschaftsmanagement. Sie und ihre Netzwerk-Kollegen erarbeiten derzeit einen Kodex für Hochschul- und Wissenschaftsmanager.

Ein Leitbild fürs Management

Dieser kann möglicherweise dazu beitragen, das Berufsbild und die Funktion von Hochschulmanagern besser zu verstehen. „Wir verstehen uns als Ermöglicher, weniger als Behörde“, erläutert Elisabeth Lack. „Hochschulmanager sind dafür da, in Zeiten schmaler Budgets für den öffentlichen Dienst weitere Quellen für Drittmittel aufzutun und bestehende Förderformate weiterzuentwickeln, um so den Wissenschaftlern den Rücken frei zu halten und die Rahmenbedingungen für Wissenschaft zu schaffen.“

Erste Bausteine dieses Selbstverständnisses sollen auf einer Tagung an der Hochschule Osnabrück am 21. und 22. Februar vorgestellt und diskutiert werden. Die Hochschule Osnabrück hat kurz nach der Jahrtausendwende mit der Ausbildung von Hochschul- und Wissenschaftsmanagern begonnen. „Nach zehn Jahren Ausbildung ist es nun an der Zeit und ein Teil des Professionalisierungsprozesses, einen Kodex als Selbsteinschätzung der Profession zu erarbeiten“, sagt Prof. Dr. Frank Ziegele, Professor für Wissenschaftsmanagement an der Hochschule Osnabrück und Leiter des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Denn zwischen Wissenschaftsmanagern und Wissenschaftlern gibt es immer wieder Grabenkämpfe: „Wissenschaftler werfen Hochschulmanagern oft vor, mit völlig sachfremden, betriebswirtschaftlichen Methoden zu agieren, die nicht zur Wissenschaft passen, weshalb sie sie für Unsinn halten“, sagt Ziegele. Die Zusammenarbeit sei nicht immer einfach. Auch wenn ein Kodex kein Allheilmittel sei, trage er „sicherlich zum besseren Verständnis der Aufgaben und der Profession von Hochschulmanagern bei“.

Gute Führung zeigt sich im Alltag

Allerdings nur dann, wenn „eine solche Selbstverpflichtung gelebt wird und nicht nur in Schönschrift an der Wand hängt“, sagt Prof. Dr. Myriam Bechtoldt. Die Professorin für Organizational Behaviour an der Frankfurt School of Finance und Management richtet den Fokus angehender Banker darauf, wie Organisationen das Verhalten ihrer Mitarbeiter beeinflussen. „Es geht um das allgemeine Menschenbild: Gehe ich als Manager davon aus, dass meine Mitarbeiter Experten sind, ohne deren Wissen und Fachkompetenz ich einsam und verloren bin an der Spitze“, erläutert Bechtoldt, „oder glaube ich, dass meine Mitarbeiter faul sind und ich sie zum Jagen tragen muss.“ Je nach dem, wie sich der Manager gegenüber seinen Mitarbeitern daraufhin verhalte, dementsprechend würden sich die Mitarbeiter benehmen und arbeiten. „Das gilt für alle Führungsspitzen, auch von Hochschulen“, sagt Bechtoldt. Dabei gehe es nicht um Schmusekurs und Gefühlsduselei von Seiten des Managers. „Doch wer seine Mitarbeiter für wichtig hält und um deren Zufriedenheit bemüht ist, dem wird dies für den Erfolg des Unternehmens zugutekommen“, sagt die Wissenschaftlerin.

Was sich so einfach anhört, ist in der Praxis nicht immer einfach umzusetzen – wie die Zerwürfnisse zwischen Hochschulspitze und Mitarbeitern in Hannover und Hamburg deutlich machen. „Eigentlich kann man es ihnen gar nicht vorwerfen“, sagt Bechtoldt. „Denn Macht fördert nicht gerade die empathischsten Verhaltensweisen zutage. Und das ist ein strukturelles Problem“, erklärt die Organisationspsychologin, „je weiter oben an der Spitze ich bin, desto weniger abhängig bin ich von den Mitarbeitern, desto weniger bin ich in direktem Kontakt mit den unteren Ebenen und desto weniger Verständnis habe ich für deren Probleme.“ 

Dabei hatte sich bei Amtsantritt von Rosemarie Kerkow-Weil im August 2011 alles so gut angehört. „Ich gehörte zu denjenigen, die unglaublich große Hoffnung in Frau Kerkow-Weil gesetzt hatten. Sie propagierte eine andere Personalpolitik, wollte die Leute mitnehmen und einbeziehen“, erinnert sich Nobel. „Aber das alles hat sich als hohle Phrase erwiesen. Heute hört sich das alles ganz anders an“, sagt er.

„Mitarbeiter brauchen das Gefühl, dazuzugehören, mit Respekt behandelt und wertgeschätzt zu werden.“

„Um seine Mitarbeiter zu motivieren und zufriedenzustellen, ist es wichtig, dass man Vertrauen schafft“, erklärt Bechtoldt, „die Mitarbeiter brauchen das Gefühl, dazuzugehören, mit Respekt behandelt und wertgeschätzt zu werden. Und sie benötigen die Kontrolle über ihre Arbeit, dass sie beispielsweise selbst entscheiden können, was sie wann erledigen.“ Doch der Weg hin zu einer solchen gelebten Kultur sei weit.

„Wir können im Wettbewerb nur erfolgreich sein, wenn wir an einem Strang ziehen, Wissenschaftler und Hochschulmanagement“, betont Elisabeth Lack. Die größte Anforderung an Hochschulmanager sei, die verschiedenen Mentalitäten und Interessen in den unterschiedlichen Bereichen zu verstehen und sehr viel zu kommunizieren. „Wichtig für denjenigen an der Spitze ist, dass er Bescheid weiß, was Macht mit ihm macht“, erklärt Myriam Bechtoldt. Wenn allerdings einmal die Fronten zwischen Führungsspitze und Mitarbeitern verhärtet sind, sei das Problem schwer zu lösen. „Vertrauen schafft man nicht an einem Tag.“ Wie die Zukunft für die Hochschule Hannover und das Präsidium um Rosemarie Kerkow-Weil aussieht, ist ungewiss. Der Hochschulrat ist nun am Zug.

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