POLITIK & GESELLSCHAFT

FORSCHUNG & INNOVATION

STUDIUM & LEHRE

KOMMUNIKATION & TRANSPARENZ

ARBEIT & PSYCHOLOGIE

WISSENSCHAFT & MANAGEMENT

75 JAHRE DUZ

 Login

Die Personaler sammeln sich

Der Nachwuchs schaut sich sein Know-how schon bei erfahrenen Kollegen ab. Diese Maxime galt viele Jahre lang. Heute schätzen immer mehr Hochschulen die Vorteile strategischer Personalentwicklung. Im Januar hat ein neu gegründetes Netzwerk sein offizielles Auftakttreffen.  

Das Szenario dürften einige Nachwuchswissenschaftler kennen: Mit der Bewerbung auf eine Juniorprofessur sind sie weit gekommen. Die schriftlichen Unterlagen haben die Auswahlkommission überzeugt. Nun müssen sie noch im mündlichen Teil punkten, mit einem Vortrag zu ihrer Arbeit. In einem Interview sollen sie zudem erklären, wie sie sich selbst an der neuen Hochschule einbringen werden. Kein Ding der Unmöglichkeit. Fallstricke gibt es aber genug. Ein guter Rat im Vorhinein wäre also nicht schlecht. Doch woher kann er kommen?

Was der neue Arbeitgeber von den Kandidaten erwartet, wissen Menschen wie Mirjam Müller. Sie ist Referentin für Akademische Personalentwicklung an der Universität Konstanz. Und sie gibt dieses Wissen gern weiter. Auf Wunsch simuliert sie auch Auswahlgespräche mit den Bewerbern. Dieses Berufungscoaching ist der Abschluss eines längeren Prozesses, in dem junge Wissenschaftler vom siebenköpfigen Personalentwickler-Team der Hochschule geschult und begleitet werden: In Fragen der Rollenfindung, der Karriereplanung und Bewerbung und auch in scheinbar simp-len Arbeitstechniken wie dem Schreiben und Präsentieren oder gelungenem Zeitmanagement. „Früher dachte man, Qualifizierung passiert nur on the job“, sagt Mirjam Müller. „Der Nachwuchs schaut dem Professor über die Schulter. Das hat sich geändert. Inzwischen weiß man, dass es sinnvoll ist, den Leuten Werkzeuge an die Hand zu geben.“

Im Netzwerk Know-how austauschen

Deshalb setzt man im Wissenschaftsbetrieb zunehmend auf eine strategische Personalentwicklung. Rund 40 deutsche Hochschulen sind bereits in diesem Bereich aktiv, weitere sind dabei, entsprechende Strukturen aufzubauen. Damit der Austausch von Know-how besser funktioniert, wird es ab Januar ein neues bundesweites Netzwerk geben. Die Uni Konstanz und vier weitere Gründungsmitglieder (s. Kasten rechts) haben „UniNetzPE“ gemeinsam aufgebaut, weitere Hochschulen wollen sich beteiligen

Darunter ist auch die Universität Bremen. Hier nehmen rund 160 der 242 Professoren aktiv an Workshops und Führungskräfte-Coachings teil. Alle Neuberufenen werden gezielt mittels Coaching, Mentoring und Training in ihrer neuen Führungsrolle unterstützt. Ziel sei eine konstruktive, auf Kooperation und Förderung gerichtete Haltung zur alltäglichen Führungspraxis, die über die Jahre wachsen muss, sagt Dr. Martin Mehrtens, Kanzler der Universität und viele Jahre zuständig für die Personalentwicklung.
„Professoren haben kulturell gefühlt sehr hohe Freiheitsgrade“, sagt Mertens. Sie sehen sich in erster Linie als Forscher, nicht als Manager, sie haben formal keine Vorgesetzten und können als Beamte nicht sanktioniert werden. Deshalb muss Führung unter dem hohen Autonomieverständnis von Forschung und Lehre anders definiert werden als in einer Unternehmenshierarchie. Mehrtens Erfahrung nach sind Neueinsteiger, die in der Mehrzahl Erstberufene sind, aber dankbar für Orientierung und somit  konkrete Hilfe im Arbeitsalltag.

Strategische Personalentwicklung an Hochschulen hat viele Gesichter und Ansatzpunkte. Sie richtet sich an die Verwaltung ebenso wie an das wissenschaftliche Personal, sie bringt den Nachwuchs voran und professionalisiert die Führungskräfte, sie klärt den Bedarf der Mitarbeiter und deckt ihn mit Schulungs-, Beratungs- oder Coaching-Angeboten. Wichtig ist, dass alle Maßnahmen an einem zentralen Punkt zusammenlaufen und die Beteiligten ein strategisches Ziel vor Augen haben. „Personalentwicklung ist nur schlagkräftig, wenn sie durch die Hochschulleitung unterstützt wird“, sagt Mirjam Müller.

Davon sind die meisten Hochschulen aber noch weit entfernt. Die Verwaltung kümmert sich um Personalmanagement und Vertragsgestaltung, die Lehrstühle übernehmen das Recruiting, oft mit sehr unterschiedlichen Standards. Und ob die Beschäftigten für ihre Managementaufgaben in Forschung und Lehre gut gerüstet sind, spielt dabei oft gar keine Rolle. Strukturierte Perspektivengespräche mit den Mitarbeitern finden kaum statt. Dabei ist gerade der Nachwuchs auf dieses Feedback zur eigenen Arbeit und die Unterstützung bei der Karriereplanung angewiesen. Denn wissenschaftliche Mitarbeiter, denen diese Hilfe fehlt, verlieren oft ihr Ziel aus den Augen und kehren dem Wissenschaftssystem den Rücken.

Familie oder Karriere

Das gelte besonders für Frauen, die erfahrungsgemäß schneller an sich zweifelten, sagt Dr. Kathrin van Riesen, Gleichstellungsbeauftragte der Leuphana Universität Lüneburg und Sprecherin der Kommission Geschlechtergerechte Personalentwicklung der Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten (BUKOF). Frauen in der Wissenschaft gelten als strukturell benachteiligt. Denn langjährige Qualifizierungszeiten, hohe Anforderungen an nationale und internationale Mobilität und mangelnde Transparenz der Karrierewege lassen sich nicht mit einer Familienplanung vereinbaren. „Wenn Führungskräfte besser geschult sind“, sagt van Riesen, „können wir Frauen in ihren Stärken besser stärken.“

Es gibt also viel zu tun an den Hochschulen. Das Know-how dafür ist da. Die Universitäten bilden selbst genügend Sozialwissenschaftler oder Psychologen aus, die mit entsprechender Zusatzqualifikation Aufgaben in der Personalentwicklung übernehmen könnten, meint Mirjam Müller. Sie selbst war lange Zeit in der akademischen Nachwuchsförderung aktiv, hat unter anderem eine Dachgraduiertenschule mit aufgebaut und schließlich noch eine Coaching-Ausbildung absolviert. „Das Problem ist eher, ausreichend Stellen dafür zu schaffen“, sagt sie. Denn strategische Personalplanung sei erst einmal ein Kostenpunkt, den man rechtfertigen muss, gibt auch Martin Mehrtens zu. Nach zehn Jahren Engagement in diesem Bereich fährt die Universität Bremen jetzt die Ernte ein: Die mittlere Führungsebene in Verwaltung und Technik rekrutiert sie komplett aus den eigenen Reihen.

Doch das funktioniert nicht im akademischen Bereich. Denn hier bleibt der Nachwuchs in den seltensten Fällen im eigenen Haus, die Investition in seine Fortbildung lohnt sich also streng genommen nicht. „Wir müssen Personalentwicklung institutionsübergreifend betrachten“, sagt Kathrin van Riesen. „Wenn alle es tun, profitieren auch alle davon.“ Das gilt jedoch nicht für den Wissenschaftsbetrieb. Denn hier ist nur Platz für 20 Prozent der Promovierenden. Der Rest muss sich einen anderen Job suchen. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen und Orientierung zu bieten, ist deshalb genauso eine Aufgabe für Personalentwickler, meint Martin Mehrtens. Da eine solche Klärung von Rollen und Kompetenzen Jahre dauern kann, ist der Aufwand, der hier verpufft, nicht gerade gering.

Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit und damit natürlich auch die Frage nach der Finanzierung. Auf der anderen Seite geraten die Hochschulen zunehmend unter Druck, in diesem Bereich aktiv zu werden. Um den Arbeitsmarkt Forschung attraktiver zu machen, vergibt die Europäische Kommission das Zertifikat „HR Excellence in Research“. Es soll Forschern auf Jobsuche zur Orientierung dienen, könnte aber auch bei der Vergabe von Drittmitteln relevant werden, meint Mirjam Müller.
Auch bei der Nachfolge der Exzellenz-Initiative ab 2017 könnten Konzepte zur Personalentwicklung eine Rolle spielen. Um hier mithalten zu können, muss im Haus die entsprechende Expertise vorhanden sein. Und hier kommt wieder das bundesweite Netzwerk ins Spiel: Je sichtbarer nach außen die eigene Personalentwicklung ist, desto leichter ist es, Gleichgesinnte zu finden und von deren Best Practice zu profitieren.

Neues Netzwerk

Neues Netzwerk

Das bundesweite „Netzwerk für Personalentwicklung an Universitäten“ (UniNetzPE) hat sich Anfang Oktober 2014 gegründet. Eine offizielle Auftaktveranstaltung findet am 28. und 29. Januar 2015 statt. Bisherige Mitglieder sind Personalentwickler der Universitäten Konstanz, Mainz und Duisburg-Essen, der Technischen Universität Darmstadt sowie der RWTH Aachen. Ziel des Zusammenschlusses ist es, Expertenwissen auszutauschen, Qualitätsstandards zu schaffen und Personalentwicklung als wichtigen Teil der Hochschulentwicklung sichtbar zu machen. Mitglied werden können alle deutschen Universitäten, die über eine strategische Personalentwicklung verfügen.

Die Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten (Bukof) hat ein Positionspapier zur geschlechtergerechten Personalentwicklung erarbeitet.

Internet:
www.uninetzpe.de
www.bukof.de/tl_files/Veroeffentl/PP14_Karriereweg.pdf

Diese Cookie-Richtlinie wurde erstellt und aktualisiert von der Firma CookieFirst.com.

Login

Der Beitragsinhalt ist nur für Abonnenten zugänglich.
Bitte loggen Sie sich ein:
 

Logout

Möchten Sie sich abmelden?

Abo nicht ausreichend

Ihr Abonnement berechtigt Sie nur zum Aufrufen der folgenden Produkt-Inhalte: