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„Parteipolitisch durchlüften“

Gesetz für gute Arbeit in der Wissenschaft, dynamisierter Zukunftsvertrag für Studium und Lehre und ohne die Unionsparteien regieren: Oliver Kaczmarek über die Wahlkampfziele der SPD

Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben unter dem Hashtag #IchBinHanna gegen die Befristung ihrer Arbeitsverträge protestiert. Wie will die SPD dem begegnen?

Ich bin sehr froh über diese Kampagne, die aus Sicht der Betroffenen authentisch Probleme beschreibt. Wir planen eine grundlegende Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, hin zu einem Gesetz für gute Arbeit in der Wissenschaft. Zentral darin: Eine Promotion muss in drei bis fünf Jahren zu schaffen sein; wo der Bund mitfördert, soll es für 100 Prozent Arbeit 100-Prozent-Stellen geben. Für die Postdoc-Phase wollen wir Dauerstellen für Daueraufgaben sowie einen verlässlichen Tenure Track zur Professur, etwa nach einer Übergangszeit von einem Jahr.

Drittmittelstellen sollen allerdings ausgeschlossen bleiben.

Ja, es gibt ja durchaus den Wunsch, nur für eine bestimmte Zeit oder ein bestimmtes Projekt in der Wissenschaft zu bleiben. Auch die Durchlässigkeit zur Wirtschaft soll erhalten bleiben. Dem tragen wir damit Rechnung.

Die Zahl der Drittmittelstellen ist längst explodiert, ebenso die an externe Faktoren gebundenen Gelder. Wenn man mit Rektoren – oder auch mit SPD-Ministern – spricht, sagen sie: Uns sind die Hände gebunden, wir wissen nicht, wie viel Geld wir für wie lange haben.

Mit dem Ablösen der Hochschulpakte durch den Zukunftsvertrag ist uns eine gute Grundlage gelungen, mehr Mittel dauerhaft zu stellen. Im nächsten Schritt würden wir diesen gern dynamisieren, ähnlich wie den Pakt für Forschung und Innovation, der jährlich um drei Prozent steigt.

Woher kommt das Geld? Olaf Scholz, SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister, will ab 2023 die Schuldenbremse wieder einführen.

Wir haben in der Corona-Krise bisher 400 Milliarden Euro Schulden aufgenommen; wir schulden der jungen Generation, dass diese Zahl nicht weiter steigt. Zugleich muss es uns gelingen, in ihre Bildungschancen zu investieren. Deswegen haben wir ja ein anderes Steuerkonzept als andere Parteien: Ich halte es für gerecht, jene, die viel haben, um einen zusätzlichen Beitrag zu bitten.

Die SPD-Bundestagsfraktion legte jüngst ein Papier vor, das sich fast wie abgeschrieben vom Deutschen Studentenwerk (DSW) liest: Ein Hochschulsozialpakt steht darin, mehr Wohnraum für Studierende ...

... ja, und auch von der Hochschulrektorenkonferenz, die mit dem DSW den Hochschulsozialpakt fordert. Wir haben bei niemandem abgeschrieben. Doch wir hören natürlich die Berichte über gestiegenen psychologischen Beratungsbedarf, dem man kaum gerecht werden kann. Günstiger Wohnraum ist auch deswegen zentral, damit Studierende nicht mit Familien mit niedrigen Einkommen um Wohnungen konkurrieren.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) schlug einmal vor, Studierende müssten ja nicht in so teure Städte ziehen.

Ja, das zeigt ihre Ambitionen in der Wissenschaftspolitik! Aus meiner Sicht ist es nicht nur wegen dieser Äußerung höchste Zeit, dass es eine neue Regierungsmehrheit ohne die Union gibt.

Schließen Sie eine weitere Große Koalition aus?

Ich halte für unerlässlich, dass nach 16 Jahren unter CDU-Führung im Bundesministerium für Bildung und Forschung parteipolitisch durchgelüftet wird.

Gesetzt den Fall, Sie würden Bundesbildungsminister: Wo drängt es am meisten?

Mir persönlich am wichtigsten ist das BAföG. Eine Lehre aus den Corona-Überbrückungshilfen lautet: Viel zu viele Studierende sind arm, ohne dass es einen Zusammenhang mit der Pandemie gibt. Das muss sich ändern.

Was plant die SPD?

Wir wollen eine Rückkehr zum Vollzuschuss, weg von dem Darlehensmodell; höhere Freibeträge, weil zu viele, die berechtigt sein sollten, aktuell in eine Förderlücke fallen. Und eine elternunabhängige Komponente im BAföG.

Wie sieht es mit einem BAföG aus, das lebenslanges Lernen, auch in Modulen oder Teilzeit, berücksichtigt?

Mittelfristig ist all das wichtig, in einem ersten Schritt wollen wir eine Aufhebung der Altersgrenze. Doch zuallererst müssen Erststudierende, die BAföG brauchen, es bekommen. Als jemand, der es selbst bezogen hat, deprimiert mich der derzeitige Zustand – und spornt mich an, etwas zu bewegen. //

Oliver Kaczmarek

Oliver Kaczmarek, MdB (SPD), ist Sprecher der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der SPD-Fraktion im Bundestag. Er hat Geschichte und Sozialwissenschaften auf Lehramt studiert.

Foto: Inga Haar / Deutscher Bundestag​

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