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„Zeitfresser Audit?“

Diversity, Familiengerechtigkeit, Internationalisierung – zu diesen Themen können sich deutsche Hochschulen auditieren lassen. Damit Audits nicht als Zeitfresser wahrgenommen werden, sollten die Verantwortlichen einige Punkte beachten

Der US-amerikanische Manager und Wirtschaftsethiker Norman R. Augustine äußerte zum Thema Qualitätsmanagement, die Erde sei zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt, das restliche Drittel mit Auditoren. Ähnlich schlechte Audit-Erfahrungen hatte wohl ein Universitätsprofessor, der sich bei mir unlängst über seine Hochschulleitung beschwerte. Diese jage nach Systemakkreditierung und Exzellenzstrategie nun einem Audit nach dem anderen hinterher: erst einem für Internationalisierung, dann einem für Diversity – alles auf Kosten seiner Forschungszeit. Tatsächlich kann man als deutsche Hochschule derzeit neben Audits zu unterschiedlichen Themen auch eine Peer-to-Peer-Beratung für Digitalisierung durchlaufen oder sich für diverse, teils fachbezogene Siegel bewerben, die auch mit auditähnlichen Praktiken verbunden sind.

Es gibt aber auch gute Gründe für Audits: Im Gegensatz zur Akkreditierung sind sie ein von der Hochschule selbst gesteuerter Prozess. Ein Audit holt im Idealfall die Hochschule dort ab, wo sie steht, und zeigt die möglichen nächsten Schritte. Expertinnen und Experten von außen, die als Peers einen unverstellten Blick haben, geben wertvolles Feedback und konkrete Empfehlungen. Anders als bei der Akkreditierung geht es beim Audit nicht um die Einhaltung von Mindeststandards, sondern um die Erzielung einer konkreten Veränderung. Ein thematisch fokussiertes Audit kann einen entscheidenden Beitrag leisten, das jeweilige Thema in der Hochschule prominent zu platzieren und ihm einen Schub zu verleihen.

Damit Audits von den Beteiligten nicht als wirkungslose Zeitfresser wahrgenommen werden, sollten die Prozessverantwortlichen Folgendes unbedingt beachten. Zunächst ist die Koppelung an die Strategieentwicklung der Hochschule im Blick zu behalten. Sieht die Strategie beispielsweise eine Profilierung als Lifelong-Learning-Anbieter vor, kommt ein Weiterbildungs-Audit gerade recht. Entscheidend ist auch das Timing. Die Hochschulen stehen aktuell am Übergang vom Pandemiebetrieb in die neue Normalität der „Blended University“. Wann, wenn nicht jetzt, ist Peer-to-Peer Beratung zur Digitalisierung der Lehre gefragt? Gleichzeitig sollte man darauf achten, dass Hochschulangehörige nicht in kurzer Zeit eine Beteiligung an mehreren Prozessen leisten müssen. Und schließlich sollte man überlegen, ob dasselbe Ziel auch mit einem weniger aufwendigen Verfahren erreichbar ist. Ein Beispiel dafür bietet das Thema Familiengerechtigkeit: Viele Hochschulen haben das Audit „familiengerechte Hochschule“ durchlaufen, teilweise wiederholt. Einen anderen Zugang bietet der Verein „Familie in der Hochschule“. Hier verpflichten sich die rund 130 Mitgliedshochschulen auf eine Charta und praktizieren Benchmarking ihrer Praktiken und kollegiale Fallberatung in einer Community. Kollaborative Hilfe aus dem Arbeitsalltag anstelle endloser Reauditierungsschleifen.

Die Stärke eines Audits zeigt sich, wenn es nicht als Fremdkörper, sondern als Teil des Qualitätsmanagements begriffen und eingebunden wird. Klug und dosiert eingesetzt, kann es ein hervorragendes Instrument der Hochschulentwicklung sein. Und wenn sich dann alle im Audit-Prozess auf die lateinische Ursprungsbedeutung des Begriffes besinnen, nämlich auf gegenseitiges Zuhören, kann bestimmt auch der eine oder andere Skeptiker noch überzeugt werden.

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