„Bestimmtes Denken mitgeprägt“
Tristan McCowan über Rolle und Aufgaben von Hochschulen beim Thema Nachhaltigkeit
Welche Rolle spielen die Universitäten bei der Bekämpfung des Klimawandels?
Eine widersprüchliche Rolle. Sie können auf jeden Fall zur Lösung beitragen, sind aber zugleich ein Teil des Problems: Sie produzieren selbst viel Kohlendioxid, sie treiben Forschung und Innovation voran und fördern damit indirekt den Konsum. Und sie haben über Jahrhunderte ein bestimmtes Menschenbild mitgeprägt: dass wir die Natur beherrschen und ausbeuten dürfen. Erst seit den 90er-Jahren gibt es hierfür ein stärkeres Bewusstsein und besonders in den letzten zehn Jahren hat man dem Thema an den Hochschulen mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Insofern sehe ich eine deutliche Bewegung, mehr zur Lösung und weniger zum Problem beizutragen.
Welche Lösungsmöglichkeiten stehen denn im Raum?
Zuerst mal denkt man natürlich an technische Lösungen. Hier hat die Forschung an Universitäten eine wichtige Funktion und wird uns auch im Umgang mit dem Klimawandel helfen. Aber das wird nicht ausreichen. Wir brauchen eine Veränderung im Verhalten der gesamten Gesellschaft. Und auch dazu müssen die Universitäten beitragen. Indem sie selbst in einer Vorbildfunktion vorangehen und ihre CO2-Bilanz senken. Indem sie in der Lehre nachhaltiges Denken an Studierende weitergeben. Und indem sie auch über ihre Klientel hinaus Wissen über den Klimawandel und seine Folgen vermitteln.
Nachhaltigkeit als Pflicht-Modul in allen Fachbereichen? Passt das denn?
Es gibt sicher einige Fächer, in denen man etwas mehr Phantasie beweisen muss, um einen Bezug zum Curriculum herzustellen. Aber die Probleme, die wir zurzeit haben, haben ihre Wurzeln in einem religiös, kulturell und wirtschaftlich bedingten System. Es macht also durchaus Sinn, in den Geistes- und Sozialwissenschaften dieses System zu beleuchten und zu hinterfragen.
Wir müssen also lernen umzudenken?
Unbedingt. Das Denken, das uns die Suppe eingebrockt hat, wird uns nicht dabei helfen sie auszulöffeln. Deshalb sind interdisziplinäre Forschung und Lehre so wichtig. Bisher fließen nur zehn Prozent aller Fördergelder zur Klimaschutzforschung in die Sozial- und Geisteswissenschaften. Das muss sich ändern. Wir brauchen eine Diversität des Wissens, zum Beispiel auch das der Naturvölker. Und wir brauchen strukturelle Vielfalt, Universitäten unterschiedlichen Typs mit verschiedenen inhaltlichen und regionalen Schwerpunkten. Die eine verbessert die Effizienz von Solar-Modulen. Die andere experimentiert zusammen mit Bauern in heißen Ländern mit widerstandsfähigen Feldfrüchten. Nur so können wir ein äußerst komplexes Problem wie den Klimawandel lösen.
Apropos Komplexität: Ihre Studie hat gezeigt, dass auch unerwartete Faktoren eine Rolle spielen, wie die mangelnde Gleichberechtigung der Geschlechter.
Das ist in der Tat ein Problem. In Indien zum Beispiel wird Frauen oft der Zugang zu höherer Bildung verwehrt, speziell zu ingenieurwissenschaftlichen Fächern. Ähnliche Probleme haben dort ärmere junge Menschen und Menschen aus ländlichen Gegenden. Wir brauchen höhere Bildung für alle, weil wir in einem Wahrheits-Vakuum leben: Wir sind umgeben von Fake News, Verzerrung und bewusster Fehlinformation in den sozialen Medien, gerade wenn es um das Thema Klimawandel geht. Und es gibt politische Strömungen, die diese Instrumente gezielt einsetzen. Nur mit dem Instrument Bildung können wir Menschen in die Lage versetzen, solche Strategien zu durchschauen.
Sie haben sowohl private als auch öffentliche Universitäten untersucht. Welcher Hochschultyp geht mit den Herausforderungen des Klimawandels besser um?
Öffentlich geförderte Institutionen haben die Möglichkeit, sich für das Allgemeinwohl einzusetzen, weil ihre Finanzierung verlässlich ist. Private Hochschulen haben den Vorteil, dass sie schneller Entscheidungen treffen können und mit weniger Einschränkungen zu kämpfen haben. Wenn sie darüber hinaus gut dotiert sind, dann haben sie viele Spielräume. Aber zum Beispiel in Brasilien ist das Gros der privat finanzierten Universitäten auf Profit ausgerichtet, muss Kosten reduzieren und mit anderen Hochschulen konkurrieren. Diese Institutionen haben es schwer, sich im Bereich Nachhaltigkeit zu engagieren. Und das bereitet mir Sorgen.
Wettbewerb verhindert also grünes Denken?
Hoher Konkurrenzdruck, zum Beispiel das Bemühen, in internationalen Rankings vorne zu liegen, bindet Ressourcen, die nicht für nachhaltiges Engagement zur Verfügung stehen. Natürlich gibt es inzwischen auch alternative Ranglisten, zum Beispiel das Times Higher Education Impact Ranking, in dem die Teilnehmer an den Zielen für Nachhaltige Entwicklung der UN gemessen werden. Wenn sich Institutionen auf solche Instrumente hin ausrichten, ist das förderlich. Generell glaube ich aber, dass nicht Konkurrenz, sondern Zusammenarbeit die Hochschulen weiterbringt, das Lernen voneinander in internationalen Netzwerken.
Nachhaltiges Agieren ist mit Einschnitten verbunden. Kein angenehmer Weg für die Hochschulen.
Das stimmt. Ich zum Beispiel reise sehr gerne. Darauf zu verzichten, bedeutet für mich ein Opfer und es bedeutet auch eine Einschränkung für den wissenschaftlichen Austausch. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Wir können mit unserem Konsum und unserer ineffizienten Resourcen-Nutzung nicht einfach weitermachen. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig eine düstere Botschaft des Verzichts. Es kann auch eine positive Vision sein, vom Zusammenleben in einer saubereren, friedlicheren und harmonischeren Welt. Und das ist doch eine gute Aufgabe für die Universitäten. //
Tristan McCowan
Prof. Tristan McCowan, PhD, ist Professor für International Education am University College London. Der Bildungsforscher hat die Studie „Universities facing Climate Change and Sustainability“ betreut.
Foto: Privat
Studie und Deklaration
DUZ Magazin 06/2021 vom 25.06.2021