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Ich liebe meinen Professor

Es gibt tausend Gründe für die Promotion. Doch längst nicht alle sind tragfähig. Der Kasseler Forschungsreferent Wolfgang Adamczak macht Mut zum Neinsagen und nennt sieben Sätze potenzieller Doktoranden, bei denen Professoren hellhörig werden sollten.

In meiner langjährigen Berufspraxis habe ich viele Broschüren als Handreichung zu verschiedenen Themen geschrieben. Doch die wohl wichtigste Broschüre fehlt noch: „Warum Sie nicht promovieren sollten!“ Sie wäre allen voran für Professoren nützlich. Denn sie sind es ja, die mit ihrer Nachwuchsförderung die Qualität der Wissenschaft sichern. Hilfreich wäre ein solcher Leitfaden aber auch für Forschungsreferenten und Karriereberater an Hochschulen.
Die bei Beratungsgesprächen auftauchenden Probleme mögen unterschiedlich vorgetragen und formuliert sein, in ihrem Kern ähneln sie sich. Erkennbar werden sie oft schon bei der Termin­absprache: „Ich habe gerade mein Examen gemacht und mein Professor hat mir angeboten, bei ihm zu promovieren. Ich würde mich gern von Ihnen beraten lassen, woher ich ein Stipendium bekommen kann.“

Das klingt einfach, ist es aber nicht immer. Forschungsreferenten sind gut beraten, bei der Gesprächsvorbereitung mehr zu tun, als die neueste Übersicht zu Doktorandenstipendien hervorzuholen. Empfehlenswert ist, wenigstens einen Blick in die Promotionsstatistik zu werfen. Was tun, wenn der genannte Professor in den Jahren, die er an verschiedenen Universitäten verbrachte, nur sehr wenige Nachwuchswissenschaftler wirklich zum Doktorgrad führte? 

Natürlich sind es am Ende die potenziellen Doktoranden selbst, die den Sinn beziehungsweise Unsinn einer Promotion für sich klären müssen. Die Aufgabe der Berater besteht allerdings darin, ihnen bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Gründe, die gegen eine Promotion sprechen, können in der Person des potenziellen Doktoranden selbst liegen. Sie können aber auch in der Person des ausgewählten Betreuers und dem wissenschaftlichen Umfeld des Lehrstuhls zu finden sein, an dem die Promotion durchgeführt werden soll. Lesen Sie einige der Gründe, die nicht ausreichen, um sich auf das Wagnis Promotion Wissenschaft einzulassen.

1. Ich liebe meinen Professor

So deutlich wird es natürlich niemand sagen. Die Formulierungen fallen weicher aus: Der Professor hätte schon die Examensarbeit betreut und sei so fürsorglich und sympathisch gewesen. Eine Promotion bei ihm könne dann doch wohl kein Fehler sein.
So wichtig gegenseitige Sympathie ist, sie darf nicht Maßstab der Entscheidung sein. Entscheidend ist die Frage, ob der Professor in der Lage ist, die Promotion wissenschaftlich kompetent zu betreuen. Dies ist auch für potenzielle Doktoranden schnell erschließbar mit der einfachen Frage, ob er einschlägig publiziert hat. Wer sich wissenschaftlich weiterentwickeln will, wird das Thema seiner Examensarbeit nicht einfach fortschreiben, sondern Neuland betreten. Ist unter diesen Voraussetzungen die qualifizierte Betreuung durch den sympathischen Professor gesichert? Nur wenn die Antwort positiv ausfällt, macht eine Promotion Sinn.

2. Mein Vater hat auch promoviert

Dieses Argumentationsmuster ist gängig und lässt sich beliebig variieren. Ob Vater, Mutter, Bruder oder Schwester – bei Studierenden, die zu Hause ein akademisches Umfeld erfahren haben, ist die Neigung, sich auf den Weg einer Promotion zu begeben, eher vorhanden als bei Studierenden aus bildungsferneren Schichten.
Manchmal steckt hinter dem guten Vorbild in der Familie ein handfester Konflikt. Das möglichst behutsam herauszufinden, ist  eine der schwierigen Aufgaben des Beraters. Er muss in dem Gespräch vor allem deutlich machen, welch hohe Bedeutung intrinsische Motivation in der Forscherkarriere hat.

3. Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll

Derlei Aussagen kommen häufig von Hochschulabsolventen, die die Mühe des Bewerbens in der Wirtschaft scheuen. Die Promotion wird in solchen Situationen gern als Chance ergriffen, den Bewerbungsprozess hinauszuzögern und gleichzeitig das eigene Qualifikationsprofil zu erweitern. Wenn man schon keinen Job bekommt, dann könnte man doch mit einer Promotion „zwischenparken“.
Bei Fällen wie diesen ist es ratsam, den Weg zur Promotion und den real existierenden Doktorandenalltag so detailliert wie möglich zu schildern. Ist es dagegen nicht viel einfacher, Anzeigen zu sichten, sich mit möglichen Berufsfeldern auseinanderzusetzen und gute Bewerbungen zu schreiben?

4. Ich habe Angst vor dem Schritt in den Berufsalltag

In der Regel wird dies keiner so offen formulieren. Eher kommt es zu Aussagen wie „Ich fühle mich an der Uni sehr wohl“. Bei Nachfragen wird deutlich, dass sich hier jemand in der Nische Hochschule eingerichtet hat und diese nicht verlassen möchte, weil alles andere mit Ungewissheit verbunden ist. Schon die Frage, ob für die Promotion eine andere Universität in Betracht kommt, wird als Bedrohung empfunden.
Als Betreuerin oder Berater sollte man auf die große Chance verweisen, dass man jetzt seine weitere Entwicklung aktiv in die Hand nehmen kann, indem man entscheidet, ob und wo es angemessene Bedingungen für eine Promotion gibt, oder ob es sinnvoller ist, die Universität zu verlassen und in einem (interessanten) Berufsfeld seine im Studium erworbenen Qualifikationen zu nutzen.

5. Ich finde keine Finanzierung

Der Klassiker: „Ich habe mich um ein Stipendium meiner Universität bemüht, ich habe einen Antrag bei einem Begabtenförderungswerk gestellt und mich bei anderen Stiftungen um Förderung bemüht. Ich habe aber überall Absagen erhalten. Mein Professor weiß auch keine Möglichkeit mehr, eine Finanzierung zu erreichen.“
Keine Frage, das Kerngeschäft von Forschungsreferenten besteht darin, Wissenschaftlern und solchen, die es werden wollen, Finanzierungswege aufzuzeigen. Wer Anträge auf Förderung stellt, muss mit Absagen rechnen. Das ist normal. Häufen sich die ablehnenden Bescheide aber, sollte die kritische Frage erlaubt sein, ob das eigene Qualifikationsprofil für eine Karriere in der Wissenschaft (nicht der Antragskunst) passt. Stellt man in einem Beratungsgespräch diese Frage in vorsichtiger Form, so wird oft geantwortet: „Ich habe ein hervorragendes Examen gemacht.“ Aber Qualität weist sich nicht in geschützten Räumen aus, sondern erst dann, wenn man sich in einem kompetitiven Umfeld bewähren muss.

6. Ich habe kein Thema

Dies ist ein Argumentationsmuster, das oft in den Technik- oder Naturwissenschaften auftritt. Dort finden sich auch häufig Themen für Examens- oder Doktorarbeiten an Aushangtafeln. Manchmal werden sie sogar in Stellenausschreibungen genannt.
Dieses Vorgehen ist nicht abwegig und kann durchaus zum Erfolg führen. Es stellt sich aber die Frage, ob mit Abwarten und Fleiß allein eine gute Promotion erreicht werden kann. Kreativität ist für die Lösung der in der Doktorarbeit aufgeworfenen Fragestellungen entscheidend. Wenn diese Kreativität schon bei der Themenfindung zum Tragen kommt, ist das umso besser. Sind Promovenden dagegen bei jedem zu lösenden Problem auf ihre jeweiligen Betreuer angewiesen, ist der St. Nimmerleinstag als Erscheinungstermin für die Doktorarbeit wahrscheinlich.

7. Ich arbeite am besten unter Druck

Wer im Laufe des Studiums nur unter erheblichem Termindruck zur Höchstform aufläuft, muss sich genau prüfen. Denn wer setzt bei einer Promotion die Termine, die Etappen fest, in denen die Aufgaben abgearbeitet sein müssen, wenn nicht man selbst?
Eine Promotion ist keine Examensarbeit, mit deren Anmeldung ein Abgabetermin festgelegt wird. Doktoranden müssen in der Lage sein, sich über drei, vier oder vielleicht noch mehr Jahre hinweg immer wieder Ziele zu setzen und so eine kontinuierliche und produktive Arbeit zu erreichen. Mit Saisonarbeit ist das nicht zu machen.

Natürlich sind die wichtigsten Personen für eine Beratung die Professoren. Sie sind es schließlich, die wissenschaftliche Kompetenz und Erfahrung haben. Sie tragen damit auch eine große Verantwortung. Zu dieser Verantwortung gehört, manchmal in einem Gespräch sehr deutlich zu machen, dass eine Promotion nicht unbedingt zielführend für die weitere Entwicklung der Persönlichkeit sein muss. Ehrlichkeit ist schwierig, aber am Ende dient sie nicht nur dem jeweiligen Kandidaten, sondern auch der Wissenschaft.

Zur Beruhigung will ich zum Schluss anführen, dass Beratungsgespräche in der Regel nicht frustrierend wirken. Sie können bisweilen selbst Berater euphorisch stimmen. Dann nämlich, wenn Kandidaten präzise Fragen und Vorstellungen haben. Wenn sie zum Beispiel schon ein Auslandssemester hinter sich haben, im Rahmen der Promotion wieder ein paar Monate im Ausland arbeiten wollen und fragen, wie das am Besten finanziert werden kann. Solche Gespräche machen Freude. Vor allem dann, wenn die Kandidaten die notwendige Finanzierung bekommen und drei Jahre später ihre Promotion feiern können. Manche von ihnen laden dazu dann sogar ihre Berater ein. Ein schönes Zeichen.

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