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Die Länder sind gefragt

Das vor zwei Jahren in Kraft getretene Präventionsgesetz zielt auf die Verbesserung der Gesundheitsförderung aller Bürger. Was bedeutet das für die Hochschulen? Müssen sie ihr Gesundheitsmanagement ändern?

Fast drei Millionen Studierende zählen die deutschen Hochschulen. Der Anteil der Studienanfänger am jeweiligen Geburtsjahrgang liegt mittlerweile bei mehr als 50 Prozent. Wie ist es um die Gesundheit dieser beständig wachsenden Gruppe der Studierenden bestellt? Ganz gut, möchte man meinen. Bei der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks etwa gaben nur elf Prozent der Befragten an, gesundheitlich beeinträchtigt zu sein. Und doch wäre es ein Fehler, zu glauben, dass die Studierendengesundheit kein Thema ist, mit dem wir uns beschäftigen sollten.

So weisen verschiedene Befragungen auf eine überproportionale Stressbelastung bei den jungen Erwachsenen an den Hochschulen hin. Studiumsbedingter Bewegungsmangel und der übermäßige Konsum von Alkohol und Nikotin zeigen weiteren Handlungsbedarf für diese Altersgruppe auf. Ein Ziel gesundheitsförderlicher Rahmenbedingungen muss es deshalb sein, die Studierenden in der Lebenswelt Hochschule zu entlasten. Dies kann durch den individuellen Erwerb von Gesundheitskompetenzen und eine stärkere Anpassung der hochschulseitigen Organisationsstrukturen an die Bedürfnisse der Studierenden erfolgen.

Der Umgang mit Stress in den Prüfungsphasen eines Studiums wird zum Beispiel durch den wissenschaftlich aufbereiteten Ratgeber „Rückenwind – Was Studis gegen Stress tun können“ aufgezeigt. Studierendengerechte Lern­ und Aufenthaltsräume, ausgewogene Angebote für die Ernährung und Bewegungsanreize auf dem Campusgelände können weitere Bausteine darstellen. Eine Schlüsselstellung für die Gesundheit aller Statusgruppen hat die Führungskultur auf allen Ebenen der Organisation Hochschule. Zwar sehen fast alle Hochschul- oder Studierendenwerksgesetze der 16 Bundesländer Unterstützungssysteme für Studierende vor; der Fokus liegt aber bislang auf den Studierenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Überfällig ist ein Aufbau von Infrastrukturen zur Gesundheitsförderung und Prävention im Sinne des im Jahr 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetzes, die allen Studierenden zugute kommen. Die Idee ist nicht neu. Bereits in den Siebzigerjahren hat das Hochschulrahmengesetz die (westdeutschen) Hochschulen damit beauftragt, sich um die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und auch die gesundheitlichen Belange der Studierenden zu kümmern. Dieser Auftrag ist in unterschiedlichen Formulierungen in die 16 Landesgesetzgebungen übernommen worden. Weiterhin nicht eindeutig geregelt ist indes, welche Aufgaben den Hochschulverwaltungen und welche den Studierendenwerken zukommen. Und während die Studierendenwerke in jährlich erscheinenden „Zahlenspiegeln“ Auskunft über ihre Leistungen geben, gibt es aufseiten der Hochschulen kein entsprechendes Pendant. Für eine detaillierte Bestandsaufnahme wäre ein hochschulspezifisches Referenzsystem hilfreich, zumal Studierendenwerke zumeist für mehrere Hochschulen zuständig sind.

Wenn das hochschulische Gesundheitsmanagement eine Statusgruppe im Blick hat, dann bislang vor allem jene des nicht­wissenschaftlichen Personals – die nur ein Zehntel aller Hochschulmitglieder ausmacht. Überlegungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung für Studierende, wie sie bereits vor zwanzig Jahren von einer Arbeitsgruppe um den Medizinprofessor Dr. Alexander Krämer (Universität Bielefeld) vorgestellt wurden, befinden sich nach wie vor in einem sehr frühen Stadium. Dies mag daran liegen, dass aufseiten der Studierenden – im Vergleich zu den Beschäftigten – entsprechende Strukturen fehlen. Für deren gesundheitsbezogene Interessen gibt es zum Beispiel gesetzliche Regelungen wie den Arbeitsschutz und die Personalvertretung mit dem Instrument der Dienstvereinbarungen.

Für die gewählten studentischen Vertretungen ist Gesundheitsförderung in der Regel kein Thema von Interesse. In Anlehnung an ein betriebliches Gesundheitsmanagement wird derzeit an mehreren Hochschulstandorten unter Mitwirkung von Studierenden ein studentisches Gesundheitsmanagement erprobt. Als Vorreiter sind die Technische Universität Kaiserslautern, die Folkwang Universität der Künste und das Karlsruher Institut für Technologie zu nennen. Die finanzielle Förderung erfolgt durch die Techniker Krankenkasse im Rahmen des Präventionsgesetzes. Angestoßen und fachlich begleitet wird das mehrjährige Projekt durch den Arbeitskreis Gesundheitsfördernde Hochschulen, der durch die Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen organisiert wird. Der Arbeitskreis ist eine bundesweite Vernetzungsplattform zur Gesundheitsförderung an Hochschulen.

Dabei stellt sich immer dringender die Frage, welchen Anteil die Studierendenwerke haben sollen. Schon heute sind sie Hauptakteure bei wichtigen gesundheitsbezogenen Weichenstellungen für Studierende, etwa in den Bereichen finanzieller Transfer, Beratungsleistungen, Ernährung und Wohnen, in geringen Anteilen auch bei Fitness­ und Sportangeboten. Was bisher fehlt, ist die verhältnisbezogene Ansprache der Studierenden in der Lebenswelt Hochschule im Kontext der Gesundheitsförderung. Dafür müsste in Abstimmung mit den Hochschulen und den jeweils zuständigen Bundesländern eine entsprechende personelle Infrastruktur geschaffen werden.

Erste Vorbilder gibt es dafür bereits: die Anstellung einer Gesundheitsförderungs-Expertin durch den Asta der Folkwang Universität der Künste etwa, oder eine Professur für Gesundheitsförderung in Studium und Beruf am Universitätsklinikum Lübeck. In den 16 landesgesetzlichen Regelungen werden zur sozialen Förderung von Studierenden bestimmte Aufgabenfelder der Hochschulen und Studierendenwerke angesprochen, die auch gesamtgesellschaftlich in den vergangenen Jahrzehnten einen höheren – mithin auch in Gesetzesform gegossenen – Stellenwert erhalten haben. Zu den explizit als förderungswürdig aufgeführten Zielgruppen gehören insbesondere Studierende mit Kindern, Studierende mit unterstützungs- und pflegebedürftigen Angehörigen, Studierende mit Behinderung und Studierende mit psychischen oder chronischen Erkrankungen. Für diese Zielgruppen stehen vor allem Beratungsdienste bereit – etwa eine psychologische Beratung, wie sie 46 Studierendenwerke im Rahmen unterschiedlicher Kooperationen anbieten. Im Jahr 2015 wurde diese mehr als 100 000 Mal angefragt, es wurden mehr als 32 000 Einzelgespräche geführt.

Darüber hinaus sind zumeist explizit die Studierendenwerke aufgerufen, wenn es im Wortlaut der landesgesetzlichen Regelungen um die „Gesundheitsförderung“ geht – oder gar um die „psychische Studienberatung“ (sic!), wie in Schleswig-Holstein. Es gibt aber auch Bundesländer, die den Gesundheitsbegriff in der Hochschul-Landesgesetzgebung nicht verwenden: die Hansestadt Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Bildung und Gesundheitsförderung sind Sache der Länder. Es liegt bei ihnen, ihren Anteil am Präventionsgesetz auch für die Zielgruppe der Studierenden in der Lebenswelt Hochschule zu konkretisieren. Dies kann nicht nur den Sozialversicherungen überlassen bleiben. Eine sehr einfache Maßnahme der Bundesländer wäre ein finanzieller Zuschuss im Sinne einer Kopfpauschale, mit der die Studierendenwerke als kompetenter Akteur ihrem landesgesetzlichen Auftrag nachkommen können, ein Gesundheitsmanagement für Studierende aufzubauen. Nicht vorstellbar? Doch! Als Vorbild kann die finanzielle Förderung des Gesundheitsmanagements für alle Landesbeschäftigten in Baden-Württemberg dienen, deren Ziel vor allem darin besteht, die älter werdende Belegschaft zu entlasten.

DIE AUTOREN
sind an der Hochschule Magdeburg-Stendal tätig: Dr. Thomas Hartmann als Professor für Humanökologie, Dr. Kerstin Baumgartner als Professorin für Gesundheitswissenschaften und Katharina Greiner als Masterstudentin im Studiengang Gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung.

 

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