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Ritterspiele unter Rektoren

Seit Horst Hippler Präsident der Hochschulrektorenkonferenz ist, knirscht es gewaltig im Lobby-Verband der Universitäten und Fachhochschulen. Denn Konsens ist seine Sache nicht. Manche Rektoren bezeichnen mit heruntergelassenem Visier seine Wahl bereits als Fehler.

Schon der Auftakt war holprig. Als bei der Mitgliederversammlung der HRK Ende April in Hamburg die Wahl des Präsidenten anstand, beantragte Münsters Uni-Rektorin Prof. Dr. Ursula Nelles kurzerhand den Ausschluss der Gäste. Dafür fand sie auch eine Mehrheit. Die Rektoren wollten bei der konfliktträchtigen Personaldebatte lieber unter sich sein – und brüskierten damit die angereisten Vertreter anderer Wissenschaftsorganisationen. Die Generalsekretärin der Deutschen Forschungsgemeinschaft Dorothee Dzwonnek wurde genauso vor die Tür komplimentiert wie etwa ihre Kollegen Thomas May, Generalsekretär des Wissenschaftsrats, der Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung Prof. Dr. Frank Ziegele und etliche andere. Ein Affront, auf den die Rausgeschmissenen drei Tage später mit einem scharf formulierten Brief reagierten: „Transparenz und Kooperation sind entscheidende Bestandteile einer erfolgreichen Wissenschaftspolitik“, mahnten sie darin, „wir wünschen uns von der HRK ein klares Signal, wie Sie in Zukunft mit der Teilnahme von Gästen an der Mitgliederversammlung umgehen wollen. Bis dahin würden wir auf eine weitere Teilnahme an HRK-Veranstaltungen verzichten“, auch wenn weiterhin Gesprächsbereitschaft bestehe.

Umgangsformen sind fragwürdig

Die Gäste reisten düpiert wieder ab, die HRK wählte Prof. Dr. Horst Hippler zum neuen Präsidenten. Nicht wenige Rektoren sagen mittlerweile: Die fragwürdigen Umgangsformen hätten seitdem noch zugenommen. Hipplers kritische Positionierung zum Bologna-Prozess, seine Gedankenspiele zu unterschiedlichen Ligen im Hochschulsystem und zur Aufstiegsmöglichkeit von Fachhochschulen auf die Uni-Ebene, aber auch der Vorwurf fehlender Präsenz in der Bonner HRK-Zentrale haben dem Amtsinhaber viel Kritik eingebracht. „Eine Universität muss mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung. Das tut sie mit dem Bachelor nicht“, hatte Hippler in der Süddeutschen Zeitung erklärt und kurz darauf im Journal des Deutschen Studentenwerks nachgelegt: „Wenn es sich dahin entwickeln sollte, dass wir die Hochschulen in reine Berufsausbildungsstätten verwandeln, dann machen wir alles falsch.“ Ein deutlich anderer Tonfall, als ihn zuvor die HRK und vor allem die vorherige Präsidentin Prof. Dr. Margret Wintermantel angeschlagen hatte.

Mit seinen forschen Wortmeldungen stieß Hippler – erwartungsgemäß – auf Gegenwind. Zwar nehme der neue Präsident für sich in Anspruch, für alle deutschen Hochschulen zu sprechen, doch die Hippler-Positionen seien „nicht das Ergebnis einer HRK-internen Diskussion“, kritisierte etwa der Gießener Uni-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee und warf Hippler „unzulässige Verkürzung“ vor. Prof. Dr. Micha Teuscher, Rektor der Hochschule Neubrandenburg und als Sprecher der Fachhochschulen (FH) Mitglied im HRK-Vorstand, beklagte, der neue HRK-Chef trete „erkennbar als Präsident der Universitäten auf und nicht für die Interessen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ein“.

Und sogar Bundesbildungsministerin Dr. Annette Schavan feuerte eine Breitseite: Sie sei nicht der Meinung, „dass die Ansicht von Herrn Hippler die der Hochschulrektoren ist“, erklärte sie zur Bologna-Kritik des Präsidenten. Der gibt sich angesichts des heftigen Gegenwinds unbeeindruckt: „Ich sehe nicht, dass ich irgend etwas falsch gemacht habe“, erklärt Horst Hippler, „ich habe eine Schärfung der Positionen versprochen – und genau daran arbeite ich gerade.“ Die Tatsache, dass heftig debattiert werde, zeige schließlich genau die Notwendigkeit der aktuellen Diskussion. Ob er je an Rücktritt gedacht habe? Nein, sagt der frühere Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und lacht kurz: „Nie.“

Offiziell will niemand reden

Ende November stärkten ihm die Mitglieder den Rücken. Hippler wurde nicht abgewählt. Ob das auch bedeutet, dass die Stimmung unter den Rektoren besser geworden ist, bleibt abzuwarten. Wer sie ausleuchten will, hat es nicht leicht, Gesprächspartner zu finden. Sich offiziell zitieren lassen will niemand. Stattdessen wird geraunt und gemunkelt, es gibt Gespräche am Rande von Konferenzen und in Restaurant-Nebenzimmern, Kontakte per Telefon und sogar über anonymisierte E-Mail-Adressen, die eigens eingerichtet und später wieder gelöscht werden. Vertraulichkeit ist oberstes Gebot, das Visier bleibt erst einmal unten.

Der Chef einer großen ostdeutschen Universität etwa hält die Präsidentenwahl vom April „im Nachhinein für einen großen Fehler“. Er habe damals zwar mit der Mehrheit gestimmt, doch käme es auf der Mitgliederversammlung zu einer Abwahlinitiative, „dann wäre ich sofort dabei“. Ein anderer Rektor sagt: „Es gab mit dem früheren Duisburger Rektor Prof. Dr. Lothar Zechlin einen besseren Kandidaten – nur haftete ihm leider der Makel an, ein vor allem von den Fachhochschulen unterstützter Kandidat zu sein.“ Die Mehrheit der großen Unis habe deshalb lieber Hippler gewählt, „wohl in der Hoffnung, dass etwas von seinem Exzellenzhintergrund aus Karlsruhe automatisch auch auf die HRK abfärbt“.

„Wenn wir diesen Basta-Stil der letzten Monate weiter pflegen, dann rauscht die HRK in den Abgrund.“

Bemängelt wird auch, dass der neue Präsident intern gesagt habe, er habe „genug von der Konsens-Soße“ – das sei „ein unnötiges und unflätiges Nachtreten gegen den ausgleichenden Führungsstil der Kollegin Wintermantel“. Ein FH-Rektor sagt: „Wenn wir diesen Basta-Stil der letzten Monate weiter pflegen, dann rauscht die HRK in den Abgrund.“

Aber es gibt auch die anderen, die Befürworter des früheren KIT-Präsidenten. Auch sie wollen noch nicht aus der Deckung kommen, aber sie loben Hippler für seine Klarheit, für „erkennbare Positionen, an denen man sich reiben kann“. Mit Hippler, sagt ein süddeutscher Uni-Präsident, „hat es eine erkennbare und dringend notwendige Zäsur in der HRK“ gegeben. Die Aussagen zur Degradierung forschungsschwacher Universitäten zu FHs seien „etwas unglücklich“ gewesen, grundsätzlich aber müsse klar sein: „Die Aufgaben und Positionen der Hochschulen haben sich in den letzten 20 Jahren massiv ausdifferenziert, da kann man Einigkeit eigentlich kaum erwarten.“

Im Übrigen, sagt ein weiterer Hippler-Unterstützer, könne man ganz gelassen in die Mitgliederversammlung gehen: „Bei über 300 Hochschulen in Deutschland sind die Verlautbarungen einzelner Gruppen oder Rektoren mit Vorsicht zu genießen.“ Mindestens drei HRK-Vizepräsidenten müssen neu gewählt werden, „und dann werden wir ja sehen, welche Linie sich durchsetzt“. Das Vorschlagsrecht für diese Posten liegt bei Hippler. „Die Kandidaten werde ich fristgemäß mit der Einladung benennen“, erklärt der Präsident und zeigt Zuversicht: „Einen Riss in der HRK sehe ich nicht, es werden nur notwendige Diskussionen geführt.“

Dass es bei einigen Rektoren heftig rumort, zeigt auch der offene Brief, den die Landesrektorenkonferenz der NRW-Fachhochschulen wenige Tage nach der HRK-Präsidiumsklausur Ende September an den „sehr geehrten Herrn Kollegen Hippler“ verschickte. „Nicht akzeptabel“ sei dessen pauschale Kritik am Bologna-Prozess: „Ihre Beurteilung verkennt die Realität, entwertet die Arbeit der deutschen Hochschulen und verunsichert in unverantwortlicher Weise Studierende wie Arbeitgeber.“ Hippler habe die Konsenslinie der HRK längst verlassen. Trotz solcher Vorwürfe enthält der Brief keine Rücktrittsforderung – „noch nicht“, wie mehrere Beteiligte vertraulich betonen: „Wir werden ihn jetzt an seinen nächsten öffentlichen Äußerungen messen.“

Es geht nicht im Konsens

Doch Hippler wäre nicht Hippler, würde er in einer solchen Situation zurückrudern. Er kämpft mit offenem Visier: „Unis sind keine Fachhochschulen, und Fachhochschulen sind keine Universitäten“, sagt der Physikochemiker. Der Uni-Bachelor sei ein anderer als der FH-Bachelor – gleichwertig, aber nicht gleichartig. Und wer ihm die Aussage unterstelle, die FH-Ausbildung sei qualitativ schlechter als ein universitäres Studium, führe, bewusst oder unbewusst, ein Missverständnis herbei.

Klar ist: Als die HRK im April für den Mann aus Karlsruhe stimmte, kaufte sie keinesfalls die Katze im Sack. „Im Vorfeld der Wahl habe ich klar gesagt, dass wir den Diskurs über die Diversifizierung unserer Positionen führen müssen – und jetzt wird er geführt“, sagt Hippler. Auch seine Kritiker bestätigen, dass er deutlich gemacht habe, dass es ihm nicht um Konsens gehe. Mit anderen Worten: Die HRK hat sich für Hippler entschieden, sie hat Hippler bekommen – einen Mann, der für klare Positionen, argumentative Angriffslust und ein breites Kreuz bekannt ist.
Was sich nicht erfüllt hat, ist die offenkundige Hoffnung einiger, dass das Amt des HRK-Präsidenten den Neuen schon in seine Schranken weisen werde.

Ulla Burchardt

„Die HRK hat ein Strukturproblem“

Berlin Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) nennt sich selbst die Stimme der Hochschulen. Das mag sein, sagt die Vorsitzende des Forschungsausschusses im Bundestag, Ulla Burchardt (SPD), nur fehle ihr eben ein Ansprechpartner.


duz: Frau Burchardt, die Hochschulrektorenkonferenz hat den Anspruch, die „Stimme der Hochschulen“ in Deutschland zu sein. Wie klingt diese Stimme derzeit in Ihren Ohren?

Burchardt: Wenn überhaupt, dann sehr dünn. Von der HRK ist zu entscheidenden Fragen in letzter Zeit wenig bis gar nichts zu hören. Die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses, die neue Wettbewerbssituation durch das Wissenschaftsfreiheitsgesetz oder die Frage der Zulassungsverfahren mit dem ganzen Hin und Her rund um die Stiftung für Hochschulzulassung – das wären originäre HRK-Themen, doch da gibt es derzeit eine merkwürdige Sprachlosigkeit.

duz: Wie erklären Sie sich das? Hochschulthemen stehen doch eigentlich ganz oben auf der politischen Agenda.

Burchardt: Aus der größeren Autonomie der Hochschulen resultiert ja eine deutlich gestiegene Verantwortung: Sie haben jetzt weitreichende Entscheidungskompetenzen für Beschäftigte, Studierende und in Bezug auf gesellschaftliche Bedarfe. Ich glaube, die HRK hat diese politische Verantwortung, die man ihr in den letzten Jahren übertragen hat, noch nicht erkannt und umgesetzt. Nehmen Sie das Beispiel der Zulassungsverfahren: Im entscheidenden Gremium, dem Stiftungsrat, haben die Vertreter der Hochschulen die gleiche Entscheidungsmacht wie die Ministerien der Länder. Doch sie zeigen nach den vielen gescheiterten Anläufen beim dialogorientierten Serviceverfahren immer auf andere. Diese unendliche Geschichte geht zu Lasten der Studienplatzbewerber, die jetzt schon seit Jahren auf ein verlässliches Verfahren warten müssen. Aus Sicht der Politik brauchen wir ein berechenbares Gegenüber. Aber derzeit wissen wir im Fall der HRK häufig nicht, wer da eigentlich für wen spricht.

duz: Spielen Sie damit auf den neuen HRK-Präsidenten Prof. Dr. Horst Hippler an? Der hat ja in Sachen Bologna-Prozess wiederholt heftige Kritik an den Reformen geübt und damit die bisherige Position der HRK in Frage gestellt ...

Burchardt: Das ist kein Personalproblem und mir geht es auch nicht um die Person von Herrn Hippler. Die HRK hat ein grundsätzliches Strukturproblem: Es gibt dort starke Zentrifugalkräfte, die auseinanderstreben. Große Hochschulen haben andere Interessen als kleine, Universitäten andere als Fachhochschulen, Hochschulen im Westen andere als die im Osten. In vielen Politikfeldern haben längst die Landesrektorenkonferenzen den Hut auf. Derzeit wird einfach nur offenkundig, was schon länger unter dem Deckel köchelte: Die Interessen bei den Hochschulrektoren sind so heterogen, dass die HRK ganz dringend einen Prozess der Selbstklärung starten muss.

duz: Um was herauszufinden?

Burchardt: Was sie eigentlich will. Genauer: Was sie sein will. Wer den Anspruch erhebt, die Hochschulen als Ganzes zu vertreten, darf bei relevanten Fragen, wie wir sie derzeit diskutieren, nicht einfach ausfallen. Und er muss sich klarmachen: Die Hochschulen sind mehr als die Summe ihrer Rektoren. Die Bediensteten in allen Bereichen gehören genauso dazu wie die Studierenden. Das wird von der HRK derzeit aber überhaupt nicht abgebildet. Die „Stimme der Hochschulen“ ist seit geraumer Zeit ein vielstimmiger Chor – und auch nur ein Chor der oberen Etage.

Das Interview führte Armin Himmelrath.

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