„Dynamik einhauchen“
Mehr Geld ins Hochschulsystem lenken, Förderung an Erfolgskriterien knüpfen, Digitalisierung und Zukunftstechnologien fördern: Thomas Sattelberger über die Pläne der FDP
Herr Sattelberger, die Wissenschaft hat schon einige Forderungen für die kommende Legislaturperiode gestellt. Welche würden Sie aufgreifen?
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat sich intensiv mit der Frage der Digitalisierung der Hochschulen beschäftigt; ich stehe hier hinter den EFI-Forderungen. Wir brauchen zum Beispiel eine Digitalisierungspauschale pro Studierendem sowie eine maßgeschneiderte Digitalisierungsstrategie für jede Hochschule. Zweitens: die Deutsche Transfergemeinschaft (DTG) für mehr anwendungsorientierte Forschung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat sich hier in der vergangenen Dekade nicht mit Ruhm bekleckert. Ich fordere neben der vollen Integration forschungsstarker Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) in die Förderung der DFG eine eigenständige Innovationsbrücke für Hochschulen mit hoher Anwendungsorientierung in ihrer Forschung, unabhängig vom Hochschultyp.
Wenn Sie gewählt werden würden, was würden Sie als Erstes umsetzen?
Das ist eine knifflige Frage, weil es nicht immer das Klügste ist, „low hanging fruits“ schnell zu ernten. Spricht man außerhalb Deutschlands über Forschung und Innovation, fallen viele Namen von Unternehmern und Science Entrepreneurs. Hierzulande hört man im Kern Max Planck, Fraunhofer und Co. Und dies zeigt: Zu wenige hierzulande schätzen das unternehmerische Element in Forschung und Wissenschaft. Und es zeigt auch: Deutschland vernachlässigt das Thema Transfer sträflich. Meine ersten Schritte: Ressourcen-, Steuer- und Wirkmechanismen verändern.
Welche Mechanismen sind das, die Sie verändern möchten?
Die deutschen Hochschulen sind bei ihrer Finanzierung richtig gekniffen im Vergleich zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Deshalb würde ich Ressourcenströme reallokieren mit Fokus auf Innovation und Transfer: weg von den geldverwöhnten fetten Katzen hinein ins Hochschulsystem. Und dies möglichst aus dem allemal nötigen Aufwuchs der staatlichen Forschungsinvestitionen im Rahmen des 3,5-Prozent-vom-BIP-Ziels.
Mit den „fetten Katzen“ meinen Sie die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, für den Begriff haben Sie auch schon viel Schelte kassiert. Warum sagen Sie nicht einfach: „Die Außeruniversitären sind gut finanziert!“?
Gescholten haben mich die Forschungsmächtigen. Zugestimmt haben mir viele an der Basis. Mich stört, dass Zuwendungen ohne jeden Wettbewerbsgeist einfach fließen. Ich habe in der Wirtschaft lange in Legacy-Kulturen früherer Monopolisten gearbeitet. Da herrscht die Einstellung: „Wir sind gut versorgt.“ Und dies hat eine einschläfernde Wirkung, die ich auch bei den Außeruniversitären beobachte. Schauen Sie sich nur einmal deren Ausgründungszahlen an. Da finden Sie nicht nur Stagnation, sondern Rückgang! Und selbst dort, wo die Außeruniversitären sich Ziele setzen, etwa bei der Gleichstellung von Frauen in der Führung, hat massive Zielverfehlung keinerlei Konsequenzen. Sie können nicht jeden Missstand mit den eigenen Gesetzen einer unbestritten nötigen Grundlagenforschung rechtfertigen. Wir alle miteinander können und sollten etwas dafür tun, dass hierzulande mehr Innovation erwächst.
Worum geht es konkret – soll den fetten Katzen der Geldhahn zugedreht werden?
Nein. Aber wir brauchen mehr dosierten Wettbewerb, zum Beispiel einen Experimentierraum für unkonventionelle Projekte im Pakt für Forschung und Innovation, finanziert aus einem Teil des Aufwuchses. Dabei bliebe das Geld im System und würde nicht die Forschungsausgaben verknappen.
Unternehmensgründungen – Ausgründungen – zu unterstützen, ist ein Kernthema der Liberalen. Was erwarten Sie genau von den Hochschulen, von den Außeruniversitären?
Meine Vision ist ein forschungsintensives Ökosystem hierzulande, das uns hilft, jenseits der Standbeine Maschinen-, Anlagen- und Autobau neue starke Spielbeine zu entwickeln. Wir haben doch bislang künstliche Intelligenz, Internet of Things, Biotechnologie, Greentech und Raumfahrt massiv vernachlässigt. Wir müssen diese Zukunftsfelder so in den Blick nehmen, dass hinten etwas herauskommt. Etwa wachsende Lizenzeinnahmen, Deep-Tech-Patente oder deutlicher Anstieg skalierender Ausgründungen. Gerne mit Erfolgsindikatoren und internationalen Benchmarks. Wann sagen uns zum Beispiel Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen endlich, wie sie im internationalen Ausgründungswettlauf aufholen wollen? Ein leuchtendes Vorbild ist hierbei die ETH Zürich.
Kann man zusammenfassend sagen, dass die Außeruniversitären sich warm anziehen müssen, wenn ein Herr Sattelberger Forschungsminister würde?
Nein, die Forschenden in den Außeruniversitären schätze ich sehr genau so wie die Forschenden an den Hochschulen. Die hätten alle Grund zur Freude. Aber die Spitzen der Häuser könnten sich darauf gefasst machen, dass ich ihnen Dynamik, Veränderungswillen, Output und Impact mit der mir ganz eigenen Zärtlichkeit einhauchen würde. //
Thomas Sattelberger
Thomas Sattelberger, MdB (FDP), ist Sprecher der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten für Innovation, Bildung und Forschung. Er hat Betriebswirtschaft studiert und war Manager in deutschen Großkonzernen.
Foto: Wolfgang Maria Weber
DUZ Magazin 09/2021 vom 17.09.2021