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Russlands Forschungs- und Bildungslandschaft soll international wettbewerbsfähig werden. Dazu will Präsident Putin jede fünfte Hochschule schließen. Weniger Universitäten sollen künftig mit mehr Geld bessere Leistungen bringen. Beobachter begrüßen die Pläne. Doch im System gibt es viele Baustellen.

Der russische Minister für Bildung und Forschung war im vergangenen Frühjahr noch nicht im Amt, da machte er schon Schlagzeilen. Die Zahl der jungen Menschen, die auf Staatskosten studieren, solle halbiert werden, ließ Dr. Dmitri Liwanow, verlauten. Zudem sei es an der Zeit, zu einem kostenpflichtigen Studium überzugehen. Ein halbes Jahr später war aus seinem Programm der unpopulärste Teil getilgt. Im September, zum russischen Schulanfang, veröffentlichte Liwanow gemeinsam mit Dr. Andrej Wolkow, dem Direktor der Management-Schule Skolkowo, seine Vision von Russlands Hochschulzukunft: Dort ist kein Wort mehr über die Zahl der Studienplätze auf Staatskosten zu finden. Dafür will Liwanow auf breiter Basis die Infrastruktur der bestehenden Hochschulen erneuern. Auf Anordnung von Präsident Wladimir Putin soll in den kommenden Jahren jede fünfte der insgesamt rund 660 staatlichen Hochschulen des Landes schließen. Die schwächeren Universitäten sollen fusionieren, ein „bedeutender Teil“ von ihnen soll nur noch bis zum Bachelor-Level lehren dürfen. Für die nächsten Jahre drängt Liwanow zudem auf eine Erneuerung des akademischen Personals – auch durch ausländische Professoren.

„Die Regierung erkennt, dass eine Reform dringend nötig ist.“

Das Wissenschafts- und Bildungssystem in Russland erlebt derzeit eine drastische Umwälzung. „Nachdem viele Wissenschaftler das Land in der postsowjetischen Zeit der 90er-Jahre verlassen haben, erkennt die Regierung seit einigen Jahren, dass eine Reform dringend nötig ist“, sagt Michael Schlicht, Ministerialrat beim Bonner Bundesbildungsministerium (BMBF) und Leiter des Referats Zusammenarbeit mit Russland. „Um international wieder wettbewerbsfähig zu werden, unternimmt die russische Führung derzeit beachtliche Anstrengungen“, fügt er hinzu. Neben der Restrukturierung der Hochschulen würden neue Forschungsprogramme aufgelegt, Hochschulkooperationen mit internationalen Partnern gesucht und die Gehälter der Dozenten und Forscher erhöht. Viele Beobachter halten diese Reformen für überfällig. Über den Weg, den die Regierung Putin dazu eingeschlagen hat, gehen die Meinungen jedoch auseinander.

Dass mit dem Physiker Liwanow, der auch Rektor des renommierten Moskauer Staatlichen Instituts für Stahl und Legierungen war, ein Forscher mit Praxis-Erfahrung den Posten des Bildungsministers übernommen hat, lässt bei Akademikern zunächst vorsichtigen Optimismus aufkommen. Jewgenij Knjasjew etwa, Direktor des Zentrums für Universitätsmanagement an der Higher- School of Economics (HSE), hofft vor allem auf eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Beamten und Akademikern. „Dieser Dialog“, sagt Knjasjew, „funktioniert schon seit vielen Jahren nicht mehr.“

Zu den Befürwortern der neuen Politik gehört Dr. Dirk Meissner. Er ist stellvertretender Leiter des Instituts für statistische Studien an der HSE und meint: Die Reformen setzten an der Wurzel des Übels an und würden das System von Grund auf neu aufstellen. So sei etwa die Schließung nicht leistungsfähiger Hochschulen eine wichtige Maßnahme. „Mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen kann sich der Staat also auf die besten Standorte und die Ausbildung der intellektuellen Elite konzentrieren“, sagt Meisner. Die Zentralisierung führe zu einheitlichen Standards.

Gekaufte Prüfungsergebnisse

Kritiker bewerten das anders. „Ich kenne viele Dozenten, die die zentralistische Vorgehensweise der Regierung Putin skeptisch sehen“, sagt Eduard Klein. Er promoviert gerade an der Forschungsstelle Osteuropa der Uni Bremen zu Korruption an russischen Hochschulen. „Es gibt die weitverbreitete Befürchtung, dass jetzt nicht nach Qualitätskriterien entschieden wird, sondern dass Putin-treue Personen und Einrichtungen gefördert werden“, erklärt Klein. Dennoch begrüßt er die Idee, dass die Hochschulen jetzt geprüft werden. „Korruption ist an ihnen weit verbreitet“, sagt der Promovend. „Nach Umfragen des Indem-Instituts, das sich mit Korruption beschäftigt, sind bis zu 50 Prozent der Studierenden davon betroffen.“ Sie würden Scheine oder Prüfungsergebnisse kaufen oder von den Dozenten dazu gedrängt werden. „Viele Lehrende verdienen immer noch unterdurchschnittlich und sind deshalb anfällig für solche Möglichkeiten“, sagt Klein. Mit Gehältern von einigen hundert Euro im Monat würde man eben den Boden für Korruption bereiten.

„Viele Dozenten müssen sich nach wie vor mit mehreren Jobs über Wasser halten.“

„Viele Dozenten müssen sich nach wie vor mit mehreren Jobs über Wasser halten. Ich kenne Fälle, in denen sie parallel an drei oder vier Hochschulen tätig sind“, erklärt Klein. Zudem habe das Bildungssystem ein grundlegendes Problem. Es fehle eine vernünftige Alternative zum Studium. „Rund 80 Prozent eines Schuljahrgangs studieren“, sagt Klein, „da gibt es so gut wie keine Selektion, und die Hochschulen nehmen jeden Bewerber, weil sich ihr Budget pro Student errechnet.“ Für eine qualitative Verbesserung des Bildungssystems brauche Russland eine grundlegendere Reform, bei der auch die Erfahrungen und Wünsche der Hochschulen stärker mit einbezogen würden und durch die das Ausbildungssystem insgesamt gestärkt würde.

Liwanows Vorgänger Andrej Fursenko hatte sich nach seinem Amtsantritt 2004 vor allem mit der Einführung eines einheitlichen Zentralabiturs abgemüht. Seit 2009 wird es nun landesweit abgelegt. Allerdings klagen Schüler, Lehrer und Professoren bis heute über dessen mangelnde Qualität. Die Hochschulen wundern sich insbesondere darüber, dass die Studenten in vielen Fällen hinter den Leistungen zurückbleiben, die sie laut ihrer Abiturergebnisse erbringen sollten. Manche Hochschulen, wie die Moskauer Lomonossow-Universität (MGU), versuchen deshalb, über Olympiaden und eigene Tests die besten Studenten herauszufiltern, sagt Professor Viktor Zadkov, stellvertretender Direktor des Department of Physics and International Laser Center an der MGU.

Die Arbeitsbedingungen für Dozenten würden allmählich wettbewerbsfähig, meint hingegen Dirk Meissner. „Sicherlich verdient man in der freien Wirtschaft noch deutlich besser“, sagt er, „doch in den vergangenen Jahren wussten viele Wissenschaftler nicht einmal, ob oder wann ihr Gehalt kommt.“ Das sei heute endlich anders. „Dozenten an Hochschulen haben heute sehr gute Arbeitsbedingungen“, betont Meissner. Das gelte gerade für ausländische Forscher, für die es oft Familienpakete gebe: „Da muss man sich dann nicht mehr um eine Wohnung, einen Schulplatz für die Kinder oder einen Job für den Partner kümmern“, sagt er. Zudem müssten sich Wissenschaftler nicht mit aufwändigen Verwaltungsaufgaben herumschlagen. „Dafür gibt es Mitarbeiter, die den Wissenschaftler entlasten“, sagt Meissner.

„Deutschland ist der wichtigste Forschungs- und Wissenschaftspartner für Russland.“

Gleichwohl könnten die deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen derzeit vor einer Renaissance stehen. „Deutschland ist der wichtigste Forschungs- und Wissenschaftspartner für Russland“, sagt der BMBF-Experte Michael Schlicht. „Wir haben beispielsweise mehr als 700 Hochschulkooperationen.“ Das Mitte 2012 ausgelaufene gemeinsame Wissenschaftsjahr habe diese Zusammenarbeit weiter beflügelt. „Das Wichtigste dabei war es, eine nachhaltige institutionelle Vernetzung unserer Systeme voranzutreiben“, sagt Schlicht. Davon profitierten die Partner in beiden Ländern. Im Bereich der Nanotechnologien, der optischen und Medizintechnologien oder der Energie-Effizienz seien wichtige Kooperationsschwerpunkte entstanden. „Auch in der Logistik gibt es großen Nachholbedarf in Russland“, sagt Schlicht. Der gesamte Bereich der marktangewandten Forschung sei derzeit im Aufbau und biete auch für deutsche Partner interessante Perspektiven.

Forschung auch an Hochschulen

Dass Russland bei seinen Reformen ambitioniert vorgeht, zeigt sich an vielen Stellen. So wurde zum Beispiel der staatlich finanzierten Russischen Akademie der Wissenschaften das exklusive Recht auf Forschung genommen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1724 war ausschließlich sie es, die Forschung betrieb. Dazu unterhielt sie ein über das ganze Land verteiltes Netz von Filialen und Forschungszentren mit 55.000 Forschern (2008). Bildung hingegen war Sache der Hochschulen. Doch ab 2006 wurden neun große, sogenannte föderale Universitäten gebildet, meist durch den Zusammenschluss regionaler Hochschulen. Mit deren Einführung sollen in den jeweiligen Regionen sogenannte Leuchtturm-Institutionen entstehen, die mit den beiden großen autonomen Universitäten in Moskau und St. Petersburg mithalten können. Sie sollen Studierende und Forscher aus der jeweiligen Region anziehen und Fachkräfte für die regionale Wirtschaft ausbilden.

Diese Universitäten erhalten großzügige zusätzliche Finanzierung aus dem föderalen Budget. Für die ersten fünf Jahre sind es etwa fünf Milliarden Rubel (125 Millionen Euro). Ihre Rektoren werden für diesen Zeitraum von Präsident Putin ernannt. In jeder der Universitäten studieren etwa 40.000 bis 50.000 Studenten, die Zahl der Lehrkräfte liegt bei etwa 3000.
Seit 2008 hat die Regierung darüber hinaus 29 Hochschulen ausgewählt, die neben der Lehrtätigkeit auch exzellente Forschung betreiben sollen. Sie heißen nationale Forschungsuniversitäten. Bis 2018 erhalten sie bis zu 1,8 Milliarden Rubel (45 Millionen Euro) aus dem staatlichen Budget. Allerdings müssen sie zusätzlich mindestens 20 Prozent der Förderung aus privaten Mitteln akquirieren. Die meisten dieser geförderten Hochschulen sind technisch und wirtschaftlich orientiert. Geistes- und Sozialwissenschaften sind kaum vertreten.

Inhaltlich besitzen diese auserwählten Universitäten größere Autonomie-Rechte: Sie können eigene Diplome vergeben und ihren Lehrbetrieb nach eigenen Curricula ausrichten. Im Unterschied zu den übrigen Institutionen sind sie nicht mehr dem Bildungsministerium unterstellt, sondern direkt aus dem föderalen Budget finanziert. Damit steigt auch das Gesamtbudget für Forschung und Wissenschaft. Bis 2015 sollen die Ausgaben für Forschung und Wissenschaft auf 1,8 Prozent (2012: 0,6 Prozent) des Bruttoinlandsprodukts steigen, in der weiteren Zukunft auf 2,5 Prozent.

Dr. Jörn Achterberg, der Leiter des Moskauer Büros der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), bewertet die vom Bildungsministerium angestoßenen Veränderungen positiv: Die Universitäten des Landes würden dazu motiviert, sich neben der Lehre mit Forschung zu beschäftigen. Bei der DFG mache sich das bemerkbar: „Immer mehr Förderungsanträge kommen nun von Universitäten, insbesondere aus den Regionen“, sagt Achterberg. Zudem würden von russischen Partnern immer weniger Förderungen von Einzelprojekten nachgefragt, stattdessen große, langfristige Projektfinanzierungen etwa von Sonderforschungsbereichen.

Erstsemesterzahlen sind rückläufig

Die demografische Entwicklung hingegen erschwert die Lage der Hochschulen: Die geburtenschwachen Jahrgänge aus den 1990er-Jahren beginnen derzeit ihr Studium. „Die Erstsemesterzahlen gehen jetzt kontinuierlich zurück“, sagt Eduard Klein aus Bremen, „damit steigt die Gefahr, dass die Hochschulen ihre Qualitätsstandards in ihrem Existenzkampf weiter herunterschrauben.“ Besonders betroffen seien die privaten Unis. „Eine umfassende Evaluation kann hier nur guttun“, meint Klein. BMBF-Experte Schlicht sieht in der demografischen Entwicklung auch Positives. „In Moskau gibt es kaum Arbeitslosigkeit, Fördergelder fließen auch in sogenannte Innovative Regionen“, sagt er. „Überall entstehen neue Chancen.“

Ein für Russland völlig neues Modell soll das Innovationszentrum Skolkowo bei Moskau werden. Ab 2014 entsteht hier eine Art russisches Silicon Valley. In den Jahren 2011 bis 2013 stellt der russische Staat 54,1 Milliarden Rubel (1,35 Milliarden Euro) für die Errichtung der Infrastruktur zur Verfügung. Die Forschungsprojekte selbst sollen in erster Linie von Großunternehmen wie Siemens, Microsoft oder Nokia finanziert werden. Herzstück wird das Skolkowo Institut für Technologie (SIT) sein, in dem in den Bereichen Informationstechnologie, Energieeffizienz, Biomedizin-Technologie, Nukleartechnik und Raumfahrt geforscht wird (duz Europa, 07/2010, S. 34f.).

Großes Aufsehen erregte auch das vom damaligen Staatspräsidenten Dmitri Medwedjew angestoßene Programm zur Anwerbung führender Wissenschaftler. In zwei Runden wurden 2010 und 2011 insgesamt 79 Stipendien über bis zu 150 Millionen Rubel (3,75 Millionen Euro) an herausragende Wissenschaftler vergeben. Vor allem sollten mit der großzügigen Finanzierung russische Forscher aus dem Ausland zurückgeholt werden. Das Programm fand im Ausland viel Beachtung. Neben ausgewanderten russischen Forschern erhielten auch eine Reihe von Amerikanern, Deutschen und Franzosen eine solche Förderung.

Insgesamt umfasste das Programm zwölf Milliarden Rubel (300 Millionen Euro), für die Jahre 2013 bis 2016 ist eine ähnliche Summe vorgesehen. Allerdings wird die maximale Summe der einzelnen Auszeichnungen auf 90 Millionen Rubel reduziert. Zudem müssen die Universitäten zusätzlich zum Preis mindestens 25 Prozent der Summe aus Drittmitteln akquirieren. Die Stipendien werden an Wissenschaftler vergeben, die im Zuge ihres Forschungsprojekts Labore an russischen Universitäten einrichten. Eine wichtige Bedingung ist, dass der Projektleiter mindestens vier Monate im Jahr vor Ort arbeitet.

In den 90er-Jahren hat Russland eine ganze Generation an Wissenschaftlern verloren.

Allerdings weist Dr. Gregor Berghorn, Leiter des Moskauer DAAD-Büros, auf ein Problem hin: „Die Finanzierung stimmt, die Ausstattung wird gekauft, die Gebäude gebaut. Aber wo sind die Köpfe?“ Durch den  Einbruch in den 90er-Jahren habe Russland eine ganze Forscher-Generation verloren, die wegen miserabler Wissenschaftsfinanzierung in die Wirtschaft abwanderte. Eine Rückkehr Russlands in die Spitzenforschung auf breiter Basis hält Berghorn erst in etwa zehn Jahren für möglich, wenn die Russen, die heute an die Universitäten kommen, in die Wissenschaft gehen. Der Moskauer Professor Zadkov sieht seine Studierenden bis heute massenhaft in die Wirtschaft gehen. „Die Studenten unseres Instituts stehen hoch im Kurs bei Banken, bei Software-Unternehmen und im Consulting-Bereich“, sagt er. Eine Uni-Karriere sei da für die meisten keine Alternative.

Diese Lücke spürt man auch bei der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH). Dr. Steffen Mehlich, Abteilungsleiter Förderung und Netzwerk, sieht die russische Wissenschaft vor einem gravierenden Qualitätsproblem: Nach einer Flut von Stipendiaten in den 90er-Jahren sank die Zahl der Bewerbungen aus Russland seit 2000 immer weiter. In den letzten Jahren steige zwar die Zahl der Bewerbungen für Forschungsstipendien wieder, gleichzeitig sinke aber die Zahl der Bewilligungen. Ein ähnliches Bild biete sich bei den Humboldt-Forschungspreisen. Auch Mehlich sieht Anzeichen für ein Umdenken in Russland: „Alumni der Stiftung, die heute etwa an den neu formierten föderalen Universitäten tätig sind, berichten von großen Budgets.“ Dass diese Budgets tatsächlich zur Förderung von Wissenschaftlern nach dem Exzellenzprinzip verwendet würden, sei jedoch nicht immer gewährleistet

Weniger Stipendiaten

Ein Leuchtturmprojekt der neuen deutsch-russischen Zusammenarbeit ist das German-Russian-Interdisciplinary Science Center (G-RISC) in St. Petersburg. Das Zentrum bündelt die Kompetenzen von rund 100 Arbeitsgruppen aus Physik, physikalischer Chemie, Geophysik und Mathematik aus 30 Institutionen beider Länder. Die 1,25 Millionen Euro Fördermittel für fünf Jahre vom DAAD und vom Auswärtigen Amt teilen sich seit 2010 die Freie Universität und die Staatliche Universität St. Petersburg. „Das G-RISC bietet völlig neue Möglichkeiten zur Begegnung für deutsche und russische Wissenschaftler“, sagt Dr. Gregor Berghorn. Neben dem Lehrbetrieb fördert das Zentrum vor allem einzelne, von jeweils einem russischen und einem deutschen Partner eingereichte Forschungsprojekte.

Wie einseitig der wissenschaftliche Austausch zwischen Russland und Deutschland allerdings weiterhin ist, zeigt eine Statistik des DAAD: 2009 waren 12,5 Prozent aller Wissenschaftler und Hochschullehrer in Deutschland aus Russland, weit mehr als US-Amerikaner oder Chinesen. Deutsche Wissenschaftler, die in Russland forschen, gibt es hingegen in überschaubarer Zahl. Abgesehen von den Megagrant-Trägern und Inhabern von DAAD-finanzierten Lehrstühlen soll es nur wenige geben.

Stark in den Naturwissenschaften

Viele Experten sind sich einig, dass Russlands Stärken auch in Zukunft in den traditionell starken Bereichen wie Mathematik, Informatik, Biologie, Chemie und Physik liegen werden. Somit liegen sie in Disziplinen, die mit den nationalen Prioriäten wie Kernforschung, Raumfahrtforschung und Nanotechnologien korrelieren. Die Geisteswissenschaften dagegen stehen etwa nach Meinung von DFG-Mann Jörn Achterberg vor einer Herausforderung: Bisher seien sie zu sehr national und zu wenig interdisziplinär ausgerichtet.

„In den kommenden Jahren wird sich der Reformprozess deutlich beschleunigen.“

Vom neuen Bildungsgesetz, das 2013 in Kraft treten und unter anderem die Einrichtung eines Online-Studiums ermöglichen soll, erwarten die Experten nicht allzu viel. Allerdings werde auf die Universitäten und Institute wohl mehr Verantwortung für die Finanzierung zukommen.
„In den kommenden Jahren wird sich der Reformprozess deutlich beschleunigen“, sagt Dirk Meissner von der HSE. „In den kommenden Jahren wird sich das System personell verjüngen.“ Damit werde es sich auch von innen heraus wandeln.

Zudem werde sich die Forschung stärker auf kommerzialisierbare Projekte ausrichten, meinen einige Experten. Ein Symbol dafür ist Skolkowo. „Wer sich selbst finanzieren soll, betreibt keine Grundlagenforschung mehr“, sagt Achterberg. Angesichts des traditionellen Problems der russischen Wissenschaftler, nämlich dem, dass sie groß darin sind, zu erfinden, aber schlecht darin, daraus ein Geschäft zu machen, sieht etwa Professor Zadkov die Entwicklung gelassen. Auch Knjasjew will nicht von einer Kommerzialisierung sprechen. Die Zahl der Ausgründungen sei heute noch äußerst gering, eine Bewegung hin zu mehr angewandter Wissenschaft bedeute alles andere als das Ende der Grundlagenforschung.

Kooperation in Zahlen

  •  Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterhält sowohl bilaterale als auch multilaterale Projekte mit der russischen Föderation. Derzeit gibt es 19 laufende Verbundprojekte mit Beteiligung deutscher und russischer Partner im Rahmen der Fachprogramme.
  •  Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ermöglichte im Jahr 2011 insgesamt 1446 deutschen Studierenden, Graduierten, Wissenschaftlern und Hochschullehrern einen Aufenthalt in der Russischen Föderation. Im Vergleich dazu studierten, forschten und lehrten 3682 Russen in Deutschland. Derzeit ist der DAAD mit einer Außenstelle in Moskau und Informationszentren in Sankt Petersburg sowie Nowosibirsk vertreten. Er fördert aktuell 34 Lektorate in Russland.
  •  Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert insgesamt rund 300 deutsch-russische / russisch-deutsche Kooperationen. Knapp 100 davon sind in Russland angesiedelt. Darüber hinaus werden zwei Mercator-Gastprofessuren finanziert. Auch Forschungseinrichtungen wie die Helmholtz-Gemeinschaft, die Leibniz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft und Unis unterhalten Kooperationen mit russischen Partnern.
  •  Die Zahl der Stipendiaten der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) aus Russland ist in den vergangenen 20 Jahren stark gesunken. 1992 stellten noch 321 russische Forscher einen Antrag für ein Humboldt-Stipendium, 84 davon wurden bewilligt. 2011 bewarben sich nur noch 59 Wissenschaftler für einen Forschungsaufenthalt in Deutschland. Angenommen wurden nur noch zehn von ihnen.
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