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Frau Forscherin, wollen Sie zu uns?

Am 8. März ist Weltfrauentag. Der Tag ist die beste Gelegenheit, sich innerhalb der Hochschule mal wieder als Frauenförderer hervorzutun. Selbstverständlich nicht, ohne vorher die Betriebsanleitung für Zyniker gelesen zu haben.

Das Wichtigste vorweg: Natürlich betonen Sie öffentlich, dass Sie Frauenförderung ganz großschreiben. Sprechen Sie darüber, wie gern Sie sich für die Gleichstellung einsetzen. Beteiligen Sie sich am Mentoringprogramm der Gleichstellungsbeauftragten: Professor treffen sich mit Talenten zum Essen und geben Tipps. Natürlich nicht die echten, sondern wohlfeile Ratschläge. Wenn es mit der Stelle dann trotzdem nicht klappt, konnte die junge Dame eben einfach nicht überzeugen.

1. Augen auf bei der Bewerberauswahl!

Wenn Sie einen Posten ausschreiben, dann formulieren Sie die Anforderungen möglichst eng und genau. Vielleicht ungefähr so, wie es zu ihrem Lieblingsbewerber passt? Viele Frauen liegen dann mit ihrer Qualifikation leider haarscharf daneben. Wenn Sie trotz langen Suchens keine Frau für diese Stelle gefunden haben, können Sie dies natürlich erst spät mitteilen. Dass die Gleichstellungsbeauftragte, so vorhanden, dann keine Gelegenheit mehr hat, selbst noch mal zu suchen, ergibt sich unerfreulicherweise aus Ihrer Gewissenhaftigkeit.

Müssen Sie eine Frau zum Vorstellungsgespräch einladen, dann achten Sie auf ihr Auftreten. Ist es etwa zu bescheiden? Nicht, dass die Arme bei Ihnen im Betrieb untergeht. Plaudern Sie, um eine lockere Atmosphäre herzustellen, länger über Ihr Forschungsgebiet und die tollen Möglichkeiten, die man dort hat. Falls die Bewerberin so höflich ist, Sie nicht zu unterbrechen, um für sich Werbung zu machen, ist sie zu schüchtern für den Job.

2. Allgemeine Abwehr von weiblichen Führungskräften

Untersuchen Sie, ob die Bewerberin beim ersten Wind schon umfällt. Seien Sie aggressiv: „Warum um Himmels willen sollen wir Sie einstellen? Sie haben doch nichts zu bieten.“ So sieben Sie junge Talente ohne Sozialkompetenz aus. Tritt eine Frau anders auf, als Sie erwartet haben, nämlich forsch und selbstbewusst, müssen die Alarmglocken klingeln: Wollen Sie einen so schwierigen Charakter in der Gruppe haben? Frauen sind oft weniger konkurrenzbetont, stellen ihr Licht unter den Scheffel. Pech für sie. Loben Sie ihre Zurückhaltung. Was für eine angenehme Person! Die Stelle kriegt aber natürlich der, der sich am besten verkauft. Zeigt sie überdurchschnittliche Ambitionen? Also, die ist ja krank vor Ehrgeiz. Mit der gehen Sie nicht so gerne ein Bier trinken.

Ermutigen Sie die Kollegin ruhig, sich auf die Praxis zu stürzen, dass macht ihr ja ohnehin mehr Spaß: die Lehre, die ja so vernachlässigt wird. Die Klinik in der Medizin! Karriere macht man damit natürlich nicht. Aber wollte die Kollegin das überhaupt?

3. Der Nahkampf: Isolieren im Job

Haben Sie so einen Fremdkörper in Ihrem Team, dann müssen Sie vor allem die anderen Männer bei Laune halten: Loben Sie alle Leistungen ihrer männlichen Kollegen. Erwähnen Sie die der Frau nicht. Nicht, dass die sich was einbildet.
Eine Frau verhält sich oft anders als Männer. So werden Sie sicher bald zu dem Urteil kommen: Fachlich ist sie ja super, menschlich allerdings, „na ja, da muss man sie zu nehmen wissen“. „Spezieller Charakter“ tut’s auch. Teilen Sie das zur Vorsicht in maßgeblichen Runden mit.

Karrieren werden abends an der Bar gemacht. Wenn Frauen da etwas Besseres vorhaben, können Sie denen auch nicht helfen. Man muss auch mal ein längeres Gespräch über Fußball und Autos führen dürfen. Natürlich spricht man bei diesen Themen eher die Männer an. Aber schließlich wollen Sie sich nicht verbiegen, nur weil die Frau dabeisitzt. Ab einem gewissen Alkoholpegel können Sie den Humor der Frau testen. Natürlich werden da auch Herrenwitze gemacht. Ist eine Frau da humorlos, ist das natürlich ein Schwachpunkt.

Achten Sie immer auf den Testosteron-Überschuss.

Achten Sie immer auf den Testosteron-Überschuss im Büro: Sprüche und Witze, immer schön an der Frau vorbei. Nur weil die selbst auf den Mund gefallen ist, grollt sie jetzt? Also wirklich: so eine unsympathische Mimose. Wenn die Frau sich in ihrem Büro nicht so wohlfühlt – was soll man da machen? Bald bekommt sie Kinder, und danach werden ja ohnehin die Karten neu gemischt.

4. Der sichere Evergreen: Sie will Kinder

Hier können Sie der Welt schlicht ihren Lauf lassen, denn die Wissenschaft ist nun mal mit Kindern schwer vereinbar. Einige Incentives könnten Sie aber schon setzen: Frauen wollen Kinder. Raten Sie der betreffenden Kollegin dringend zu. Kinder sind der Sinn des Lebens. Sie würde die Entscheidung gegen Kinder später immer bereuen, einsam im Alter sein. Kinder als Karrierehindernis? Aber doch heute nicht mehr! Sichern Sie größtmögliche Unterstützung zu. Großes Präsent zur Geburt! Dass dann aber die Kitazeiten so gar nicht mit den Bürozeiten zusammenpassen, haben Sie natürlich vorher nicht geahnt. Früher gehen? Ja, was stellt die sich denn vor? Die Sitzungen auf 14 Uhr vorverlegen? Aber das macht ja den ganzen Arbeitstag kaputt. Weisen Sie die Kollegin öfter mal auf ihre Mutterpflichten hin. Ein Kind braucht seine Mutter. Da sollte man im Beruf schon mal zurückstecken. Über Nacht wegbleiben für eine Tagung, das ist ja gar nicht gut für den kindlichen Schlaf. Ihre eigene Frau kriegt das ja auch alles hin. Sie ist halt im Beruf kürzer getreten. Der Abgabetermin für das Paper kann nicht eingehalten werden? Weil das Kind krank ist? Das geht einfach nicht.

Zum Glück ist da doch der einsatzbereite Kollege, dem kann man mehr und verantwortungsvollere Aufgaben geben. Der junge Mann ist erstens jünger und hat zweitens seinen Doktor in Rekordzeit hingelegt. So muss das aussehen. Und dabei hat er auch Kinder! Um die kümmert sich halt seine Frau.

Inzwischen sind Sie ernsthaft besorgt: Warum sollte die Kollegin nicht mal eine Auszeit nehmen? Sie macht sich ja kaputt. Das kann man nicht mit ansehen. Sie verpasst ja die schönste Zeit mit den Kindern! Vor allem ist sie ja auf das Geld gar nicht angewiesen. Schließlich ist der Mann schon Professor und verdient genug. Soll sie doch lieber die Kinder genießen. Wenn der Mann sie dann später verlässt, ist sie natürlich schlecht abgesichert. Aber wer wird denn so pessimistisch sein? Ja, die Frauenbeauftragte hat das gesagt. Natürlich, die Miesepetra vom Dienst. Aber die geschätzte Kollegin steht ja wohl über solchen Kleinlichkeiten.

5. Scheiden tut weh! 

Leider fährt die Kollegin nicht mehr so oft auf Kongresse ins Ausland. Und so richtig viele Veröffentlichungen hat sie auch nicht vorzuweisen. Das ist natürlich schlecht für die Reputation. Die Kollegin ist unzuverlässiger geworden. Da kann man sie beim besten Willen nicht weiterempfehlen, wenn irgendwo eine Stelle frei wird. Da muss man die Kirche mal im Dorf lassen. Da Frauen ja auch nicht so mit ihren Arbeitsergebnissen prahlen, werden sie natürlich auch leicht übersehen: selbst schuld. Und so ist es kein Wunder, wenn die Forschungsgruppe umstrukturiert wird und ein Job wegfällt, es dann eher der der Frau ist. Die ist ja sowieso schon halb zu Hause. Falls Entlassungen anstehen: Treffen Sie eine faire Sozialauswahl. Den Mann, Vater einer vielköpfigen Familie in spe, müssen Sie halten. Die Frau, deren Mann doch sicher auch einen guten Job hat oder haben wird, dagegen nicht. Das wird ja wohl jeder verstehen.

Exitus: Berufsrückkehr

Sie kommt nach zwei Kindern zurück. Ja, aber in der Wissenschaft kann man da natürlich nichts mehr werden. Der Zug ist abgefahren. Aber natürlich helfen Sie gerne weiter: Im Sekretariat wird demnächst eine Stelle frei!

Diese Betriebsanleitung entstand auf Basis von Gesprächen mit: Roswitha Bocklage, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten; Heidi Degethoff de Campos, Gender Controllerin der Technischen Universität Berlin; Martine Herpers, Chefin der Beratungsfirma Erfolgsfaktor Frau; Marion Knaths, Inhaberin der Coachingfirma Sheboss; Monika Schulz-Strelow, Präsidentin von FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte e. V.), und Sybille Jung, Gleichstellungsbeauftragte der Universität Saarbrücken.

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