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E-Reader und Mediathek

Wie die weiteren funktionellen Entwicklungen des Lernens und Lehrens an den Hochschulen befördert werden können

1. E-Ink-Reader mit Entwicklungspotenzial
Welche Anforderungen sollte ein Gerät erfüllen, damit es sich für das Lesen und Bearbeiten von digitalen Texten im Lernkontext eignet? Hier sind wesentlich: Handlichkeit; gute und übersichtliche Darstellung (inklusive Abbildungen); die Funktion, Textstellen zu kennzeichnen und mit Anmerkungen zu versehen; die Augenfreundlichkeit, das heißt, dass die Augen möglichst wenig beim Lesen ermüden; eine Schnittstelle zu den im Bildungskontext üblichen Literaturverwaltungsprogrammen, damit Literaturangaben und entsprechend gekennzeichnete oder paraphrasierte Textstellen reibungslos in eigene Arbeiten aufgenommen werden können. Als E-Book-Reader finden gewöhnlich entweder Tablets oder Geräte mit einer Anzeige, die gemeinhin als elektronische Tinte (E-Ink) bekannt ist, Verwendung. Letztere werden im Weiteren als E-Ink-Reader bezeichnet. In beiden Gerätelinien wurden in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt, die die Defizite und Unterschiede zwischen ihnen immer mehr verschwinden lassen. Doch eine Schwachstelle scheint bis heute nicht gelöst: die Schnittstelle der E-Ink-Reader zur im Bildungskontext üblichen Literaturverwaltung und der damit verbundenen Bereitstellung der effizienten Prozesse. Hierzu eine kurze Erklärung: Beim Verfassen eines wissenschaftlichen Textes werden Quellen aus der entsprechenden Fachliteratur herangezogen. Die Integration dieser Quellen in den eigenen Text baut darauf auf, dass schon während des Lesens der Texte unterschiedliche Markierungen gesetzt werden, die später ein Zuordnen zu Kategorien beziehungsweise Kapiteln des eigenen Textes automatisiert ermöglichen. Ein Auslagern des Lesens auf einen E-Ink-Reader hat zur Folge, dass der Text nochmals im entsprechenden Literaturverwaltungsprogramm selbst geöffnet, gelesen und bearbeitet werden muss. Somit fällt ein zusätzlicher – und leider redundanter – Arbeitsschritt an. Bei der Verwendung eines Tablets als E-Book-Reader stellt sich dieses Problem nicht, da sich das Literaturverwaltungsprogramm dort öffnen lässt und somit Lesen und Markieren in einem Arbeitsschritt möglich sind. Schade für den ­E-Ink-Reader, der dadurch seine gewichtigen Pluspunkte im Bezug auf Handlichkeit und Augenfreundlichkeit verspielt.

2. Medieneinsatz im Bildungskontext: Revival des Audios
Der Satz „Das Video ist das neue PDF“ fällt in Diskussionen zur aktuellen Entwicklung im Bildungskontext und dem damit verbundenen Medieneinsatz immer wieder. Durch Videos werden heute viele Lehrinhalte vermittelt, nicht mehr nur durch Texte. Doch gibt es nicht noch etwas dazwischen, das sich im Kontext des Lernens ebenfalls als Medium sehr sinnvoll einsetzen lässt?

Dabei denke ich an das Audio, das eine gute und längst nicht ausgeschöpfte Alternative darstellt. Diesen Zugang zum Lehren und Lernen möchte ich wieder in Erinnerung rufen und darauf aufmerksam machen, dass einerseits hierzu schon hochwertige Quellen bestehen und andererseits auch die Learning-Management-Systeme Möglichkeiten bieten, Audios hochzuladen oder selbst direkt einzusprechen.

3. Persönliche virtuell-visuelle Mediathek
Nach meiner Erfahrung werden digitale Berichte, E-Books, Audios, Videos oder auch gesetzte Bookmarks relevanter Webseiten in großer Anzahl gesammelt und angelegt – aber sie werden ohne einen strukturierten visuellen Anreiz oft nicht mehr umfassend genutzt oder wiedergefunden. Eine Option wäre eine persönliche und individuell gestaltbare virtuell-visuelle Mediathek, in der die Medien – zum Beispiel in Form eines virtuellen Buches mit Titelseite und Buchrücken und virtuellen Themenbereichen zugeordnet – platziert werden. Mit einem Klick könnte diese Mediathek betreten werden und eine Orientierung innerhalb der eigenen Medien erleichtern. Diese Form von Mediathek existiert bisher noch nicht.

4. Visualisierung individueller Hyperlink-Lernpfade in einem Bildungswiki
Das interesse- und fragengeleitete Anklicken von Hyperlinks, wie wir es aktuell vor allem aus dem Internet kennen, hilft uns in verhältnismäßig kurzer Zeit und ohne großen Aufwand, einen Überblick zu einem Themenfeld zu bekommen. Die Reichweite eines Themas, die damit verbundenen Schlagworte, Veröffentlichungen, relevante Persönlichkeiten und fachspezifische Institutionen können themenbezogen sehr zügig mithilfe der Hyperlinks abgesteckt werden. Was bisher oft nur als Herumklicken und Verlorengehen im Netz aufgefasst wurde, ist jedoch ein relevanter Beitrag zum Lernprozess – vor allem deshalb, da hier die lernende Person ihrem persönlichen Interesse folgen kann und sich dadurch ein persönlicher Lernpfad entwickelt, der von individuellen Entscheidungen im Suchprozess nach Antworten gekennzeichnet ist. Aufgrund der Vorzüge von Hyperlinks sind diese heute auch – wie im Internet schon lange üblich – in vielen digitalen Medien anzutreffen. An dieser Stelle möchte ich aber noch einen Schritt weiter gehen und diese individuellen Hyperlink-Pfade anerkennen als bedeutsamen Teil im Lernprozess.

Doch wie soll ein individueller Hyperlink-Lernpfad anerkannt und in den größeren Kontext des Lernens sinnvoll platziert werden, wenn dieser weder sichtbar noch nachträglich nachvollziehbar ist? Aus diesem Grund wird hier ganz gezielt der Bedarf der Visualisierung der von einem Individuum im Lernprozess gegangenen Hyperlink-Pfade formuliert. Es ist denkbar, dass dieses visuelle Pendant die angeklickten Hyperlinks mit den zugehörigen Schlagworten aneinanderreiht und dreidimensional – zeitgleich zum Suchvorgang oder nachträglich abrufbar – als individuellen Hyperlink-Lernpfad darstellt. So entstehen Begriffsstrukturen – bildlich als Netze vorstellbar. Die Reihenfolge, in der die Hyperlinks auch tatsächlich angeklickt wurden, wird zunächst beibehalten, kann aber auch bei Bedarf umsortiert werden. So spannt sich ein den Suchvorgang abbildendes Netz auf, das als Visualisierung der persönlichen Hyperlink-Aktivität und des damit verbundenen potenziellen Lernprozesses dienen kann. Ob sich eine farbliche Kennzeichnung der Hyperlinks nach Fachzugehörigkeit und Wissenstiefe (Allgemeinwissen, Fachwissen oder Expertenwissen) für den Lernprozess als sinnvoll erweist, müsste erprobt werden; ebenso die technische Umsetzbarkeit. Hilfreich wäre dies sicher, sobald die visualisierten Hyperlink-Pfade auch zur Gestaltung von Leistungs- beziehungsweise Kompetenznachweisen herangezogen werden.

Sie fragen sich jetzt sicher: Was hat ein individueller Hyperlink-Lernpfad mit einem Leistungsnachweis zu tun? Es könnte also nicht nur ein individuell eingeschlagener Lernpfad sichtbar gemacht werden, sondern auch eine Wissens- beziehungsweise Kompetenzabfrage individualisiert und auf die konkret gegangenen Hyperlink-Pfade ausgerichtet stattfinden. So könnte auch das Prüfen der Tendenz der Individualisierung in der Hochschulentwicklung Rechnung tragen und sich auf die Hyperlink-Pfade, die die lernende Person tatsächlich gegangen ist, beziehen. Prüfen also einmal umgekehrt gedacht: Der Prüfungsstoff orientiert sich an den Lernenden selbst und deren Hyperlink-Aktivitäten und wird in diesem Fall nicht mehr ausschließlich vom Lehrplan beziehungsweise von der Lehrperson bestimmt. Sie fragen jetzt berechtigt, ob dies alles denn in der uns bekannten Wikipedia stattfinden soll. Die Antwort ist nein. Es bräuchte dafür ein Bildungswiki, also ein Wiki, das bildungsrelevanten Qualitätskriterien genügt, frei von Werbung ist und sich aus entsprechend geprüften wissenschaftlichen Quellen speist. Ob sich ein solches Bildungswiki in die aktuell existierende Wikipedia integrieren ließe – zum Beispiel durch eine entsprechende Kennzeichnung von Seiten – wäre einen Gedanken wert.

Auch wenn die Ausführungen an dieser Stelle noch etwas vage und als Vision für die Zukunft erscheinen, so seien die vorgestellten vier Anregungen schon einmal formuliert und die damit verbundenen Möglichkeiten ins Bewusstsein gerufen.

Fassen Sie diesen Beitrag gerne als Aufforderung zur Diskussion auf und schreiben Sie der Autorin. //

Dr. Angelika Neudecker

ist Habilitandin am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Sie lehrt und forscht zu den Themen digitale Transformation, Zukunft Lernen, Cosmopoliteracy® und eKursionen.

Foto: A. Neudecker​

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