Machtkämpfe behindern die Sacharbeit – was tun?
Ich beobachte in Gremien oft, dass persönliche Abwertungen, Kränkungen oder Statusspiele die Sachfragen in den Hintergrund drängen. Ist das normal – und was kann man dagegen tun? Das fragt ein Mitglied eines Präsidiums
Dieser Artikel ist im DUZ Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft in der Rubrik "Unter 4 Augen" erschienen und Teil der Online-Reihe "Ratgeber" auf DUZ Wissenschaftskarriere.
Claudia Eilles-Matthiessen antwortet:
Ja, das ist normal – wenn man mit „normal“ meint, dass es häufig vorkommt. Wohl jeder kennt Kommissionen, Direktoriums-, Senats- und andere Sitzungen, in deren Verlauf es nicht zu gelingen scheint, selbst einfache Sachfragen konstruktiv und ergebnisoffen zu diskutieren oder eine Entscheidung zu treffen. Stattdessen werden die immer gleichen Kommunikationsmuster wiederholt, bis man irgendwie das Gefühl hat, Teil eines vertrauten, aber ermüdenden Schauspiels zu sein. Machtkämpfe, subtile oder offene Angriffe, Selbstdarstellungen und Statusspiele drängen Sach- und Fachfragen in den Hintergrund. Wie lässt sich das erklären?
Menschliches Verhalten wird durch Kontexte beeinflusst. Auch dysfunktionale Kommunikationsmuster lassen sich nur vor dem Hintergrund der Organisations- und Führungskultur verstehen. Explizite und implizite Normen bestimmen, was erlaubt ist, was sanktioniert wird und was zum Erfolg führt. Aus psychologischer Perspektive ist hier das Selbstwertmotiv am Werk. Der Selbstwert beschreibt die Art der Selbstbeziehung, das Gefühl von Wert und Stimmigkeit, verbunden mit dem Bewusstsein für eigene Stärken. Der soziale Selbstwert beinhaltet das, was uns von anderen gespiegelt wird. Es gibt Menschen mit einem stabil hohen, andere mit einem stabil niedrigen und solche mit einem schwankenden Selbstwertgefühl. Ein überhöhtes, aber im Kern fragiles Selbstwertgefühl kann zu einem Problem werden, weil es oft mit einer ausgeprägten Kränkbarkeit und der Abwertung anderer verbunden ist.
Fühlt ein Mensch sich in seinem Selbstwertgefühl bedroht, erlebt er Kränkung, Verletztheit oder auch Zorn, der sich auf denjenigen richtet, der als Quelle der Abwertung erlebt wird. In der Folge werden, bewusst oder unbewusst, Strategien in Gang gesetzt, das bedrohte Selbstwertgefühl wiederherzustellen. Dabei kann man offensive Strategien wie aggressive Gegenangriffe, Abwertung sowie Macht- und Statussignale von defensiven Strategien wie Rechtfertigung, Kontaktvermeidung und Rückzug unterscheiden. Auch das Blockieren von Sachlösungen gehört zu den defensiven Strategien: Der Konflikt wird nicht angesprochen, sondern auf die Sachebene verschoben.
Was können Sie tun? Auf individueller Ebene sind Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung die besten Präventionsinstrumente. Wer mit sich selbst im Reinen ist, wird diese Souveränität nach außen ausstrahlen, sich nicht so leicht in Machtkämpfe verwickeln lassen, ungute Spielchen rechtzeitig erkennen und aussteigen. Er oder sie wird klarer kommunizieren, kann eigene Fehler eingestehen, auf Abwertungen anderer verzichten, aber auch Grenzen setzen. Wer selbst Gremien leitet, hat eine Vorbildfunktion. Sie oder er kann durch Transparenz, Struktur und den Einsatz von Moderationstechniken zum Gelingen einer Sitzung beitragen. Dabei gilt es, Machtspiele zu erkennen, Diskussionszeiten zu begrenzen, die Themen zunächst konsequent auf die Sachebene zurückzuführen und – falls erforderlich – Störungen und Konflikte von Sachthemen zu trennen und offen, aber ohne Schuldzuweisung anzusprechen.
DR. CLAUDIA EILLES-MATTHIESSEN ist Diplom-Psychologin, Autorin, Mediatorin und hat über das Selbstwertmotiv promoviert. Sie berät Hochschulen, wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen und ist Mitglied im Coachingnetz Wissenschaft, das Partner der DUZ ist.
DUZ Magazin 09/2022 vom 23.09.2022