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Frauen, wo seid ihr?

Händeringend werden an Fachhochschulen Professorinnen gesucht –  es gibt zu wenig Bewerberinnen. Gründe dafür sind vor allem ein Informationsdefizit und die Selbstzweifel der Frauen. Vier Professorinnen berichten von ihren Erfahrungen.

Zu Beginn ein Rätsel: Ein Vater ist mit seinem Sohn im Auto unterwegs und hat einen schlimmen Unfall. Er ist auf der Stelle tot. Der Sohn ist so schwer verletzt, dass er nur von einem Experten aus der Chirurgie operiert werden kann. Im Krankenhaus wird man nach hektischer Suche fündig und erhält die Antwort: „Ich kann ihn nicht operieren, das ist mein Sohn!“ Wie ist das möglich?

Als ein Kollege ihr vor vielen Jahren das Rätsel stellte, wusste Prof. Dr. Margot Körber-Weik keine Antwort darauf. „Das hat mich ganz schön gewurmt“, sagt die pensionierte Professorin und ehemalige Landessprecherin der Gleichstellungsbeauftragten in Baden-Württemberg. Denn die Lösung ist platt: Der Experte ist eine Frau und die Mutter des Jungen. Doch immer noch ist der Arztberuf vorwiegend männlich konnotiert, sodass sofort das Bild eines Mannes in weißem Kittel vor dem inneren Auge erscheint. Ein Schlüsselerlebnis für Körber-Weik – und ein Teil des Problems: Es gibt kaum Professorinnen.

Damit haben nicht nur Universitäten, die Mediziner ausbilden, zu kämpfen. Doch für Fachhochschulen gibt es noch eine spezifische Herausforderung: Viele Akademikerinnen arbeiten außerhalb der Hochschule und müssen erst zurück in die Wissenschaftswelt geholt werden. In Nordrhein-Westfalen etwa sind 81 Prozent der FH¬Professuren mit Männern besetzt, nur 19 Prozent mit Frauen, wie die Studie „Professorinnen, wo seid ihr?“ der Hochschule Bochum aus dem Jahr 2013 herausstellt.

Ein Grund dafür sind Stereotype und deren Rückwirkung; viele Frauen trauen sich den Job an der Hochschule einfach nicht zu. Das zeigt sich schon am Bewerbungsverhalten. „Ich habe in meiner ganzen Laufbahn keine einzige Initiativbewerbung von einer Frau bekommen“, sagt Körber-Weik. Gleichzeitig sei der Anteil von Männern, deren Profil so gar nicht auf die Stelle passt, sehr viel höher: „Einmal hat sich einer beworben, der noch nicht einmal studiert hat.“ Selbst exzellent qualifizierte Frauen kämen selten auf die Idee, sich an FHs zu bewerben; sie fürchten die bürokratischen Hürden und denken oft: Das kann ich nicht. Vor allem aber wissen viele Akademikerinnen nicht, dass eine FH¬Professur auch für sie attraktiv und erreichbar sein kann.

Nicht nur deswegen hat Körber-Weik das überregionale Mathilde-Planck-Mentoring-Programm für FH-Professorinnen ins Leben gerufen (s. Infokasten). Seit zwanzig Jahren veranstaltet sie Infoabende für potenzielle Kandidatinnen, Hunderte junger Frauen hat sie schon beraten. Ihre Erfahrungen aus der Praxis helfen ihr, Situationen zu erkennen, in denen es hakt.

So erzählt Körber-Weik von einem Berufungsverfahren: Wie üblich mussten die Bewerber zum gleichen Thema referieren. Zuerst redete ein männlicher Kandidat; inhaltlich war er katastrophal, aber er sprach im Brustton der Überzeugung. Die Unruhe im Raum nahm immer mehr zu, doch er fuhr unbeirrt fort und brachte erhobenen Hauptes seine unterirdische Leistung zu Ende. Direkt nach ihm war eine weibliche Bewerberin dran. Sie trat vor das Gremium und begann ihre Rede: kein mitreißender Vortrag, aber um Welten besser als ihr Vorgänger. Mit der Zeit sah sie immer mehr auf ihre Notizen, bis sie letztendlich nur noch ablas – völlig indiskutabel bei einem solchen Verfahren. Körber-Weik trat danach auf die Frau zu und forschte nach: Warum war sie zum Schluss der Rede so abgeknickt? Die Frau antwortete: Sie habe das Gefühl gehabt, ihre Rede komme nicht gut an im Publikum; das habe sie verunsichert.

Neben den Selbstzweifeln ist ein großes Problem, dass die meisten Frauen gar nichts von ihrer Eignung für eine FH-Professur wissen. Anders als an der Universität ist eine Habilitation keine Voraussetzung. Gefragt sind laut Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen (Bukof) eine Promotion und ein Doktortitel, dazu Berufserfahrung von in der Regel fünf Jahren, davon mindestens drei Jahre außerhalb der Hochschule.

Ein Knackpunkt ist auch: Vor allem in technischen Fächern fehlen häufig die Kandidatinnen für eine Professur. Denn: In technischen Studiengängen, auf die sich die meisten FHs fokussieren, muss man weibliche Studierende immer noch mit der Lupe suchen. Deswegen gibt es immer noch Stellenausschreibungen, bei denen sich keine einzige Frau bewirbt – weil sie schlicht eine andere Fachrichtung eingeschlagen haben. Hier hilft Querdenken und Anpassungsfähigkeit: Eine Kunsthistorikerin fand zum Beispiel durch ein Coaching zur Professur für Kulturmanagement.

Inzwischen haben die meisten Fachhochschulen erkannt, dass sie sich aktiv um Bewerberinnen bemühen müssen. Die FH Köln etwa nimmt am Mathilde-Planck-Mentoring teil, um Akademikerinnen zu informieren und zu vernetzen. „Die Infoabende bringen oft direkte Erfolge“, sagt Gabriele Drechsel, Gleichstellungsbeauftragte der FH Köln, „viele Frauen wissen nicht, wie attraktiv eine FH-Professur ist.“ Beispielsweise die Zusammenarbeit mit motivierten Studierenden.

Wenn die Weichen stimmen, ist der Weg zur erfolgreichen Bewerbung dann eigentlich ein kurzer: nur an ausgewählten Stellen bewerben, die zum eigenen Profil passen, sich am besten vorher mit der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschule kurzschließen – und hartnäckig bleiben, wenn es um einen Lehrauftrag geht.

Die Erfahrungen von vier Professorinnen an vier Fachhochschulen:

BARBARA BRANDSTETTER
Professorin für Wirtschaftsjournalismus an der Hochschule Neu-Ulm

Besser informieren

„Journalistin wollte ich seit meinem ersten Praktikum in den Medien werden. An eine Professur dachte ich damals nicht. Eine universitäre Laufbahn schlugen Leute ein, die sich mit Haut und Haaren der Wissenschaft verschrieben. Das wollte ich damals nicht. Ich arbeitete während meines Studiums für verschiedene Medien. Mich zog es nach den Jahren an der Alma Mater in die Praxis. Die Möglichkeit, in die Wissenschaft zurückzukehren, wollte ich mir mit der Promotion jedoch offen halten.
Dass Fachhochschulen keine universitären Eigengewächse, sondern Leute mit Praxiserfahrung suchen, erzählte mir eine Freundin bei einer Tasse Tee in Hamburg. Ich hatte ihr berichtet, dass ich an verschiedenen Journalistenschulen unterrichte und mit Volontären Tag für Tag eine Zeitung produziere. Und dass mir das Unterrichten und die Zusammenarbeit mit jungen Leuten großen Spaß bereiten, ebenso wie das Schreiben ausgeschlafener Aufsätze ohne täglichen Redaktionsschluss. 
An die Hochschule zu gehen, wurde nach Jahren in der Praxis somit wieder eine Option. Ich hatte angenommen, eine lange Liste an Publikationen und Konferenzvorträgen vorlegen oder habilitieren zu müssen, um diesen Schritt überhaupt in Erwägung ziehen zu können. Dass Fachhochschulen bei der Einstellung von Professoren einen derart starken Fokus auf Praxiserfahrung legen, war mir damals neu.
Mich reizten die Lehrtätigkeit, die Möglichkeit anwendungsorientiert zu forschen und der hohe Praxisbezug. Es folgten eine Handvoll Bewerbungen, Einladungen und schließlich die Entscheidung für die Professur für Wirtschaftsjournalismus an der Hochschule Neu-Ulm.
Es gibt heute Programme, die Frauen auf dem Weg in die Wissenschaft unterstützen. Viel wäre gewonnen, wenn mehr Leute im Arbeitsleben von den Möglichkeiten einer Karriere an einer Hochschule wüssten. Dann würden sich auch mehr Frauen auf die ausgeschriebenen Stellen bewerben.“

 

BRITTA KRUSE
Professorin für Geotechnik und Vermessungskunde, Vorsitzende des Akademischen Rats der HTW Berlin

Forschung und Lehre vereinen

„Nach dem Studium des Bauingenieurwesens an der Uni Hannover entschloss ich mich, zunächst in der freien Wirtschaft Erfahrungen zu sammeln. Fünf Jahre war ich als Projekt- und Gruppenleiterin in zwei Ingenieurgesellschaften in Braunschweig und Berlin beschäftigt. Schon im Rahmen dieser Tätigkeit hatte ich Gelegenheit, anwendungsorientiert zu forschen.

Mein großes Forschungsinteresse veranlasste mich, eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit der Möglichkeit zur Promotion an der TU Berlin anzutreten. Die mit der Stelle verbundene Lehrverpflichtung sah ich zum damaligen Zeitpunkt eher als ein notwendiges Übel. Nach einiger Zeit gefiel mir neben meiner Forschung aber gerade auch diese Herausforderung.

Der Entschluss reifte, nach der Promotion Lehre und Forschung in meiner zukünftigen Tätigkeit zu verbinden. Die Möglichkeit, beides frei und flexibel zu gestalten, war dabei besonders vielversprechend. Durch meinen Doktorvater Prof. Dr. Joachim Tiedemann erhielt ich vertiefte Einblicke in die Tätigkeit eines Professors. Über die konkreten Einstellungsvoraussetzungen hatte ich mich schon sehr frühzeitig im Berliner Hochschulgesetz informiert, sodass ich planmäßig Befähigungen ergänzen konnte.

Noch während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin erhielt ich das Angebot, einen Lehrauftrag an der HTW Berlin zu übernehmen. Trotz hoher Auslastung nahm ich diesen als Nebentätigkeit an, um meine pädagogische Befähigung zu verbessern. Nicht zuletzt hatte ich so die Möglichkeit, neben der Universität nun auch eine Fachhochschule kennenzulernen. Mich überzeugte die Anwendungsbezogenheit in Forschung und Lehre. Ich entschied mich, eine Professur an einer Fachhochschule anzustreben.
Meine erste Bewerbung, die nur zu einem dritten Listenplatz führte, sah ich als einen hilfreichen Trainingsdurchlauf. Als einige Zeit später an der HTW Berlin eine Professur ausgeschrieben wurde, konnte ich mich im Berufungsverfahren durchsetzen und wurde 2009 berufen.“


ANNEGRET FLOTHOW
Professorin für Gesundheitspsychologie und Gesundheitspädagogik an der HAW Hamburg

Befristete Stellen abschaffen

„Die Lehre hat mich schon immer begeistert. Schon als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum konnte ich am Lehrstuhl für Medizinische Psychologie erste Erfahrungen sammeln. Ich finde es spannend, wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis zu erproben und zu schauen, wie Prozesse optimiert werden können. Dabei kommt das Motto der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) „Wissen für´s Leben“ meinem Wunsch nach einem guten Theorie-Praxis-Transfer sehr entgegen.
An die HAW bin ich ganz klassisch durch eine Ausschreibung gekommen. Meine erste (halbe) Vertretungsprofessur hatte ich an der Hochschule Neubrandenburg, an der ich vorher mehrere Lehraufträge hatte. Dabei hatte ich meines Wissens keine aktive Unterstützung – es gab aber auch keinerlei Behinderungen!
Weil es kein Promotionsrecht gibt, haben wir an den Fachhochschulen weniger Chancen als an den Universitäten, wissenschaftlichen Nachwuchs gezielt aufzubauen und geeignete Kandidatinnen zu fördern. Darüber hinaus besteht – wie in jedem anderen anspruchsvollen Job – die Herausforderung darin, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.
Was ich mir wünsche, ist vor allem eine bessere Planbarkeit von wissenschaftlichen Karrieren, indem man die befristeten Stellen abschafft. Wer eine Promotion anstrebt, sollte auch sicher sein können, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Während der Promotionszeit ist es ratsam, sich von einer Mentorin beziehungsweise einem Coach begleiten zu lassen. Darüber hinaus ist es sicher sinnvoll, sich mit anderen Promovendinnen, auch aus unterschiedlichen Fakultäten, zu vernetzen.
Frauen sollten sich aus meiner Sicht mehr in die Gremienarbeit einbringen und Funktionen in Schlüsselpositionen, beispielsweise als Departmentsleitung übernehmen. An der HAW haben wir mit einer Präsidentin und einer Vizepräsidentin gute Vorbilder.“

 

SUSANNE KEIL
Professorin für Journalistik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Unterstützung ist wichtig

„Auf den ersten Blick könnte man meinen, ich sei allein aus eigener Kraft und ohne institutionelle oder individuelle Unterstützung Professorin geworden: Nach über zehn Jahren Praxis als Journalistin habe ich ab 2011 zielgerichtet Lehraufträge an Fachhochschulen übernommen. Ich habe Suchprofile bei verschiedenen akademischen Stellenbörsen angelegt und ein Bewerbungstraining beim Hochschullehrerbund absolviert. Direkt bei meiner ersten Bewerbung auf eine Professur bin ich zu einer Probevorlesung eingeladen und 2013 schließlich berufen worden. Das sieht erst einmal nicht so aus, als hätte man mir unter die Arme greifen müssen.
Doch ohne meine Vorgeschichte wäre das bestimmt nicht so glatt gelaufen: Von 1993 bis 1997 habe ich im Rahmen des ersten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten sozialwissenschaftlichen Graduiertenkollegs zur Geschlechterforschung promoviert. Dank des Engagements seiner Initiatorinnen, den Professorinnen Dr. Sigrid Metz-Göckel und Dr. Ursula Müller, bin ich in einem Kreis von Frauen auf eine wissenschaftliche Karriere vorbereitet worden. Dabei war nicht nur der Austausch von Bedeutung, wichtig waren auch die Vorbilder, die wir in den betreuenden Professorinnen hatten.
Die Lehraufträge sind mir von Professorinnen vermittelt worden. Hier habe ich eine Art Mentoring erlebt. Die Stellenausschreibung für meine aktuelle Professur hat nicht eins der angelegten Suchprofile ausgespuckt. Sie war der Hinweis eines Journalistinnen-Netzwerks. Und dass ich auf diese Professur berufen worden bin – wer weiß? Vielleicht hatte ich da auch eine Fürsprecherin. Tatsache ist, dass der Fachbereich Elektrotechnik, Maschinenbau und Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg einen für diese Fächerkombination hohen Professorinnen-Anteil hat und zudem meinem Interesse an Genderforschung sehr offen gegenübersteht.
Also: Unterstützung ist wichtig – durch Institutionen, Mentorinnen und Netzwerke. Es kann allerdings sein, dass die unterstützende Institution die Früchte dann nicht selbst erntet. Aber das sollte ja egal sein.“

Link-Tipps

Link-Tipps

Analyse der beruflichen Motivation von Akademikerinnen bezüglich einer FH-Professur in einer Studie der Hochschule Bochum:
Studie zum Download:  http://tinyurl.com/ornbdz2

Das Mathilde-Planck-Mentoringprogramm hilft Frauen auf dem Weg zur Professur an Fachhochschulen:
Internet: www.lakof-bw.de

Infoabende, Workshops und Seminare im Jahresprogramm der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg und der Dualen Hochschule Baden-Würt-temberg (Lakof BW):
Programm zum Download:  http://tinyurl.com/pstzpyo

Sieben Schritte auf dem Weg zur FH-Professur hat die Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen (Bukof) erarbeitet:
Handreichung zum Download:  www.bukof.de/index.php/Handreichungen.html

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