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Ungenutzte Potenziale heben

Die Erwartungen an die im Koalitionsvertrag fest verankerte Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) sind riesengroß. Doch bislang scheint das ambitionierte Projekt etwas ausgebremst zu sein. Eine Zwischenbilanz mit dem zuständigen Staatssekretär Mario Brandenburg.

Herr Brandenburg, im April gab Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) den Startschuss für die DATI, veröffentlichte ein Eckpunktepapier und kündigte Stakeholder-Dialoge an. Was hat sich seitdem getan?

Wir haben im Sommer vier Dialogveranstaltungen durchgeführt: mit den Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW), den außeruniversitären und industriellen Forschungseinrichtungen, der Wirtschaft sowie der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Hand, also zum Beispiel mit dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland oder der Innovationsallianz Baden-Württemberg. Wir wollten ein breites Bild bekommen, wie die DATI für die potenziellen Stakeholder funktionieren kann.

Und? Wie sieht dieses Bild für Sie aus?

Positiv für mich war zu sehen, dass das Interesse an der DATI riesengroß ist. Wir haben in jeder Veranstaltung mehrere Stunden sehr intensiv diskutiert. Dass jetzt mit der DATI ein neuer Ansatz kommt, wurde von allen wertgeschätzt. Interessant war beispielsweise die Diskussion zum Verständnis des Begriffs „Region“ beziehungsweise „regionale Verortung“. Deutlich wurde dabei, dass diese Begriffe bestimmte Assoziationen im Sinne geografischer oder kommunaler Abgrenzungen auslösen. Diesen unerwünschten Effekt nahmen viele als Einengung wahr, daher haben wir ihn durch „Community“ ersetzt. In den Gesprächen wurde zudem oft der Wunsch an die Politik herangetragen, Dinge ganzheitlich zu denken. Das Valley of Death der Innovation – also, dass die meisten Innovationen am Sprung in die Breitenrelevanz scheitern – lässt sich nur überwinden, wenn man prozessual denkt und die Trennung zwischen Anwendungs- und Grundlagenbereich überwindet. 

Bei welchen Themen gingen die Ansichten der Stakeholdergruppen auseinander?

Die Vorstellungen lagen nicht übertrieben weit auseinander, aber natürlich gibt es unterschiedliche Meinungen und Ansätze. Dafür müssen wir Lösungen finden, denn die Begünstigten sollen optimal von der DATI profitieren. Die DATI ist offen für alle Akteure und natürlich wollen wir, dass sich zum Beispiel auch Universitäten und Fraunhofer-Institute einbringen können, wenn es dem Ziel einer DATI-Innovationscommunity Rechnung trägt. Es ist aber auch so, dass wir die HAW oder die kleinen und mittleren Universitäten als hauptbegünstigt sehen, weil sie sehr eng mit der Wirtschaft, den kleinen und mittleren Unternehmen, interagieren und regional stark verwurzelt sind. Ein anderes Beispiel ist der Community Coach, der frühere Regionalcoach, den wir als Berater und als Verbindung zum DATI-Service-Center sehen. Da haben wir aus den Gesprächen mit den Stakeholdern gelernt, dass es je nach Ausgangssituation nicht sinnvoll ist, diesen den Communitys quasi von außen vorzusetzen, wenn eine potenzielle Innovationscommunity schon jemanden in dieser Position hat. Die Konsequenz für uns ist, beide Wege zuzulassen. 

Geld spielt immer eine wichtige Rolle. Welche Finanzierungswünsche haben die Stakeholder geäußert?

Es ist völlig legitim, dass ein solches Projekt auch immer mit finanziellen Wünschen verbunden ist. So integrieren wir unter dem Dach der DATI auch bereits bestehende Maßnahmen, beispielsweise die zu „Forschung an Fachhochschulen“ und „Innovation & Strukturwandel“ gehörenden Förderlinien. Gleichzeitig starten wir mit frischem Geld im Jahr 2023 auch unsere Pilotlinie, mit der wir neue Formate für die DATI testen. Das ist ja unser Ansatz: unter dem Dach der DATI Bestehendes nutzen und mit frischem Geld Neues schaffen, was den Transfer weiter vorantreibt. Dieser Mix war immer unser Ziel. Wir wollen mit der DATI keinen losgelösten Monolithen im Fördersystem.

Ist denn frisches Geld da?

Ja. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat eine bedarfsgerechte Entsperrung der Mittel zur Finanzierung von erforderlichen Anlaufmaßnahmen beantragt. Dem hat der Haushaltsausschuss nun zugestimmt.

Was sind die nächsten Schritte?

Wir gehen jetzt in die zweite Runde des Stakeholder-Dialogs. Da wollen wir den Akteuren zeigen, welche Punkte aus der ersten Runde wir gerne mit ihnen weiter vertiefen würden. Unsere Vorstellungen werden wir anschließend im Januar in gemeinsamen Runden diskutieren, bei denen alle Stakeholdergruppen an einen Tisch kommen, damit auch gegensätzliche Meinungen ausgetauscht werden können. Ab dem Frühjahr 2023 sollen die Pitches für die Pilotlinie starten. Hier stellen die Teilnehmenden aus den jeweiligen Regionen ihre Ideen vor. Später im Jahr 2023 ist das Service-Center geplant, welches die geförderten Communitys unterstützt und Anlaufpunkt für Transfer und Innovation bundesweit werden soll.

Die Form der Beteiligung ist sehr aufwendig. Warum wählen Sie diesen Weg? 

Wir möchten die DATI bedarfsgerecht ausgestalten. Deshalb möchten wir auch alle, die zu ihrem Gelingen beitragen wollen und können, anhören. Es bringt wenig, eine Gruppe auszuklammern, denn wir brauchen für unser Anliegen eine breite Unterstützung. Schließlich soll es der DATI gelingen, viele ungenutzte Potenziale in Deutschland zu heben. 

Sie sind seit Juni 2022 Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung. Die DATI scheint Ihnen besonders am Herzen zu liegen. Warum?

Das Problem des Transfers aus der Wissenschaft und damit des Valley of Death für Innovation ist in Deutschland offensichtlich. Um das zu ändern, ist die DATI ein wichtiges Puzzleteil und steht deswegen auch vollkommen zu Recht so ausführlich im Koalitionsvertrag. Es gibt für mich aber auch eine persönliche Note, denn ich lebe in Rheinland-Pfalz, also eher entfernt von größeren Zentren, und sehe in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands unheimlich viel Potenzial. In meiner Heimat dreht sich zum Beispiel alles um den Weinbau: Wie können Winzer ihren Weinbaubetrieb beispielsweise mit neuen oder pilzwiderstandsfähigen Rebsorten an den Klimawandel anpassen? Lohnt sich dadurch vielleicht die Übernahme des elterlichen Betriebs? Das sind wichtige Fragen, die auch mit dem Thema Innovation zu tun haben und für den Wohlstand einer Region wichtig sind. Deswegen glaube ich sehr an ein Modell, durch das sich diese Herausforderungen gemeinsam vor Ort lösen lassen. 

Die Erwartungen an die DATI sind riesig, sei es aus der Wirtschaft oder aus der Hochschulwelt. Haben Sie nicht Sorge, dass man diesen nicht gerecht werden kann?

Nein, das wäre die falsche Sichtweise, wir wollen ja kein Bauwerk der Angst errichten. Wenn man sieht, wie viele Rückmeldungen wir in den Online-Konsultationen bekommen haben, ist die DATI die richtige Lösung. Dass von allen Seiten viele Wünsche geäußert werden, finde ich positiv. Aber natürlich muss am Ende eine Entscheidung stehen, zu der auch Kompromisse gehören. Um diese Brücke für alle zu bauen, haben wir ja eben Stakeholder-Dialoge durchgeführt. Unser Ziel ist: ungenutzte Transferpotenziale ­gemeinsam zu heben. //

Mario Brandenburg

ist als FDP-Politiker seit Juni 2022 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung und damit verantwortlich für den Aufbau der im Koalitionsvertrag vereinbarten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI). Er folgte auf Thomas Sattelberger, der die DATI maßgeblich vorangetrieben hat.

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