Pingpong ums Digitale
Die Orchestrierung eines Strategieprozesses zur Digitalisierung der Lehre zählt zu den dicksten Brettern der Organisationsentwicklung, die Hochschulen zu bohren haben.
Eine Dekanin beklagte sich unlängst bei mir über eine unklare Verortung der Digitalisierungsstrategie in der Lehre an ihrer Hochschule: Die Fakultäten sehen die Hochschulleitung in der Pflicht, optimale Rahmenbedingungen für digitales Lernen und Lehren zu schaffen, diese nehme die Hochschulleitung aus Sicht der Dekanin aber nicht wahr. Studiengänge müssten von ihren Leitungen in Bezug auf Digitalität kohärent gestaltet werden, diese übernähmen aber die Verantwortung auch nicht. Man könne die Strategie doch nicht komplett bei der Fakultät abladen – und so weiter. Möglicherweise kennen Sie, liebe Leserinnen und Leser, dieses zeit- und kräfteraubende Pingpong der Ebenen nur zu gut aus eigener leidvoller Erfahrung.
Die Digitalisierung der Lehre gehört zu den dicksten Strategie-Brettern, die Hochschulen zu bohren haben. Dass dies nicht von den einzelnen Lehrenden geleistet werden kann, ist klar. Es ist weder finanzierbar noch zielführend, wenn sich jeder sein eigenes Konzept ausdenkt. Aber dass Strategieentwicklung keine einsame Aufgabe für ein Wochenende des Führungszirkels ist, sollte sich mittlerweile ebenfalls herumgesprochen haben. Wer also sollte sich verantwortlich für die Digitalisierungsstrategie fühlen? Antwort: alle Ebenen, aber mit klarer Rollenverteilung.
Die Hochschulleitung sollte allgemeine, übergreifende Gesamtideen für das Lernen formulieren. Im besten Fall sind dies strategische Leitplanken, etwa „eine Präsenzhochschule mit digitalem Mehrwert“, die passend zum Hochschulprofil einen Rahmen für Einzelaktivitäten der Digitalisierung setzen. Gleichzeitig sollten die großen Infrastrukturen für digitale Lehre für die Hochschule insgesamt geplant werden. Schließlich erscheint es sinnvoll, dass auch Unterstützungsstrukturen für digitale Lehre zentral geplant und vorgehalten werden.
Eine Strategie für den Kompetenzerwerb digitaler, generischer wie fachlicher Skills der Studierenden sehe ich hingegen vor allem auf der Fachebene. Ein weiterer Baustein von Fakultätsstrategien könnte ein Konzept für Peer Learning der Lehrenden sein. Schließlich muss es aber der Studiengang sein, der die konkrete Umsetzung digitaler Lehre zu einem Gesamtkonzept koordiniert. Hier erfolgt die konkrete Produktgestaltung: wie viel Digitalität, welche Tools, gemeinsame didaktische Konzepte, Formate für Lernvideos – all dies sollte meines Erachtens von der Studiengangleitung gemeinsam mit den Lehrenden zu einem strategisch ausgerichteten, kohärenten Ganzen entwickelt werden.
Es müssen also strategische Konzepte für die Hochschule insgesamt, für die Fakultät und für den einzelnen Studiengang her. Es kommt darauf an, dass diese ineinandergreifen und jede Ebene das regelt, was von ihr am besten gestaltet werden kann. Die Abstimmung eines solchen Prozesses in seiner Gleichzeitigkeit ist alles andere als trivial, doch die Mühe lohnt sich. Alle Beteiligten, egal ob Studierende oder Lehrende, Verwaltungsmitarbeitende oder Hochschulleitung, profitieren schließlich am Ende von einer schlüssigen Digitalstrategie. Das kann klappen, wenn sich alle für einen gelingenden Prozess mitverantwortlich fühlen und das Pingpong nur da stattfindet, wo es am meisten Spaß macht: an der Tischtennisplatte. //
DUZ Wissenschaft & Management 09/2022 vom 04.11.2022