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Der Ärztemangel ist vorprogrammiert

Bis zum Jahr 2035 werden in Deutschland rund 11 000 Hausärztinnen und Hausärzte fehlen. Dies wird dramatische Folgen vor allem für die Gesundheitsversorgung in den ländlichen Gebieten haben

Als Arzt oder Ärztin anderen zu helfen – das ist der Traum vieler junger Menschen. Doch schon die erste Hürde auf diesem Berufsweg, die Zulassung zum Medizinstudium, ist in Deutschland hoch. Jedes Jahr übersteigt die Anzahl derer, die sich bewerben, die Zahl der verfügbaren Studienplätze bei Weitem. So standen im vergangenen Wintersemester 2021/22 den rund 10 000 verfügbaren Studienplätzen für die Humanmedizin in Deutschland mehr als 45 000 Bewerberinnen und Bewerber gegenüber. Und die angehenden Ärztinnen werden dringend gebraucht: Im Krankenhaus-Barometer 2019 – einer Studie des Deutschen Krankenhaus Instituts – gaben mehr als drei Viertel aller befragten Krankenhäuser an, Probleme zu haben, offene ärztliche Stellen besetzen zu können. Auch bei niedergelassenen Ärzten ist der Bedarf groß, jedoch nicht in allen ärztlichen Fachrichtungen gleichermaßen ausgeprägt. Insbesondere die flächendeckende hausärztliche Versorgung steht auf der Kippe. Obwohl der Hausarzt oder die Hausärztin oftmals die erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Beschwerden darstellt, könnte es für viele Deutsche schon in baldiger Zukunft bei Fieber, Magen-Darm-Problemen oder anderen akuten Krankheitssymptomen ein schwieriges Unterfangen darstellen, zeit- und wohnortnah einen Termin beim Doktor oder der Doktorin des Vertrauens zu erhalten. Bis zum Jahr 2035 werden – laut einer Studie der Robert Bosch Stiftung – in Deutschland rund 11 000 Hausärzte fehlen. Infolgedessen werden fast 40 Prozent der Landkreise von Unterversorgung bedroht oder sogar betroffen sein. Vor allem in ländlichen Regionen könnte die ärztliche Versorgung zum Problem werden.

Eine Ursache liegt neben der mangelnden Attraktivität vieler ländlicher Regionen für angehende Ärztinnen und Ärzte allgemein in der Altersstruktur der derzeit praktizierenden Hausärzte. Fast 30 000 von ihnen werden bis 2035 altersbedingt ausscheiden – ein größtenteils historisch gewachsenes Problem, verursacht durch einen Zulassungsstop für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in den 90er-Jahren. Doch auch andere Faktoren lassen junge Mediziner zögern, eine hausärztliche Tätigkeit aufzunehmen, obwohl viele sich diesen Berufsweg durchaus prinzipiell vorstellen können, wie Zahlen der Berufsmonitoring-Studie unter Medizinstudierenden zeigen. Die Jungmedizinerinnen wünschen sich flexiblere Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit zu Teilzeit. Der hohe Zeitaufwand für bürokratische und organisatorische Aufgaben bei Selbstständigkeit sowie die hohe finanzielle Belastung bei einer Niederlassung schrecken zusätzlich ab. Auch das für eine ärztliche Tätigkeit vergleichsweise eher geringe Honorar wird von Medizinstudierenden als weiterer Grund gegen eine Niederlassung genannt.

Masterplan Medizinstudium 2020

Die Politik reagierte auf diese Entwicklungen unter anderem mit dem sogenannten Masterplan Medizinstudium 2020. In dem im Jahr 2017 von der Bundesregierung verabschiedeten Maßnahmenpaket zur Reform des Medizinstudiums stellt die Stärkung der Allgemeinmedizin ein prioritäres Ziel dar. Beispielsweise ist die Allgemeinmedizin seitdem ein obligatorischer Bestandteil des Staatsexamens. Diese Maßnahme schließt sich an die bereits 2013 beschlossene Pflichtfamulatur in der Allgemeinmedizin an. Des Weiteren ermöglicht der Masterplan den Bundesländern die Einführung einer sogenannten Landarztquote. Bis zu zehn Prozent der Medizinstudienplätze können in diesem Zuge an Bewerberinnen und Bewerber vergeben werden, die sich nach Abschluss des Studiums und der allgemeinmedizinischen fachärztlichen Weiterbildung für eine bis zu zehnjährige Tätigkeit als Hausärztin oder Hausarzt in unterversorgten oder durch Unterversorgung ­bedrohten ländlichen Regionen verpflichten. Mehrere Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, machen bereits von dieser Regelung Gebrauch, in weiteren Bundesländern ist die Einführung geplant.

An einigen Universitäts-Standorten wurden in den letzten Jahren außerdem zusätzliche Angebote für das Medizinstudium geschaffen. Neue Kapazitäten entstanden zum Beispiel in Bayern am Standort Augsburg (84 Plätze), in Oldenburg (80 Plätze), im sächsischen Chemnitz, wo seit dem Wintersemester 20/21 jeweils 50 Studierende mit dem Studium beginnen können und – seit Neuestem – in Bielefeld. Hier werden mit Beginn des laufenden Wintersemester 2021/22 zunächst 60 angehende Medizinerinnen und Mediziner pro Jahrgang ausgebildet.

Bei der Diskussion um einen potenziellen Hausärztemangel in Deutschland gerät weitgehend aus dem Blickfeld, dass darüber hinaus schätzungsweise mindestens 8000 Deutsche – und damit fast zehn Prozent aller deutschen Medizinstudierenden – im Ausland studieren. Eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2018 zeigt zudem, dass die Liste der Länder, in die es Studierende zum Medizinstudium zieht, lang ist.

Ausweg Südost- und Osteuropa

Neben „klassischen“ Destinationen wie Österreich, auf das fast ein Drittel der deutschen Medizinstudierenden im Ausland entfällt, oder den Niederlanden haben in den letzten Jahren insbesondere die südost- und osteuropäischen Länder als Zielländer immer mehr an Bedeutung gewonnen. An ungarischen Universitäten ­beispielsweise ist die Zahl der deutschen Medizinstudierenden mittlerweile fast genauso groß wie in Österreich. Im Unterschied zu Ländern wie Österreich, der Schweiz oder auch den Niederlanden, in denen deutsche Studierende die regulären Medizinstudiengänge absolvieren, wurden an Universitäten unter anderem in Ungarn, Polen und Rumänien spezielle Studienangebote für internationale Bewerberinnen und Bewerber geschaffen. Teils handelt es sich dabei sogar um komplette deutschsprachige Studiengänge, die sich speziell an deutsche Studierende richten.

In einer Zeit, in der einerseits junge Medizinerinnen und Mediziner dringend gebraucht werden und gleichzeitig etwa jeder zehnte bis zwölfte deutsche Studierende für das Medizinstudium ins Ausland geht, schenkt die deutsche Bildungs- und Gesundheitspolitik dieser Gruppe jedoch wenig Beachtung. Auch wenn sich viele Studierende für die Option „Medizinstudium im Ausland“ entscheiden, liegen nur wenige aussagekräftige Informationen und Daten zu diesem Weg der Ausbildung vor. Trotz gelegentlicher Vorurteile gegenüber diesem Bildungsweg, ist aus dem Auslandsstudium der Medizin mittlerweile ein Geschäft geworden: Mehrere kommerzielle Anbieter bieten Beratung und Unterstützung, einschließlich der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung an und werben mit einer hohen Vermittlungsquote an „ihren“ Partnerhochschulen.

Angesichts der hohen Bewerberinnenund Bewerberzahlen für Medizinstudienplätze in Deutschland (2021 lag die Zahl der Bewerbungen je Studienplatz bei 4,5) ist mehr als klar, dass der Überhang an Bewerbern für die verfügbaren Studienplätze und die damit einhergehenden geringen Zulassungschancen in Deutschland ein wesentlicher Motivator sind, das Studium im Ausland zu absolvieren. Dabei war insbesondere Österreich mit einem gebührenfreien Studium in deutscher Sprache traditionell die beliebteste Destination deutscher „NC-Flüchtlinge“. Trotz der Überarbeitung des Zulassungsmodus, wodurch mittlerweile verschiedene Zulassungsquoten – nicht mehr allein nur der NC – die Zulassung zum Studium regeln, bleibt es für Interessierte schwer, einen Medizinstudienplatz in Deutschland zu erhalten. //

Dieser Beitrag ist erschienen in „DUZ SPOTLIGHT Gute Praxis International: Medizinstudierende – Letzter Ausweg Ausland“, in redaktioneller Kooperation mit dem CHE Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh.

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