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Corona und die Folgen

Positive Aspekte der vergangenen Monate langfristig absichern und Chancen für Veränderungen nutzen: Eine Bewertung der Podiumsdiskussion „Ausblick: was bleibt, wie es früher war“ der Mitglieder des Sprecherteams der Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands.

Dieser Artikel ist im DUZ Special Corona und die Folgen: Was haben wir daraus gelernt? Was wird sich künftig ändern? Was wird bleiben? erschienen, welches die Jahrestagung 2021 der Universitätskanzlerinnen und -kanzler dokumentiert.

Herausgegeben wird es von der Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands.

Hier finden Sie die gesamte Ausgabe als PDF und als E-Journal und können kostenfrei die Print-Ausgabe bestellen:

www.duz-special.de/de/ausgaben/corona-und-die-folgen

Wollte man ein erstes Fazit der Pandemie für die Universität in zwei Sätze fassen, dann könnten es diese sein:

(1) Die Universitäten haben auch unter den Bedingungen der Pandemie vergleichsweise gut funktioniert.

(2) Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, was im virtuellen, digitalen und auf Abstand ausgerichteten Universitätsbetrieb nicht oder zumindest nicht auf wünschenswerte Weise funktioniert.

So zufrieden man über den ersten Satz sein kann, so wichtig ist ein differenzierter Blick auf die im zweiten Satz zusammengefassten kritischen Erfahrungen.

Lehre

In der Pandemie ist es gelungen, die Lehre in kürzester Zeit fast vollständig auf digitale Formate umzustellen. Ausnahmen bildeten Praxisveranstaltungen, die online nicht durchführbar sind.

Der extrem kurzen Umstellungszeit, der teilweise noch geringen praktischen Erfahrung mit digitalen Lehrformaten und technischen Anlaufproblemen war es geschuldet, dass die Qualität der digitalen Lehre heterogen war. Die Neu- und Weiterentwicklung anspruchsvoller digitaler Lehr- und Lernkonzepte ist in vollem Gang, ist aber vor allem für die Lehrenden mit einem erheblichen zeitlichen Mehraufwand verbunden.

Die Beschränkungen des Online-Betriebs haben in besonderer Weise den Studienstart getroffen. Dies betraf nicht nur die Auswahl von Lehrveranstaltungen, sondern auch das Fehlen des persönlichen Kontakts mit anderen Studierenden und Lehrenden und den Wegfall der informellen Campus-Kultur.

Mobile Arbeit

Das mobile Arbeiten im Homeoffice ist für die meisten Mitarbeitenden eine kaum noch wegzudenkende Facette des eigenen Arbeitsplatzes geworden, auch wenn die Arbeitsmöglichkeiten vielfach noch technisch limitiert waren und ein Zusammentreffen von Homeoffice und Homeschooling für beides störend sein konnte. Die notwendige Verlagerung der Arbeit nach Hause hat im Übrigen noch einmal nachdrücklich bestätigt, dass dies bei weitgehend papierbasiertem Arbeiten nur in engen Grenzen möglich ist. In Bereichen, für die wegen der Art ihrer Aufgaben eine hybride Arbeitsweise notwendig war (z. B. Prüfungsämter), mussten Lösungen dafür gefunden werden, die Präsenzanteile flexibel an saisonale Arbeitsspitzen anzupassen. Schwierig gestaltete sich auch das Onboarding von neuen Mitarbeitenden, die ganz oder überwiegend online eingearbeitet werden mussten und daher kaum Zugang zu den dinglich gebundenen oder zu den informellen Aspekten des neuen Arbeitsplatzes finden konnten.

Universität im virtuellen Raum

Durch die Verlagerung des universitären Lebens in den virtuellen Raum entfielen die Gelegenheiten für zufällige Begegnungen oder Gespräche, die am Rande von Treffen entstehen und diesen oftmals eine besondere Bedeutung geben oder den entscheidenden Kontext für das eigentlich Gesagte liefern.

In den Beiträgen des Panels wurde dies vielfach als allgemeine Frage nach der Balance von Präsenz und Onlinewelt thematisiert und an Beispielen erläutert, an denen sichtbar wird, dass ein persönlicher Kontakt nicht verlustfrei durch Videomeetings und -konferenzen zu ersetzen ist. Als Ort des Diskurses und des Austausches profitieren die Universitäten erheblich vom Element der physischen Anwesenheit, sei es bei der Generierung und Bearbeitung in der Forschung, Aufgabenerfüllung in den Administrationen sowie bei der Betreuung von Studierenden der Lehre.

Im Sinne einer qualitativ guten universitären Lehre ist die Notwendigkeit persönlicher Begegnung von Lehrenden und Studierenden, auch untereinander, auf einem Campus geblieben. Die Universitäten müssen hierfür den passenden Raum bieten und zudem für sich klären, wie sie zukünftig ihr Selbstverständnis interpretieren und auslegen wollen.

Entscheidungsprozesse und Regelungsdichte

Der durch die Pandemie ausgelöste Handlungsdruck hat in den Universitäten deutlich werden lassen, wie groß jedenfalls unter diesen besonderen Umständen der Wunsch nach Führung, Entscheidung und Wahrnehmung von Verantwortung in einem System sein kann, das sich ansonsten gerne als „loosely coupled“ begreift. Entscheidungsprozesse waren durch ihre Verlagerung in den virtuellen Raum jederzeit möglich, es war aber auch spürbar, dass besonders kritische Entscheidungsphasen ohne direkten persönlichen Kontakt herausfordernder sind. Andererseits sind aus dem wahrgenommenen Bedarf neue oder veränderte Formate der Zusammenarbeit entstanden, unabhängig davon, ob sie hochschulrechtlich vorgesehen sind, beispielsweise auf Ebene der Fakultätsleitungen.

Während der Krise wurde deutlich, wie sehr die tägliche Arbeit in Lehre, Forschung und Verwaltung einer Universität einer hohen Regelungsdichte unterworfen ist, die unter den Handlungserfordernissen der Pandemie kontraproduktiv war. Masken wurden deshalb auch unter Zurückstellung des Vergaberechts beschafft, weil sie gebraucht wurden, für Schnelltests entstandene Kosten jenseits von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, Lizenzen für Videokonferenzsysteme trotz datenschutzrechtlicher Bedenken erworben – alles im Sinne des übergeordneten Ziels, den Lehr- und Forschungsbetrieb aufrechtzuerhalten.

Flexibilisierung der Prozesse

Es hat sich gezeigt, dass in Zukunft Studium, Lehre, die Aufgabenerfüllung in den Administrationen und die Gremienarbeit digitaler und verteilter gestaltet werden müssen, um dem Wunsch der Studierenden und Beschäftigten nach einer höheren Flexibilität nachzukommen, aber auch um die Verwaltungs- und Entscheidungsprozesse in den Universitäten zu modernisieren.

Formate digitaler Lehre werden die Präsenzlehre in Zukunft ergänzen, um flexibel auf Bedürfnisse von Studierenden, aber auch Lehrenden einzugehen, unabhängig von aktuellen äußeren Zwängen.

Aus der Umsetzung von Lösungen zur Aufrechterhaltung von Lehre und Forschung und aus der Arbeit in den Administrationen und Gremien sind Anforderungen für den zukünftigen und geregelten Betrieb der Hard- und Software erkennbar geworden. Diese werden nur mit einer Aufstockung von Budgets für Hard- und Software sowie für das IT-Personal zu erfüllen sein, was zusätzliche finanzielle Mittel erfordert. Neben den informationstechnischen Herausforderungen sind auch rechtliche Hürden zu nehmen, beispielsweise beim Datenschutz, bei der Akquirierung des benötigten Personals und in der Personalentwicklung – sowohl des wissenschaftlichen wie des Personals in Technik und Verwaltung.

Zudem ist es überfällig, überkomplexe, langwierige und nicht am eigentlichen Zweck ausgerichtete Verfahren auf den Prüfstand zu stellen. Für eine flächendeckende Einführung von mobilem bzw. verteiltem Arbeiten sind, neben rechtlichen Anforderungen, die operative Umsetzbarkeit bei Arbeitsabläufen, die Balance eines Anwesenheitserfordernisses und die zukünftige zentrale und dezentrale Verortung der Aufgabenerfüllung zu prüfen und zu bestimmen.

Umschalten von Krisenbewältigung in Chancensuche

Das Panel hat gezeigt, dass die skizzierten Veränderungen eher gelingen werden, wenn die Frage, was zur Bewältigung der Krise beigetragen hat, durch die Suche nach Chancen abgelöst wird.

Am Beispiel der Arbeitsformen stellt sich dann weniger die Frage, wie das Homeoffice als Instrument eingesetzt wird, um die Arbeitnehmer*innen vor gesundheitsgefährdenden Sozialkontakten zu schützen. Wir sind vor allem auf der Suche nach den Chancen, dem Mehrwert in einem flexibilisierten Modell der Arbeitsorganisation. Bei Betrachtung virtualisierter Prozesse ist nicht entscheidend, dass sie eine Voraussetzung des mobilen Arbeitens sind, sondern eher, welche besonderen Qualitäten sie für den Outcome unserer Tätigkeit an den Universitäten ermöglichen.

Balance wiedergewinnen, nur etwas anders …

Viele Beiträge des Panels waren durch ein abwägen des Für und Wider geprägt, das Herausarbeiten einer Ausbalancierung gegenläufiger Anforderungen innerhalb der Universität. Auf der Ebene der Governance ist zu bestimmen, wie die „richtige“ Balance zwischen zentralen Steuerungsimpulsen und dezentraler Eigenverantwortung ausgestaltet werden kann.

Mit Blick auf die Lehre, die Aufgabenerfüllung in den Administrationen oder die Gremienarbeit wird jeweils zu bestimmen sein, an welchen Stellen für das Gelingen eine persönliche physische Anwesenheit unersetzlich ist und an welchen Stellen auf gleichwertige oder gar vorteilhaftere virtuelle Formate umgestellt werden sollte.

Fazit

Die Frage „Was bleibt, wie es früher war?" lässt sich noch nicht abschließend beantworten, zumal die Universitäten weiterhin mit sich wöchentlich ändernden Anforderungen an einen Universitätsbetrieb unter Pandemiebedingungen umgehen müssen. Die Pandemie stellt uns aber einen wertvollen Erfahrungsraum zur Verfügung, ein deutlich erweitertes Erfahrungswissen für die Aufgaben der Zukunftsgestaltung. Dieses Erfahrungswissen gilt es wirksam zu sichern, damit es im Zuge der Rückkehr in den Normalbetrieb nicht wieder in Vergessenheit gerät.

Autorinnen und Autoren

Das Sprecherteam der Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands:
Dieter Kaufmann, Kanzler der Universität Ulm
Dr. Andrea Bör, Kanzlerin der Freien Universität Berlin
Dr. Waltraud Kreutzgers, Kanzlerin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Dr. Roland Kischkel, Kanzler der Bergischen Universität Wuppertal

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