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Hilfe, ich prokrastiniere!

Für mich wichtige Sachen schiebe ich wie einen Berg vor mir her – und Kleinkram, der nur für andere wichtig ist, ziehe ich stattdessen vor. Am Ende der Woche habe ich dann wieder nichts geschafft. Bitte helfen Sie mir!, klagt ein Habilitand

Dieser Artikel ist im DUZ Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft in der Rubrik "Unter 4 Augen" erschienen und Teil der Online-Reihe "Ratgeber" auf DUZ Wissenschaftskarriere.

Coach Boris Schmidt antwortet:
Ja, das klingt sehr nach Prokrastination, auch bekannt als Aufschieberitis. Ein häufiges Phänomen, gerade in Arbeitsfeldern mit vielfältigen Aufgaben, Langzeitvorhaben und widersprüchlichen Anforderungen. Es ist menschlich, Dinge aufzuschieben, bis der Berg unüberwindbar scheint.

Ein paar Anregungen:

  • Protokollieren Sie: Was haben Sie (morgens oder am Vorabend) für den Tag geplant und was haben Sie tatsächlich getan? Bewerten Sie in einer Tabelle jeweils von 0 „gar nicht“ bis 10 „völlig“ Ihre Plantreue, Ihre (gefühlte) Produktivität sowie Ihr Vorankommen bei den für Sie wichtigen Vorhaben.​
  • Strukturieren Sie Ihre Aufgaben: Es kann helfen, Wochentage bestimmten Themen zu widmen: Der Montag wird zum Tag der Lehre, der Mittwoch zum Gremientag, am Freitag wird geforscht. Oder Sie richten Zeitscheiben ein: Die erste Stunde gilt der Korrespondenz, dann kurze aktive Pause. Dann zwei Stunden Projektarbeit, längere Pause, Rest Lehre, Anträge oder Meetings. Teilen Sie den Berg in Hügel und diese in Schritte auf.
  • Beobachten Sie genau: Was genau geschieht in der Sekunde, bevor Sie vom eigentlichen Vorhaben umschwenken zu dem eigentlich nicht Vorgehabten? Untersuchen Sie, welche Gedanken („Oh, wie mühsam!“), Körperempfindungen („Anspannung“) und Gefühle („Sorge, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein“) in Ihnen entstehen, bevor Sie etwas anderes oder auch nichts tun.
  • Überlisten Sie das Problem: Flüchten Sie vor Unangenehmem (Wegvon-Prokrastination), machen Sie es angenehmer, kleiner, bewältigbarer – etwa durch Etappenziele, angenehmes Ambiente, Hilfestellungen. Sind Sie hingegen anfällig für Aufgaben mit Belohnungscharakter (Hinzu-Prokrastination), dann üben Sie sich in Abstinenz („In der nächsten Stunde werde ich noch nicht x tun!“). Setzen Sie Belohnendes bewusst ans Tagesende oder verknüpfen Sie das bislang Gemiedene mit einer Belohnung („Wenn ich jetzt y tue, dann gönne ich mir danach z!“).
  • Geben Sie auf sich acht: Auf Dauer ist Prokrastination schädlich und kann Vorbote oder Symptom einer Beeinträchtigung aus dem Spektrum der Depressions- und Angsterkrankungen sein. Suchen Sie gegebenenfalls nach einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit arbeitsbezogenen Schwierigkeiten oder sichern Sie sich professionelle Unterstützung beim Überwinden Ihres selbsthinderlichen Verhaltens.

An sich ist Prokrastinieren schlau: Warum würde jemand das Unangenehme nicht aufschieben, wenn doch das Angenehme so greifbar ist? Langfristig lohnende Ziele erfordern eine willentliche Entscheidung, das kurzfristig Verlockende trotzdem links liegen zu lassen. Das ist mühsam, doch es lohnt sich – um den Berg zu bewältigen. Schritt für Schritt.

DR.BORIS SCHMIDT ist Wirtschaftswissenschaftler, Psychologe und Psychotherapeut und arbeitet seit 2001 als Coach, Trainer und Berater für und mit Menschen in Hochschule, Wissenschaft und im Non-Profit-Bereich, seit 2012 in Berlin. Er ist Mitglied im Coachingnetz Wissenschaft., das Partner der DUZ ist.
www.gekonnt-scheitern.de
www.coachingnetz-wissenschaft.de

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