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Suhrkamp, mindestens

Er beschreibt sich selbst als Produkt der Achtzigerjahre in Berlin: Der Soziologe Heinz Bude, der zu Ungleichheit und Exklusion forscht, will Brücken zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus schlagen.

Ein guter Soziologe, sagt Heinz Bude, muss Nähe und Distanz ausbalancieren können. Er muss sich berühren lassen von dem, was ihn beschäftigt – und trotzdem einen kühlen Kopf bewahren. Das ist eine der ersten Lektionen, die der Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel seinen Studierenden vermittelt.

Dieser Leitlinie bleibt der 62­Jährige auch dann treu, wenn er über sich selbst spricht. Wenn er erzählt, wie aus dem Schreinersohn aus Wuppertal einer der bekanntesten Soziologen der Bundesrepublik und ein gefragter Interviewpartner für Zeitungen und Rundfunkanstalten wurde, dann tut er das nüchtern, aber auch ohne den Stolz auf das, was er bisher geschafft hat, zu verhehlen.

Kein geradliniger Karriereplan liege seinem Werdegang zugrunde, sagt Bude, sondern Glück, Zufälle – und der Wunsch, kühne Pläne zu verwirklichen. Als Produkt der überschwänglichen Achtzigerjahre in Berlin beschreibt er sich, jenes Berlin, das bis heute Budes Wahlheimat geblieben ist. Andere hätten sich damals als Musiker oder Künstler versucht, und er sei eben Soziologe geworden. „Es war ein Berliner Traum“, sagt Bude.

„Es durfte kein Allerweltsthema sein“

Bei der Wahl seines Dissertationsthemas spornte ihn eine Wette an, die er mit einem Mitschüler abgeschlossen hatte: dass es ihm gelingen würde, sein erstes Buch im renommierten Suhrkamp-Verlag zu veröffentlichen. „Damit war klar: Es durfte kein Allerweltsthema sein“, sagt Bude. Die Idee kam ihm schließlich im Kino. Inspiriert von Rainer Werner Fassbinders „Die Ehe der Maria Braun“, untersuchte er die Prägung der jungen Bundesrepublik durch die Aufsteiger aus der Flakhelfergeneration.

Das Interviewprojekt ist tatsächlich bei Suhrkamp erschienen. Und es brachte ihm nicht nur den Doktortitel. „Ich konnte damit den Begriff der Generation besetzen, der von der Soziologie damals mit spitzen Fingern angefasst wurde“, sagt Bude. In seiner Habilitationsschrift hat er sich der Generation der Achtundsechziger gewidmet; später erfand er den Begriff der „Generation Berlin“ für die zwischen 1960 und 1965 Geborenen, die sich als „unternehmerische Einzelne“ verstehen, losgelöst von der Solidargemeinschaft und politisch unauffällig. Mittlerweile jedoch konzentriert sich Bude stärker auf ein zweites Themengebiet: Ungleichheit und Exklusion. „Da ist eine große Lücke in der Forschung“, sagt er.

Einer größeren Öffentlichkeit ist Heinz Bude weniger wegen seiner fachwissenschaftlichen Beiträge bekannt als aufgrund dessen, was er „intellektuelle Soziologie“ nennt: Essaybände zu Gegenwartsfragen, die er in bemerkenswert hoher Frequenz publiziert. Und er veröffentlicht mit großer Medienresonanz. „Eine Soziologie, die der Öffentlichkeit Deutungshilfe geben will, muss verständlich sein“, erklärt Bude, „sonst hat sie keinen Sinn.“ Über „Bildungspanik“ schrieb er, über die „Gesellschaft der Angst“ und zuletzt über die Macht von gesellschaftlichen Stimmungen („Das Gefühl der Welt“).

Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie hat Heinz Bude in diesem Jahr den „Preis für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der öffentlichen Wirksamkeit der Soziologie“ verliehen. Eine Auszeichnung, die der Professor als Anerkennung nicht nur seiner Arbeit, sondern seiner ganzen Sozio­logengeneration versteht: „Wir haben Sozio­logie betrieben aus dem Impuls, die Welt zu verbessern.“ Eine Haltung, die bei vielen jüngeren Kollegen nicht mehr en vogue sei.

Statements

Heinz Bude über sich und sein Fach

Mein Ziel: Ich will als ein Interpret der Gesellschaft wirken, der in der Lage ist, Brücken zu schlagen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus.

Mein Rezept: Wahrzunehmen, was die Menschen sagen, und es so zusammenzufassen, dass sie davon überrascht sind.

Wir müssen ernsthafte Deutungen liefern:
Die Soziologie als eine Art Sozialgeschichtsschreibung der Gegenwart ist in einer ausgesprochen gestärkten Nachfragelage. Ob die Wahl von Donald Trump in den USA, der Brexit, der Akzeptanzverfall der Volksparteien oder Fragen der Inklusion und der Zuwanderung – es gibt eine riesige Zahl von Problemen, die ein Deutungsbedürfnis der Gesellschaft schaffen. Da muss die Soziologie ein Angebot machen können. Es geht nicht darum zu erklären, was jetzt zu tun sei, sondern darum, erst einmal zu beschreiben, was ist. Gefragt sind ernsthafte Deutungen, die belegbar sind und auch eine gewisse Halbwertszeit haben. Wenn wir das liefern, sind wir Soziologen unser Geld wert.

Das Mega-Thema …
… der nächsten 30 Jahre wird Ungleichheit sein – und dabei kreuzen sich soziologische Fragen mit demografischen, ökologischen oder wirtschaftlichen. Wer profitiert von einer höheren Lebenserwartung und wer nicht? Wenn der Klimawandel zu Wanderungsbewegungen führt: Wer geht dann und wer bleibt? Und was bedeutet das für die Gesellschaften? Man müsste jetzt ein Max-Planck-Institut für die Ungleichheit der Welt gründen und darin Mediziner, Biologen, Soziologen und Ökonomen zusammenbringen – im Sinne einer komplexen Humanwissenschaft.

Als Soziologe darf ich keine Angst haben:
Soziologische Theorien helfen, die Welt zu verstehen, mit der wir es heute zu tun haben. Aber ich glaube nicht, dass gerade die Zeit für Glasperlentheorie ist. Wir brauchen Theorie, die sich perspektivisch auf die Realität bezieht, die uns auf den Nägeln brennt. Deshalb geht es für mich nicht ohne empirische Arbeit. Man darf als Soziologe keine Angst vor niemandem haben. Man muss an das, was einem die Menschen sagen, mit einer prinzipiellen Rationalitätsunterstellung herangehen: Das ist kein wirres Zeug, sondern es hat einen Sinn, den es zu verstehen gilt. Auch wenn das, was dabei herauskommt, manchmal unangenehm ist.

Biographie

Biographie

1954 geboren in Wuppertal

1978 Diplom in Soziologie nach einem Studium der Soziologie, Philosophie und Psychologie in Tübingen und an der FU Berlin

1978–1983 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut der FU Berlin; anschließend soziologische Auftragsarbeiten wie eine Biografie des Kölner Kunstsammlers Peter Ludwig

1986 Promotion mit einer Dissertation zur Wirkungsgeschichte der Flakhelfergeneration

1994 Habilitation mit einer Schrift zur Wirkungsgeschichte der 68er-Generation

1992–2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung, seit 1997 Leiter des Bereichs „Die Gesellschaft der Bundes­republik“

1996 Visiting Scholar am Center for European Studies der Cornell University

seit 2000 Professor für Makro­soziologie an der Uni Kassel

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