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Innovativ, aber teuer

Wieso kommen private Hochschulen in Deutschland in den Genuss öffentlicher Förderung?

Sie sollte das „Harvard an der Weser“ werden, mit Parkplätzen für Nobelpreisträger: Die private Jacobs Universität in Bremen trat mit ehrgeizigen Zielen an. Nun wird diskutiert, ob sie sang- und klanglos als International Department in der Universität Bremen aufgehen könnte. Prof. Dr. Matthias Kleiner, der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, hat diesen Vorschlag gemacht, um den finanziellen Schlingerkurs der einzigen privaten Volluniversität Deutschlands zu beenden.

Sie einfach dicht zu machen, wäre ein schwerer Schlag für das Land Bremen, das die Gründung der Hochschule mit einem dreistelligen Millionenbetrag angeschoben hat und jährlich drei Millionen Euro zum Betrieb zuschießt. Diese Förderung fällt im Jahr 2018 weg. Aber auch mit den bisherigen Zuschüssen verbuchte die Hochschule in ihrer letzten Bilanz schon ein Minus von 1,7 Millionen Euro. Zudem gibt es da noch einen Kredit über 50 Millionen Euro aus dem Jahr 2003, von dem erst vier Millionen getilgt sind.

Den Rest zu übernehmen, hat sich im Juni das Land Bremen bereit erklärt. Andernfalls wäre die Schweizer Jacobs Foundation aus ihrer Förderung ausgestiegen, verlautete in Medienberichten.

Immer wieder Pleitemeldungen​Eine private Hochschule zu betreiben, gilt in Deutschland, wo das weitgehend kostenlose öffentliche Bildungssystem stark ist, als schwierig. Immer wieder machen Pleitemeldungen die Runde: Die European Business School in Wiesbaden verschlang erst rund 24 Millionen Euro an öffentlichen Fördergeldern, wurde dann 2015 durch nachsichtige Gläubiger vor dem Bankrott gerettet und schließlich 2016 von der SRH Higher Education GmbH aufgekauft, das ist ein privater Klinik- und Fachhochschulbetreiber aus Baden-Württemberg. Die Fachhochschule Neuss stellte einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und ging in der Rheinischen Fachhochschule Köln auf. Die private Wirtschaftshochschule Gisma war 2013 pleite und wurde vom holländischen Hochschulbetreiber Global University Systems übernommen.

Man kann es gut oder schlecht machen

Diese Fälle sagten aber nichts über den Markt für die Privaten als Ganzes aus, meint Prof. Dr. Peter Thuy, Rektor der Internationalen Hochschule Bad Honnef und Vorstandsmitglied des Verbands der Privaten Hochschulen: „Wie immer in der privaten Wirtschaft kann man es gut oder schlecht machen.“ Viele Institutionen könnten schon auf eine über 20 Jahre andauernde erfolgreiche Geschäftstätigkeit zurückblicken.

In der Tat boomt der Markt für die Privaten. Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes hat sich die Zahl ihrer Studierenden zwischen den Jahren 2000 und 2013 versechsfacht. Zwar sind diese Hochschulen klein, sodass mit insgesamt 211 569 eingeschriebenen Studierenden im Wintersemester 2016/2017 nur rund 7,5 Prozent aller Studierenden an einer privaten Hochschule eingeschrieben waren. Aber immerhin hat inzwischen mehr als jede vierte Hochschule in Deutschland einen privaten Träger. In einzelnen Bundesländern sind die Zahlen noch bezeichnender: In Berlin sind zwei Drittel der Hochschulen privat finanziert, in Hamburg mehr als die Hälfte.

Das wirft die Frage auf, wie wichtig der Beitrag der Privathochschulen zum akademischen Bildungswesen ist und wie weit dies förderungswürdig ist. Die meisten privaten Hochschulen verfolgen klare kommerzielle Ziele: Sie sind als GmbH organisiert, konzentrieren sich in Ballungsräumen und bieten Studiengänge an, die am Arbeitsmarkt stark nachgefragt werden und sich preiswert aus Büchern lehren lassen – der fachliche Schwerpunkt liegt mit 60,5 Prozent aller an den privaten Hochschulen Studierenden in den Fächern Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Viele Privathochschulen besetzen attraktive Nischen im Bildungsmarkt, bieten unternehmensfinanzierte Studiengänge oder berufliche Weiterbildung an.

Wir haben uns nie als eine hochpreisige Elite-Einrichtung verstanden

Aber zu den Privaten zählen eben nicht nur Business Schools, die mit ihrem Prestige hausieren gehen. Fast neunzig Prozent der Immatrikulierten studieren an kleinen Fachhochschulen, wie zum Beispiel an der Merz Akademie, Hochschule für Gestaltung, Kunst und Medien in Stuttgart. „Wir haben uns nie als eine hochpreisige Elite-Einrichtung verstanden“, sagt ihr Rektor Martin Fritz. Und seit den 80er-Jahren hat die Hochschule einen Rechtsanspruch auf 60 Prozent Kostenübernahme ihres Etats durch das Land Baden-Württemberg.

„Die Förderung deckt die Differenz ab zwischen dem, was wir unter einer qualitativ hochwertigen Ausbildung verstehen, und dem, was wir als zumutbare Gebühren betrachten“, sagt Martin. Nämlich rund 400 Euro im Monat. Sodass das Land rund 6.600 Euro pro Jahr und Kopf zugeschossen hat. Trotz EU-rechtlicher Bedenken, nämlich der Kollision mit dem Beihilfe-Verbot, wurde dieser Anspruch mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2018/19 für die Merz-Akademie und Studiengänge an zwei weiteren Hochschulen bestätigt. Gleichzeitig wurde ein Förderprogramm über sieben Millionen Euro für qualitativ hochwertige Lehrkonzepte privater Hochschulen aufgelegt.

Denn die, das hat auch der Wissenschaftsrat schon festgestellt, haben häufiger innovative Studiengänge im Angebot als die eher unflexiblen öffentlich finanzierten Hochschulen. Gut ein Drittel der Bachelor-Studiengänge ließen sich zum Beispiel im Jahr 2014 an privaten Hochschulen berufsbegleitend studieren, während dies an öffentlichen Hochschulen nur bei elf Prozent der Studiengänge der Fall war.

Für die Privaten spricht außerdem, dass sie als Reaktion auf die doppelten Abiturjahrgänge und die daraus folgende Erstsemesterschwemme ihre Kapazitäten stark ausgebaut und damit den Ländern Einnahmen aus dem Hochschulpakts beschert haben. Sie wurden daran aber überwiegend nicht beteiligt. Nach Ansicht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung liegt die Verteilung der Gelder im Ermessen der Länder, die sich unterschiedlich zu dieser Frage stellen.

Aus dem Hochschulpakt kaum was abbekommen

Nur fünf von 13 Bundesländern waren zu einer Beteiligung bereit und auch das mit Einschränkungen. Angesichts der langen Schlangen in den Studierendensekretariaten zahlte zum Beispiel Nordrhein-Westfalen zuerst noch Hochschulpaktmittel an die Privaten aus – allerdings nur ein Viertel der Prämie, die die öffentlichen Hochschulen bekamen. Und inzwischen sieht das Land gar keine Veranlassung zur Förderung mehr.

Peter Thuy spricht diesbezüglich von einem „Diskriminierungstatbestand“. Die privaten Hochschulen hätten die Bedingungen für die Subvention erfüllt und könnten das Geld gut gebrauchen, um ihr Studienangebot zu verbessern oder auszubauen. Dr. Dieter Dohmen vom Berliner Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FIBS) nennt die Haltung der Länder „ökonomisch betrachtet absolut rational“.

Indem sie Einnahmen aus dem Hochschulpakt generierten, für die sie kein Geld ausgeben müssten, reduziere sich ihr finanzieller Beitrag zum Hochschulsystem. „Es ist aber nicht die Aufgabe des Hochschulpaktes, die Länderhaushalte zu sanieren“, meint Dohmen. Sicherlich seien die privaten Hochschulen in der Lage, sich selbst zu finanzieren. Man könne aber auch argumentieren: „Die Studiengebühren sind zurzeit höher, als sie sein müssten.“

Im Fall der Jacobs-Universität rechnet ihr Aufsichtsratvorsitzender Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner vor, dass selbst milliardenschwere amerikanische Stiftungsuniversitäten wie die Harvard University zehn bis zwanzig Prozent staatliche Zuschüsse erhielten. Und dass das Land Bremen durch die Hochschule satte Einnahmen verbuchen könne: rund vier Millionen Euro Steuern aus Beschäftigungseffekten und sechs Millionen aus dem Länderfinanzausgleich für die 1500 Studierenden. Ein Argument mit einer gewissen Überzeugungskraft. Bei den Bremer Hochschulpolitikern scheint es gezogen zu haben.

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