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Digitale Kompetenzen erfassen mit Onlinestudierenden-Befragungen

Erfahrungen aus der Humboldt-Universität zu Berlin.

Dieser Artikel ist im DUZ Special "Zukunftsfähiges Qualitätsmanagement in der digitalen Realität. Die evasys GmbH: seit 25 Jahren Partner der Hochschulen" erschienen.

​Hier finden Sie die gesamte Ausgabe als PDF und als E-Journal und können kostenfrei die Print-Ausgabe bestellen:

www.duz-special.de/de/ausgaben/zukunftsfaehiges-qualitaetsmanagement-in-der-digitalen-realitaet/

von Dr. René Krempkow

Im vergangenen Jahr gab es gravierende Veränderungen im Bereich der (Online-) Lehre an Hochschulen. Die Hochschulen reagierten darauf mit einer Anpassung ihrer Fragebögen, die auch eine Lehrveranstaltungs-Evaluation der Online-Lehre ermöglicht. Das Spektrum der Anpassungen ist groß. So gibt es kleinere Anpassungen beim Formulieren der Fragen in vorhandenen Fragebögen und durch Weglassen unzutreffender Items. Es werden aber auch neue Items, Frage-Blöcke und Module in vorhandene Fragebögen eingefügt. Außerdem gibt es Sonderfragebögen speziell zur digitalen Lehre, bevorzugten Lehrformaten und Interaktionsformen der Online-Lehre sowie zu Einschätzungen und Befürchtungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Bei den Anpassungen wurde häufig mit einer Kombination aus geschlossenen, halboffenen und offenen Fragen gearbeitet. Damit wurde die Herausforderung der für alle Beteiligten neuen Situation auch methodisch adäquat angenommen.

Förderung digitaler Kompetenzen kaum berücksichtigt

Auffällig ist aber auch, dass ein Aspekt bislang kaum Berücksichtigung fand: Die Förderung von digitalen Kompetenzen. Dabei forderte bereits 2018 der Aktionsrat Bildung, „dass man mit digitalen Medien unter vollständiger eigener Kontrolle umgehen kann“ als „wesentliche Voraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe“. Ebenfalls bereits vor der Corona-Pandemie nannten mehr als 85 Prozent aller Hochschulen in Deutschland die Vermittlung digitaler Kompetenzen als wichtigen Teil ihres Digitalisierungskonzeptes (EFI 2019, Gilch u.a. 2020).

Seitdem dürfte diese Forderung nicht unwichtiger geworden sein, im Gegenteil. Bislang befindet sich eine Erfassung digitaler Kompetenzen aber nur an wenigen deutschen Hochschulen im regulären Einsatz. Einer der Gründe dafür: Bis vor Kurzem stand dafür kein passendes Erhebungsinstrument für Hochschulen im deutschsprachigen Raum zur Verfügung. Ein weiterer: Digitale Kompetenzen sind laut der italienischen Bildungsexpertin Anusca Ferrari (2012) „a multi-facet moving target“. Angelehnt an den Stifterverband (2018) versteht man darunter solche Fähigkeiten, durch die Menschen in der Lage sind, sich in einer digitalisierten Umwelt zurechtzufinden und aktiv an ihr teilzunehmen.

Erhebungsinstrument der HU Berlin für Erfassung digitaler Kompetenzen

Die Stabsstelle Qualitätsmanagement der Humboldt-Universität zu Berlin hat inzwischen ein Erhebungsinstrument entwickelt und erfolgreich pilotiert (Krempkow 2019, 2021), das solche digitalen Kompetenzen erfasst. Das Erhebungsinstrument ist eine Online-Studierendenbefragung, die angelehnt ist an den EU-Referenzrahmen DigKomp2.1 (EU 2017).

Ausgangspunkt der Entwicklung war die These, dass digitale Kompetenzen nicht allein als technologische Kompetenzen zu verstehen sind. Sie sind viel mehr stärker im Sinne digitaler Bildung zu verstehen – unter Einbezug gesellschaftlicher, ethischer und sozialer Aspekte (vgl. ausführlicher Krempkow 2021). Somit ist die Forderung, digitale Kompetenzen aufzubauen und weiterzuentwickeln, keineswegs verbunden mit einer Abkehr von Werten des Bildungshumanismus, der Kritikfähigkeit und Emanzipation befördern soll. In diesem Kontext möchte ich noch an weitere Herausforderungen erinnern, die an die Lehre gestellt und auch an eine Lehrevaluation zu stellen sind: So fordert das Hochschulrahmengesetz ​seit rund 50 Jahren, dass Studierende „zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt“ werden (§7), was sich fächerübergreifenden Kompetenzen zuordnen lässt. Diese Kompetenzen werden in Deutschland häufig umschrieben mit den Fähigkeiten: kritisches Denken lernen, Bewältigung unvorhergesehener Schwierigkeiten, Analysefähigkeit und kritischer Reflexion (z.B. Huber 2019; Wild u.a. 2018) – und die in besonderer Weise als „akademische Kompetenzen“ gelten (Schaper 2012) und besondere Wertschätzung genießen.

Da die Dimensionen „Problemlösung“ sowie „Datenverarbeitung und -bewertung“ teilweise ähnliche Aspekte ansprechen, sind digitale und fächerübergreifende Kompetenzen ohnehin keine überschneidungsfreien ​Konzepte. Zu beiden stellt sich deshalb die Frage: Inwieweit kommen sie in Lehrevaluationen vor?

Hierbei ist zu beachten, dass zumindest zu einzelnen Aspekten wie Einschätzung der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit von Informationen aus dem Internet auch Selbstüberschätzungen zu erwarten sind (vgl. Ihme/Senkbeil 2017). Zugleich spiegeln Selbsteinschätzungen aber auch die handlungsleitende
Selbstwahrnehmung der Studierenden wider. Sie können dort, wo sie selbstkritisch ausfallen, durchaus deren Unsicherheiten vor allem auch im Umgang mit digitalen Umgebungen aufdecken, wo sie sich kein Handeln „unter vollständiger eigener Kontrolle“ im Sinne digitaler Souveränität zutrauen. Diese Unsicherheiten zu kennen, wären wichtige Ansatzpunkte, die in Überlegungen verstärkter Förderung digitaler Kompetenzen in der Konzeption von Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Lehre und des Studiums an Hochschulen einzubeziehen sind.

Ein Erhebungsinstrument, das solche Ansatzpunkte zutage fördern kann, wurde 2020 bereits an mehreren Hochschulen eingesetzt (vgl. Krempkow 2021),
inzwischen sind über 5000 Fälle verfügbar. Diese Fallzahlen ermöglichen, die Zuverlässigkeit der Befragungsergebnisse nicht nur für einzelne Hochschulen und hochschulübergreifend, sondern auch differenziert nach Abschlussart und Fachkultur, nach Fachsemester oder Alter auszuwerten (siehe Abbildung 1).

Integration ergänzender Wissens-Testfragen

Zusätzlich zu den Selbsteinschätzungsfragen (basierend auf DigKomp2.1) wurden ergänzende Wissens-Testfragen in die Erhebung integriert. Dazu gehören Kriterien, mit denen Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit von Informationen aus dem Internet erklärt werden, Suchstrategien und Sicherheit im Internet sowie die Nutzung digitaler Technologien zur besseren Wahrnehmung sozialer Verantwortung. Die Auswertung der Wissens-Testfragen mit Freitextantworten zu Wissensbeständen erfolgt derzeit inhaltsanalytisch, um bestimmte typische Missverständnisse und Wissenslücken herauszuarbeiten. Diese können zusätzliche Ansatzpunkte sein für Weiterentwicklungen und verstärkte Förderung bestimmter digitaler Kompetenzen in Folgemaßnahmen. 

Das von uns an der Humboldt-Universität entwickelte Erhebungsinstrument ist damit eine sehr anwendungsfreundliche Weiterentwicklung von Lehrevaluationen, zum Beispiel als Fragen-Modul. Es kann bei Interesse im Sinne von Open Science unter Angabe der Quelle genutzt und auch weiterentwickelt werden.

Eine andere mögliche Weiterentwicklung wäre ein IT-gestütztes kurzes Zwischenfeedback für digitale Lehrsituationen etwa mit nur wenigen und auch offenen Fragen. Solche Weiterentwicklungen könnten zusätzliche Beiträge zur Qualitätsentwicklung des Lehrens und Lernens in digitalen Umgebungen ermöglichen.

Quellenangabe

Krempkow, R. (2021): Wie digital kompetent sind Studierende? Ein Konzept und Erhebungsinstrument zur Erfassung digitaler und fächerübergreifender
Kompetenzen. In: Qualität in der Wissenschaft (QiW) 15 (1), S. 22-29. Volltext: https://www.researchgate.net/publication/351625308

Abbildung 1

Auswahl selbstkritischer Einschätzungen und Abschlussart-Differenzen an einer großen deutschen Universität
(Skala von 1 = "trifft überhaupt nicht zu" bis 5 = "trifft vollkommen zu")

Abbildung 2

Gesamtergebnisse digitale Kompetenzen nach Abschluusarten und Zuordnung zu DigComp-Dimensionen an drei großen Universitäten
(Skala von 1 = "trifft überhaupt nicht zu" bis 5 = "trifft vollkommen zu")

Der Autor

Dr. René Krempkow ist wissenschaftlicher Referent an der Stabsstelle Qualitätsmanagement der Humboldt-Universität zu Berlin. Er leitet dort unter anderem Auswertungen hochschulweiter Befragungen sowie einen bundesweiten Survey zum Wissenschaftsmanagement (KaWuM-Survey).

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