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Weiß ich genug für meine Position?

In meiner Karriere bin ich gut vorangekommen, gerade wurde ich mit 35 Jahren zum ordentlichen Professor berufen. Doch ich habe oft das nagende Gefühl, viel zu wenig zu wissen für meine Position. Ich befürchte, irgendwann werden die Leute dies bemerken. Das belastet mich. Was kann ich tun?

Dieser Artikel ist im DUZ Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft in der Rubrik "Unter 4 Augen" erschienen und Teil der Online-Reihe "Ratgeber" auf DUZ Wissenschaftskarriere.

Coachin Edda Wilde antwortet:
Erst einmal möchte ich Ihnen dazu gratulieren, dass Sie es trotz dieses zermürbenden Gefühls so weit gebracht haben! Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das Phänomen, das Sie beschreiben, ist (auch) in der Wissenschaft weit verbreitet: Sehr erfolgreiche und leistungsstarke Personen sind innerlich davon überzeugt, ihre berufliche Stellung nicht zu verdienen, da sie zu wenig können oder wissen. Diese zu intensiven Selbstzweifel, gepaart mit der Sorge aufzufliegen und dadurch eventuell alles zu verlieren, bezeichnet man als das Hochstapler- oder auch Impostor-Syndrom.

Das Impostor-Syndrom legt man in der Regel nicht kurzfristig ab, etwa durch eine rationale Einsicht. Dennoch können Sie Verschiedenes tun, um sich Ihrer Kompetenzen besser bewusst zu werden. Ein Schlüsselpunkt ist hierbei das Steigern des eigenen Selbstwirksamkeitsgefühls. Wer Selbstwirksamkeit spürt, geht davon aus, dass die eigenen Handlungen etwas bewirken. Was so banal klingt, ist ein ungeheuer wichtiger und diffiziler Punkt. Menschen mit Impostor- Syndrom schreiben Erfolge nicht sich selbst zu, sondern mehr dem Zufall. Martin Seligmann, Begründer der Positiven Psychologie, würde sagen, sie haben eine „misserfolgsmeidende“ Motivationsstruktur: Sie engagieren sich, um nicht zu scheitern. Haben sie Erfolg, empfinden sie Erleichterung und führen ihn auf etwas Äußeres zurück: Sie hatten die richtigen Beziehungen, eine Quotenregelung half, ein Thema klang gut, obwohl nichts dahinter war.

Was können Sie tun, um Ihre Erfolge mehr mit sich zu verbinden? Drei erste Ideen möchte ich Ihnen nennen:

  1. Vielen hilft es, sich mit (vertrauten) Menschen zum Thema auszutauschen. Sie werden staunen, wie vielen Kolleginnen und Kollegen es genauso ergeht. Diese Einsicht kann helfen, die oft übersteigerten Perfektionsvorstellungen in der Wissenschaft ein wenig zu revidieren. ​
  2. Zudem könnten Sie Ihre Interaktionen beobachten und schädliche Muster aktiv durchbrechen: Häufig relativieren Personen mit dem Impostor-Syndrom äußere Anerkennung („Das hat sich so ergeben“, „Das war nicht so kompliziert“). Ein einfaches „Danke, das freut mich!“ gäbe Ihnen und Ihren Gegenübern die Chance, Ihre Kompetenzen besser wahrzunehmen. Stellen Sie zudem Ihre Erfolge anderen gegenüber auch als Erfolge dar und widerstehen Sie einer möglichen inneren Neigung, sie abzutun. Selbst wenn das schwerfallen mag, hilft dieses Vorgehen, seine Leistungen langsam, aber sicher positiver wahrzunehmen und auch hilfreiche Reaktionen von Ihrer Umwelt zu bekommen.
  3. Um Ihre Erfolge überhaupt erst zu sehen, könnte es schließlich helfen, sich regelmäßig selbst Feedback zu geben und über einige Monate ein Erfolgstagebuch zu führen: Notieren Sie am Ende des Tages, womit Sie zufrieden waren und wo Sie gut vorangekommen sind. Bemerken Sie alle Indizien bezogen auf die Selbstwirksamkeit.

Es bliebe hier noch viel zu sagen, vielleicht aber helfen diese kurzen Impulse ja bereits etwas, erste Schritte in eine für Sie entlastende Richtung zu machen.

Literatur:
Rohrmann, Sonja (2018): Wenn große Leistungen zu großen Selbstzweifeln führen: Das Hochstapler-Selbstkonzept und seine Auswirkungen. Göttingen: Hogrefe. Zeyringer, Jörg (2010): Der neue Treppenläufer. Wie man sich und andere motiviert. Freiburg: Haufe.

EDDA WILDE ist freiberufliche Coachin, Teamentwicklerin und Trainerin in Berlin. Ihre Schwerpunkte sind Führung und Karriere. Sie ist Mitglied im Coachingnetz Wissenschaft, das Partner der DUZ ist.

https://polyfon-coaching.de

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