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Die, die wagt, gewinnt

In ihrem Buch stellt Felicitas von Aretin 21 Frauen vor, die sich ihren Platz im Berufsleben erkämpft haben.

Physik, Chemie, Theologie, Architektur galten lange als Männerdomänen. Doch auch in diesen Disziplinen gibt es weibliche Vorbilder, die es mit Intelligenz, Fleiß und Selbstbewusstsein geschafft haben, ihren Weg zu gehen, etwa die 1881 in Karlsruhe geborene Magdalena Meub, Tochter eines Bäckers. Sie legte 1899 an einem Mädchengymnasium in ihrer Heimatstadt das Abitur ab. Die Zulassung zum Pharmaziestudium war Frauen damals im konservativen Apothekermilieu noch verwehrt, doch ihren Berufswunsch aufgeben wollte die junge Frau nicht. Meub begann eine Lehre in einer Apotheke, absolvierte das Gehilfenexamen, arbeitete anschließend einige Jahre als Apothekengehilfin, denn erst danach stand ihr die Tür zur Hochschule offen. 1904 schrieb sie sich als erste Studentin für ein Pharmaziestudium an der Technischen Hochschule Karlsruhe ein.

Die Arbeitsbedingungen der Auszubildenden klingen ausbeuterisch: An sechs Tagen in der Woche arbeiteten die Lehrlinge zwölf bis 14 Stunden, Sonn- und Feiertagsdienste kamen hinzu. Manche Apothekergattin erwartete, dass die Lehrmädchen ihr zusätzlich im Haushalt halfen. Magdalena Meub gründet deshalb mit einer Leidensgenossin 1902 ein Frauennetzwerk, um auf die Missstände hinzuweisen. Später ging der Bund deutscher Pharmazeutinnen daraus hervor. Während des Pharmaziestudium lernte sie ihren Ehemann Adolf Neff kennen. Gemeinsam kauften sie eine Apotheke, die sie fast 50 Jahre zusammen führten.

Wenige schafften Aufstieg durch Bildung, ohne großbürgerliche oder adelige Familie im Hintergrund

Die zielstrebige Apothekerin Magdalena Neff, geborene Meub, ist eine der wenigen porträtierten Frauen in dem Buch „Mit Wagemut und Wissensdurst“, die den Aufstieg durch Bildung ohne großbürgerliche oder adelige Familie im Hintergrund schafften. Die Autorin Dr. Felicitas von Aretin sammelte die ersten Porträts erfolgreicher Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft während ihrer Tätigkeit für die Max-Planck-Gesellschaft in Berlin. Im Jahr 2010 recherchierte sie Biografien für eine Ausstellung im Harnack-Haus. Das 1929 eröffnete Clubhaus war eine Vortrags- und Begegnungsstätte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der Vorgängerorganisation der Max-Planck-Gesellschaft, in Berlin-Dahlem. In der Nachkriegszeit wurde das unzerstörte Gebäude als US-amerikanischer Offiziersclub genutzt, anschließend an die Max-Planck-Gesellschaft zurückgegeben und wieder als Gäste- und Veranstaltungshaus genutzt.

„Neben bekannten Frauen wie Lise Meitner bin ich bei meinen Recherchen auch auf viele andere, weniger bekannte Frauen gestoßen, die als Wissenschaftlerinnen oder Sozialreformerinnen viel geleistet haben“, sagt Felicitas von Aretin, die Geschichte, Rechtswissenschaften und Kunstgeschichte studierte und am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz promovierte. „Vor drei Jahren traf ich die Verlegerin Elisabeth Sandmann und es entstand die Idee, aus den Informationen ein Buch zu machen“, sagt die Autorin.

Porträtiert hat sie auch die erste Geschäftsführerin des Harnack-Hauses, Margarete Carrière-Bellardi. 1885 in Berlin geboren, studierte Bellardi Geografie, Germanistik und Anglistik an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität und legte 1915 die Prüfung für das höhere Lehramt ab. Nach Stationen als Privatlehrerin wohlhabender Familien übernahm sie noch vor der Eröffnung des Harnack-Hauses dessen Leitung. Während sich ihr Ehemann Ludwig Carrière um die Bibliothek des Clubhauses kümmerte, war Margarete Carrière-Bellardi gleichzeitig für die repräsentative und wirtschaftliche Leitung des Hauses verantwortlich.

Keine leichte Aufgabe, wie von Aretin in historischen Quellen recherchiert hat, denn der Betrieb lief anfangs ziemlich chaotisch. Zusätzlich neideten ihr einige Männer die attraktive Position. Briefe und Schmähschreiben belegen, mit welchen Intrigen ihre Konkurrenten sie aus dem Amt drängen wollten. Doch es gelang ihnen nicht, das Haus entwickelte sich zum „Publikumsmagneten des intellektuellen Berlins“, wie von Aretin schreibt.

21 Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wählte Felicitas von Aretin für das Buch aus. Keine leichte Entscheidung, wie die Autorin erklärt: „Insgesamt habe ich 150 Biografien recherchiert, für das Buch musste ich die Zahl auf 21 Porträts reduzieren. Ich habe mich entschieden, Akademikerinnen zu porträtieren, die in den wichtigsten Fächern wie Mathematik, Chemie, Medizin, Theologie, Geschichte und Volkswirtschaft geforscht und gelehrt haben. Neben den wichtigsten Pionierinnen in den wissenschaftlichen Fächern wollte ich auch Unternehmerinnen vorstellen.“

Ein schwieriger Weg, gegen viele Widerstände

Gesellschaftlich und sozial engagiert waren beispielsweise Hedwig Bleuler-Waser, die Gründerin und Präsidentin des Schweizerischen Bundes abstinenter Frauen, oder die Gründerin des Muttergenesungswerks Elly Heuss-Knapp. Beide professionalisierten die Soziale Arbeit. Beeindruckt hat die Autorin auch Greti Caprez-Roffler, eine Schweizer Theologin, die erste evangelische Pfarrerin Europas. Deren schwieriger Weg gegen viele Widerstände in Kirche und Gesellschaft lässt erahnen, wie mühsam es gewesen sein muss, mit ihrem Berufswunsch eine Anstellung zu finden und eine Familie zu gründen, was Frauen anfangs verboten war. Wie Greti Caprez-Roffler und ihr Mann trotzdem einen Weg fanden, ist spannend zu lesen.

Doch nicht immer gab es gut dokumentierte Lebensläufe, aufschlussreiche Quellen oder Tagebücher, aus denen die Autorin schöpfen konnte. Von Edith Peritz beispielsweise, einer Schönheitschirugin, hatte von Aretin nur ein Foto, das die damals bekannte Berliner Fotografin Lotte Jacobi aufgenommen hatte. Sie porträtierte in den 1930er-Jahren Peritz als junge Chirurgin mit Arztkittel und modischer Bubikopf-Frisur. Neben dem Foto fand die Autorin noch einen Antrag von Peritz auf Entschädigung aus dem Jahr 1958.

„Über verschiedene Quellen wie eine Datenbank über Ärztinnen im Kaiserreich, den Unterlagen des Soroptimisten-Clubs Berlin, dessen Gründungspräsidentin sie war, und einer in Frankreich erschienenen Familienchronik konnte ich mehr Informationen über die 1897 in Breslau geborene Ärztin finden“, sagt von Aretin, „mit der Zeit setzte sich das Bild wie ein Puzzle zusammen, auch wenn ich nicht alle Teile gefunden habe. Manchmal war die Recherche der Biografien wie Detektivarbeit.“

Seit 1899 durften Frauen im Deutschen Reich Medizin studieren, bis 1918 wurden über 750 Frauen in Deutschland approbiert, schreibt von Aretin. Edith Peritz schloss ihr Studium 1922 mit einer Promotion in Kinderheilkunde ab. Als Assistentin kam sie ans Berliner Rudolf-Virchow-Krankenhaus und spezialisierte sich zunächst auf das Fachgebiet Innere Medizin, um sich schließlich der Schönheitschirurgie zu widmen. 1928 ging Peritz nach Paris und bildete sich in einer Privatklinik bei der ästhetischen Chirurgin Suzanne Noël weiter. Im gleichen Jahr baute die Ärztin eine Praxis für ästhetische Chirurgie in Berlin-Charlottenburg auf, die Patientinnen aus ganz Deutschland anzog.

Peritz engagierte sich als Präsidentin im ersten deutschen Soroptimisten-Club, einem Frauennetzwerk, das 1921 von der Amerikanerin Adelaide Goddard in Kalifornien gegründet wurde und ab 1930 auch in Deutschland Fuß fasste. Auch im 1924 gegründeten Bund Deutscher Ärztinnen war die Chirurgin Mitglied und wurde 1931 vom Ortsverband Berlin-Brandenburg zur ersten Vorsitzenden gewählt.

Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlor die Ärztin ihre Kassenzulassung, der Berufsverband Bund Deutscher Ärztinnen schloss sie aus. 1936 gelang es Peritz, mit einem Besuchervisium nach New York zu reisen und dort eine der begehrten Kassenzulassungen zu erhalten. Geholfen hat Edith Peritz auch das Frauennetzwerk der Soroptimisten, die Flucht zu organisieren. „Die Clubs waren sehr wichtig, damals aber viel exklusiver. Dort trafen sich berühmte und einflussreiche Frauen, es gab aber auch normale Frauen wie Pensionswirtinnen“, sagt von Aretin.

Neben Biografien von während der NS-Diktatur verfolgten Frauen stellt die Autorin auch Frauen vor, die vom Nationalsozialismus überzeugt waren. „Ich wollte keine reine Opfergeschichten erzählen, sondern auch Frauen vorstellen, die mit dem NS-Regime sympathisierten und davon profitierten“, sagt sie. Trotz aller Unterschiede gibt es Gemeinsamkeiten: „Alle Frauen wollten ihre Träume verwirklichen und Verantwortung übernehmen. Sie haben ein sozial aktives Leben geführt und nicht nur für ihren Beruf gelebt“, sagt von Aretin.

Das Buch

In 21 Porträts stellt Felicitas von Aretin mutige Frauen vor, die in Wissenschaft und Wirtschaft Pionierarbeit geleistet und anderen den Weg in Hochschulen, Wissenschaft und Beruf geebnet haben. Auch wenn das Buch „Mit Wagemut und Wissensdurst“ ein historisches Zeitdokument von Frauen aus dem 20. Jahrhundert ist, können Studierende und Akademikerinnen in Zeiten von Quotendiskussionen und #metoo in dem schön gestalteten Band sich in interessante Biografien vertiefen und mehr oder weniger bekannte, mutige Frauen kennenlernen, die zwar vor ganz anderen Herausforderungen standen, ihren Traum aber auf keinen Fall aufgeben wollten.

Felicitas von Aretin: Mit Wagemut und Wissensdurst. Die ersten Frauen in Universitäten und Berufen. Elisabeth Sandmann Verlag, München, 2018. 200 Seiten, 24,95 Euro.

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