„Politische Universität“ – ein neues Leitbild
Die Universität Jena versteht moderne Wissenschaft als Projekt der Aufklärung, in dem Menschenrechte und Menschenwürde eine unhintergehbare Grundlage bilden. In diesem Sinne ist Wissenschaft nie wertfrei oder politisch neutral. Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Ralf Koerrenz
Wir stehen vor der Herausforderung, die Grundlagen der modernen Wissenschaft und in deren Folge auch das Verhältnis von Politik und Universität (immer wieder) neu zu denken. Angesichts von Digitalisierung und Globalisierung steht das Selbstverständnis von Wissenschaft als Kern und Zweck von Universität auf dem Prüfstand. Und wenn Politik nicht nur als Verfahren, sondern auch als ein bestimmtes Arrangement von Werteorientierungen verstanden wird, ergibt sich für die Universität in dieser Hinsicht ein einfaches Prüfkriterium für ihr politisches Selbstverständnis. Die Frage ist dann, ob das Konzept moderner Wissenschaft nicht selbst ganz bestimmte Werteorientierungen in sich trägt.
Wenn wir Wissenschaft im modernen Sinne als ein Projekt der Aufklärung verstehen, liegt genau dies nahe. Wissenschaft im Sinne der Aufklärung ist immer mehr als eine rein instrumentelle Fakten- und Fortschrittsgläubigkeit. Moderne Wissenschaft im Sinne der Aufklärung ist untrennbar auch in Vorstellungen von Menschenrechten und Menschenwürde verwoben. Dies hat Konsequenzen für das Selbstverständnis der Institution Universität nach innen und prägt zugleich das Verhältnis zu gesellschaftlichem Wandel nach außen. Im Kern geht es um das, was Wissenschaft sein soll.
Vielstimmig wird heute die Freiheit der Wissenschaft eingefordert und deren Gefährdung beklagt. Dabei wird als Bedrohung formuliert, dass Wissenschaft weltanschaulich normiert und politisch instrumentalisiert werden könne. Es lohnt, diese Diagnose näher zu betrachten.
Im Sinne einer wertebasierten Aufklärung kann Wissenschaftsfreiheit nie grenzenlos gedacht werden. Angesichts der Geschichte (nicht nur, aber vor allem auch der Shoah) wäre dies naiv. Die Freiheit der Wissenschaft ist immer schon politisch bestimmt und begrenzt. Dabei kommt es jedoch entscheidend auf die Begründungslogik an. Denn eine akzeptable Bestimmung der Grenzen kann gerade nicht vorbehaltlos von jeglicher staatlichen Verfassung oder jeglichem staatlichen Gesetz erwartet werden. Verfassung und Gesetz unterliegen dem historischen Wandel. Und wie Verfassung und Gesetz konkret verunstaltet werden können, wissen wir.
Die entscheidende politische Frage ist letztlich die, ob es aus der Wissenschaft heraus selbst Kriterien gibt, die Freiheit der Wissenschaft zu begrenzen und damit zugleich das Politische der Universität näher zu bestimmen. Positiv als These gewendet: Grenzen der Wissenschaft ergeben sich aus einem Verständnis von moderner Wissenschaft, sofern diese als ein Projekt der Aufklärung begriffen wird. Das Ringen um ein wirkungsmächtiges Verständnis von Menschenrechten und Menschenwürde zählt dann zur unhintergehbaren Grundlage von Wissenschaft selbst. In diesem Sinne ist Wissenschaft weder weltanschaulich wertfrei noch politisch neutral. Wissenschaft ist in ihrem Kern politisch im Sinne bestimmter Werteorientierungen, die die Freiheit näher qualifizieren. Und Universität wäre dann gerade als Träger von Wissenschaft immer auch eine „Politische Universität“. Die „Politische Universität“ über ein werteorientiertes Verständnis von Wissenschaft zu re-formulieren, ist ein ebenso notwendiges wie sinnvolles Korrektiv zu den in sich höchst ambivalenten Rufen nach Wissenschaftsfreiheit.
Light – Life – Liberty. Ein neues Leitbild für die Universität Jena
Eine Möglichkeit dieser Re-Formulierung bietet das neue Leitbild der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Mit diesem Leitbild wird ein Selbstverständnis der „Politischen Universität“ beschrieben, das sich aus einer werteorientierten Verständigung über Sinn und Zweck der Institution selbst ergibt. Das Politische der Universität wird in dem Leitbild in zweifacher Hinsicht als Konsequenz von Wissenschaft entfaltet. In der einen Perspektive nach innen werden die Binnenregeln der Institution als politischer Raum entwickelt. In der anderen Perspektive nach außen geht es um das Verhältnis von Universität und Gesellschaft. Umfassende Grundlage für das Leitbild ist zuallererst eine allgemeine Verhältnisbestimmung von Universität und Gesellschaft.
Die Friedrich-Schiller-Universität Jena versteht sich als Teil der Gesellschaft. Sie ist der Freiheit von Forschung und Lehre verpflichtet und trägt durch Wissenschaft und Bildung zur Lösung gesellschaftlicher Zukunftsfragen bei.
In dieser Eingangspassage wird das Motiv der Freiheit von Forschung und Lehre in den Mittelpunkt des universitären Selbstbildes gerückt. Entscheidend ist jedoch, dass diese Freiheit nie kontextfrei und grenzenlos bestimmt werden kann. Es kommt auf eine Rahmung der Freiheit an. Diese Rahmung erfolgt in der Eingangspassage mit einem doppelten Verweis auf Gesellschaft. Die Universität versteht sich nicht als exterritorial, nicht als jenseits der realen Welt. Als Teil der Gesellschaft muss Universität die Verantwortung für ihre Freiheit ernst nehmen und in Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher Zukunftsfragen umsetzen.
Es geht um Freiheit – um eine Freiheit jedoch, die nach der Logik des Leitbilds durch drei Werteorientierungen näher zu qualifizieren ist. In den Mittelpunkt dieses Leitbilds rücken so drei Werteorientierungen, die die Universität aus sich heraus bestimmen:
- Licht gewinnen und verbreiten (Light)
- Leben wahren und fördern (Life)
- Freiheit schützen und gestalten (Liberty)
Ohne solche Werteorientierungen verbleiben Freiheit und das Verhältnis von Universität und Gesellschaft in einem luftleeren, abstrakten Raum. Ohne Werteorientierungen aus der Universität heraus wären beliebige Instrumentalisierungen von Forschung und Lehre für gesellschaftliche Zwecke denkbar. Die Herausforderung besteht dann darin, Grenzen über Werte zu bestimmen, die die Freiheit von Lehre und Forschung nicht aufheben, sondern schützen. Genau dies wurde durch eine wertebasierte Übersetzung von „Light, Life, Liberty“ versucht, die als umzäunende Rahmung der Freiheit eingeführt werden. Jeder dieser Grundwerte wird in jeweils drei zugeordneten Spiegelstrichen näher bestimmt. Die Werteorientierungen führen insgesamt zu einem bestimmten Verständnis der Universität nach innen und nach außen – das ist der systematische Kern einer „Politischen Universität“ in einem neuen Sinne.
Werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf den Entstehungsprozess dieses Leitbildes, um anschließend dessen systematischen Gehalt mit Blick auf die Innen- und die Außenperspektive näher zu bestimmen.
Auf dem Weg zu einem Leitbild
Entstanden ist das Leitbild in einem mehrstufigen Verständigungsprozess innerhalb der Universität Jena. Dieser dauerte rund neun Monate. Im Juni 2020 war vom Senat eine Arbeitsgruppe „Leitbild“ eingesetzt worden. In diese Arbeitsgruppe wurden neben dem Präsidenten und dem Kanzler Vertretungen jeder Statusgruppe entsandt. Zu dieser Arbeitsgruppe gehörten zwei Mitarbeiterinnen aus dem Bereich Technik und Verwaltung, eine Vertreterin und ein Vertreter des akademischen Mittelbaus, zwei Hochschullehrer, eine Vertreterin des Universitätsrates, eine Studentin und ein Student sowie die Gleichstellungs- und der Diversitätsbeauftragte. Dienen sollte das Leitbild – so der Auftrag – dazu, „einmal innezuhalten und zu schauen, welche Werte unser Handeln leiten und ob wir uns auch künftig mit ihnen identifizieren“. Das Leitbild sollte somit einen Beitrag zur Klärung der Fragen liefern: „Wofür steht die Universität Jena? Welche Werte bieten uns Orientierung? Wie wollen wir zusammen arbeiten?“
Den Ausgangspunkt der Beratungen bildete die Beschäftigung mit den öffentlichen Klagen darüber, dass universitäre Leitbilder oftmals konturenlos und beliebig, in hohem Maße austauschbar und in diesem Sinne schlicht langweilig seien. Vor diesem Hintergrund stand am Beginn der Entwicklung der Anspruch, ein Leitbild aus der Universität Jena für die Universität Jena zu formulieren. Das Leitbild sollte eigenständig und passend, „aktuell, wertbeständig und spezifisch“ sein. An diesem Punkt kam eine an der Universität bereits mit anderer Funktion eingeführte Unterscheidung ins Spiel. Es ging um die drei Stichworte „Light, Life, Liberty“. Bislang waren damit interdisziplinäre Forschungslinien der Universität Jena gerahmt worden. Diese Funktion haben die Leitbegriffe auch weiterhin. Es entstand jedoch der Gedanke, ob und wie man diese Stichworte auch als Wertvorstellungen für universitäres Handeln und Verhalten denken könne. In diesem Sinne wurde jeder der drei Begriffe in handlungsorientierende Wertvorstellungen übersetzt:
- Licht gewinnen und verbreiten (Light),
- Leben wahren und fördern (Life) sowie
- Freiheit schützen und gestalten (Liberty).
Diese drei Wertvorstellungen konkretisierte die Arbeitsgruppe anschließend für jeden Begriff in wiederum drei Erläuterungen, die dem Handeln der Universität einen Rahmen nach innen und eine Orientierung nach außen geben sollen.
Den Entwurf stellte die Arbeitsgruppe Mitte November 2020 in der universitären Öffentlichkeit zur Diskussion. Die entsprechende Präsentation wurde live gestreamt. Zusammen mit dem Personalrat lud die Arbeitsgruppe alle Beschäftigten und Studierenden der Universität dazu ein, Feedback zu den formulierten Werten zu geben und sich mit ihren Ideen aktiv einzubringen. Die Einbeziehung der universitären Öffentlichkeit erfolgte unter anderem über Chats, Online-Umfragen, eine digitale Wall of Ideas. Verschiedene Beobachtungen und Anregungen wurden eingearbeitet.
In der universitätsweiten Online-Umfrage zeigte sich eine breite Akzeptanz dieses Ansatzes. Ein Ergebnis berührte unmittelbar das Verhältnis von Universität und Gesellschaft. So stimmten 93 Prozent der 720 Personen, die sich an der Umfrage beteiligt hatten, der Aussage zu, dass es Aufgabe der Universität sei, zur gesamtgesellschaftlichen Wahrung von Menschenrechten und Menschenwürde beizutragen. Formell abgeschlossen wurde der gesamte Prozess im Februar 2021 durch die offizielle Verabschiedung des Dokuments im akademischen Senat.
Die Freiheit der elementaren Grundsätze
Das Leitbild bringt in die Suche nach einem zeitgemäßen Verständnis der Freiheit von Forschung und Lehre den Gedanken ein, dass die Universität als Institution Träger bestimmter Wertvorstellungen ist. Diese Wertvorstellungen ergeben sich aus der Verpflichtung auf eine moderne Wissenschaft. In welcher Hinsicht diese Orientierungen das Verhalten und Handeln im Binnenraum Universität bestimmen sollen, wird exemplarisch in der ersten näheren Bestimmung des Wertes „Leben wahren und fördern“ ausgeführt. Danach schließt dieser Wert
jegliche Form von Diskriminierung und Benachteiligung von Menschen aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Religion, Weltanschauung, sexueller Orientierung, speziellen Lebenslagen aus und führt zu einer Würdigung von umfassender Inklusion und Diversität als Basis unserer lebendigen und innovativen universitären Gemeinschaft.
Die Universität ist als Teil der Gesellschaft auch und gerade nach innen als ein Raum mit politischen Werteorientierungen zu verstehen – so und nicht anders. Die Universität wird getragen von Wertvorstellungen, die die Institution aus ihrem eigenen Kern heraus als politisch definiert. Anders formuliert: Die Verpflichtung auf die Freiheit von Forschung und Lehre kann im Sinne einer modernen Wissenschaft nicht ohne eine grundlegende Bezugnahme auf Menschenrechte und Menschenwürde gedacht werden. Sonst würde sich moderne Wissenschaft selbst dementieren. Ohne ein Ringen um die Konkretisierung solcher Werte würde sich die Universität ihre eigene Grundlage entziehen. Was dies mit Blick auf das Verhältnis von Universität und Gesellschaft nach außen austrägt, wird an einer näheren Bestimmung des dritten Grundwertes „Freiheit schützen und gestalten (Liberty)“ deutlich. Dort heißt es:
Die Verpflichtung auf den Schutz und die Gestaltung von Freiheit „zeigt sich mit Blick auf die Gesellschaft einerseits in der kritischen Zurückweisung jeglicher staatlicher Bevormundung von Forschung und Lehre. Andererseits sieht sich die Universität dann in der Verantwortung zur Einmischung in öffentliche Debatten, wenn ihre elementaren Grundsätze angegriffen werden, zum Beispiel in Form von rassistischen Diskriminierungen.“
In dem Motiv der „elementaren Grundsätze“ wird eine wesentliche, implizite Norm des Politischen in diesem Leitbild ausgesprochen. Diese Norm behauptet nicht mehr und nicht weniger, als dass es eigene Wertvorstellungen der Universität als Universität gibt, über die die Universität mit der Gesellschaft verbunden ist – einer Gesellschaft, in der aus Sicht der Universität eine Orientierung an Fachlichkeit und Sachlichkeit, die Suche nach lebensfördernden Alltagsbedingungen und der Schutz einer kulturell qualifizierten Freiheit das Politische bestimmen soll. Dabei ist die Begründungslogik der Freiheit entscheidend. Es ist eine Ethik der Negation, die dem Leitbild zugrunde liegt: bestimmt wird nicht, was in einem festgestellten Sinne sein soll. Vielmehr ist die Perspektive umgekehrt: es wird bestimmt, wo die Grenzen dessen liegen, was nicht sein darf. Damit wird Freiheit zugleich qualifiziert und als Ermöglichungsraum von umgrenzter Vielfalt geschützt. Entscheidend ist somit die Denkfigur, dass das, was nicht sein darf, aus universitären, aus akademischen Gründen nicht sein darf. Genannt wird an dieser Stelle das Beispiel „rassistische Diskriminierungen“. Übertragen bedeutet dieser Verweis: Die Einmischung in gesellschaftliche Entwicklungen resultiert nicht nur daraus, dass mit Rassismus ein mögliches Grundgesetz des Staates angegriffen wird. Dieses Grundgesetz ist im Extremfall gerade wandelbar und verhandelbar. Der Kern der universitären Freiheit als regulative Idee funktioniert andersherum. Die notwendige Positionierung der Universität folgt daraus, dass ihre eigenen universitären Grundsätze durch Rassismus angegriffen und verletzt werden. Es ist das Eigene, das eigene wertebasierte Politische der Universität selbst, das neben und in aller Verpflichtung gegenüber einer demokratischen Gesellschaft eine Triebfeder zur Einmischung in öffentlichen Debatten motiviert. Anders formuliert: Rassismus ist mit den Werteorientierungen Light, Life, Liberty aus inneruniversitären Gründen unvereinbar und deswegen zu bekämpfen.
Mit dieser Werteorientierung wird ein Verständnis einer „Politischen Universität“ formuliert, das frühere Kopplungen von „Politisch“ und „Universität“ zurückweist. Zurückgewiesen wird, dass ein außerhalb der Universität rechtlich und weltanschaulich definierter Inhalt des Politischen für das Leitbild der Universität maßgeblich sein kann. Der Inhalt ergibt sich vielmehr aus einer näheren Bestimmung moderner Wissenschaft als Ausdruck einer über Menschenrechte und Menschenwürde verstandenen Aufklärung. Einzig und allein ein solches umfassendes Verständnis von Aufklärung ermöglicht ein wertebasiertes Verständnis auch der Freiheit von Forschung und Lehre. Ohne eine solche Basis wären Forschung und Lehre nur Ausdruck einer in letzter Konsequenz rein instrumentell zu verstehenden Verwertungslogik. Eine solche Verwertungslogik hatte gerade an der Universität Jena in den 1930er-Jahren zur Etablierung einer öffentlichkeitswirksamen „Rassekunde“ und „Rassenhygiene“ geführt. Eine solche instrumentelle Logik hatte sich in den 1930er-Jahren ganz gewiss in den „Schranken des geltenden Rechts“ bewegt. Recht und Gesetz ersetzen gerade keine politische Reflexion und Positionierung universitären Denkens und Handelns.
Die Angst davor, dass Forschung und Lehre weltanschaulich normiert und politisch instrumentalisiert werden, unterliegt einer zweifachen Selbstillusionierung. Die eine Illusion besteht in dem Gedanken, dass moderne Wissenschaft weltanschaulich neutral und politisch unberührt agieren kann. So sehr Fachlichkeit und Sachlichkeit zu betonen und zu verteidigen sind – weltanschauliche Neutralität und politische Unberührtheit der Universität sind weltfremd. Die andere Illusion jedoch besteht in der Verkennung, dass eine der Aufklärung verpflichtete Wissenschaft nicht selbst Werte repräsentiert, die weltanschauliche und politische Konsequenzen haben. Universität ist aus sich selbst heraus politisch. Genau dies bringt das Leitbild der Universität Jena zur Geltung. Es geht gerade nicht um irgendeine Weltanschauung oder parteipolitische Position, die von außen an die Universität herangetragen wird. Vielmehr wird mit dem Verweis auf die besagten „elementaren Grundlagen“ auf die Notwendigkeit verwiesen, aus sich heraus inneruniversitär ein Verständnis des Politischen zu formulieren. Ein solches Nachdenken führt im Jenaer Leitbild zu einer klaren regulativen Idee: die Universität als ein Raum umgrenzter Vielfalt.
Der Raum wird umgrenzt durch die Anerkennung einer Vielfalt an Positionen, deren Zulässigkeit neben der Verpflichtung auf Fachlichkeit vor allem daran zu prüfen ist, dass diese selbst nicht-diskriminierend und vielfaltsgefährdend wirken. Diese Konzeption umgrenzter Vielfalt ist nach innen mit der Konsequenz verbunden, die Art des Zusammenwirkens aller an der Universität beteiligten Menschen als etwas Politisches zu verstehen. Zugleich aber reklamiert die Universität eben nach außen, sich dann nicht nur politisch äußern zu dürfen, sondern aufgrund ihrer inneren Verfasstheit politisch äußern zu müssen, wenn ihre eigenen „elementaren Grundlagen“ des akademischen Wertegefüges in der Gesellschaft angegriffen werden. Damit aber formuliert die Universität Jena in letzter Konsequenz ein neues Leitbild der „Politischen Universität“, das das Politische von innen heraus als notwendige Dimension akademischer Selbstverständigung und zugleich gesellschaftlicher Verantwortung entwickelt. Moderne Wissenschaft definiert Freiheit wertebasiert – in der Gesellschaft und für die Gesellschaft. //
Ralf Koerrenz
Prof. Dr. Ralf Koerrenz hat den Lehrstuhl für Historische Pädagogik und Globale Bildung an der Universität Jena inne und 2008 dort das Institut für Bildung und Kultur (IBK) gegründet. Koerrenz forscht zu Bildung als Modell einer aufgeklärten Anthropologie angesichts von globalen, postkolonialen und digitalen Wandlungsprozessen.
Foto: IBK / Lena Köhler
DUZ Wissenschaft & Management 07/2021 vom 03.09.2021