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Professoren verdienen nicht genug

Die W-Besoldung, nach der die Professoren seit dem Jahr 2005 bezahlt werden, steht endgültig vor dem Stresstest. Mitte Februar entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Bezahlung junger Professoren zu niedrig und damit verfassungswidrig ist.

Es waren unschöne Beschreibungen, mit denen das Thema W-Besoldung zuletzt in der Presse bedacht wurde. Von „Professoren zweiter Klasse“, „Discount-Wissenschaftlern“ oder gar „Katheder-Prekariern“ war die Rede. Das Gehaltsmodell wurde als „Umverteilung zwischen Spitzenkräften und Fußvolk“ getadelt. Die Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts  (BVG) über die mögliche Grundgesetzwidrigkeit, nach der Klage eines Marburger Chemie-Professors, haben das Spezial-Thema schon im Oktober vergangenen Jahres in die Wahrnehmung der breiteren Öffentlichkeit gerückt. Nun also ist das Urteil der Karlsruher Richter gefällt: Die Bezahlung des Marburger Professors, der 2005 auf einer W-2 Professur mit einem Gehalt von monatlich 3890 Euro eingestellt wurde, widerspreche dem im Grundgesetz festgelegten Alimentationsprinzip, wonach Beamten lebenslang ein angemessener Lebensunterhalt gezahlt werden muss. 

Damit steht Hessen unter Handlungdruck."Die Landesregierung wird sorgfältig prüfen, wie unter strikter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Maßstäbe weiterhin eine leistungsbezogene Besoldung für Professoren gewährt werden kann“, erklärte die zuständige Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann, „bei der Neuordnung des Besoldungsrechts wird es für Hessen darum gehen, dass die Hochschulen im Wettbewerb um die klügsten Köpfe konkurrenzfähig bleiben. Ziel ist und bleibt, durch Leistungsanreize die Attraktivität einer wissenschaftlichen Karriere in Hessen zu stärken.“ 

Damit beginnt eine Grundsatzdebatte auf politscher Ebene von neuem, die im Tagesbetrieb der Hochschulen so recht nie aufgehört hatte. Seit Inkrafttreten der Reform im Jahr 2005 kommt das W-Prinzip, also niedrigeres Grundgehalt in Verknüpfung mit Leistungszulagen, zwar mehr und mehr zum Einsatz, eitel Sonnenschein herrschte jedoch nicht. Vor allem durch den seit einigen Jahren massiv spürbaren Generationenwechsel in der Professorenschaft muss die W-Besoldung derzeit einen echten Stresstest bestehen. Nach dem Urteil könnten mühsam unterdrücktes Unbehagen und schwelende Streitigkeiten zum Ausbruch kommen. Wird die Ehe zwischen Professoren und ihrem Besoldungsmodell noch haltbar sein? Für derlei Unkenrufe dürfte es zu früh sein. Feststeht, dass die Gegner der W-Besoldung einen Etappensieg errungen haben. Der Deutsche Hochschulverband (DHV) jedenfalls sieht sich durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in seiner Auffassung bestätigt, dass die von der damaligen Bundesministerin Bulmahn auf den Weg gebrachte Besoldungsreform "in großen Teilen verfassungswidrig" ist. "Das ist ein Meilenstein für die deutsche Wissenschaft," erklärte DHV-Präsident Prof. Dr. Bernhard Kempen.

Der Gesetzgeber hatte mit der Reform angeblich nur Gutes im Sinn. Den Professoren sollte nicht Geld weggenommen, sondern der Beruf sollte attraktiver und das gesamte System durch leistungsorientierte Besoldung wettbewerbsfähiger werden. Faktisch aber wurde mit der Reform das Grundgehalt durchschnittlich um 25 Prozent abgesenkt. Das hatte das BVG bei der Anhörung bereits kritisch gesehen. „Teils schmerzhafte Einschnitte“ erkannte das Gericht beim W-Grundgehalt und betonte, dass das Alimentationsprinzip – also die Pflicht des Dienstherrn, seinen Beamten einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewährleisten – ein „zentraler Bestandteil der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ sei. Auch wurden von der Richterbank Zweifel laut, ob eine offenbar angestrebte Ökonomisierung des Wissenschaftsbetriebes mit den Mitteln des Beamtenrechts umsetzbar sei.

Der Bonner Wissenschaftsjurist Professor Dr. Wolfgang Löwer, der den klagenden Hochschullehrer vertrat, argumentierte: „Die Grundvergütung – das ist die verfassungsrechtliche Zentralfrage – muss dem Alimentationsprinzip genügen und das ist bei 25 Prozent Absenkung nicht der Fall. Weil sie damit eine Besoldungshöhe erreicht, die unterhalb dessen liegt, was mit der Wertigkeit des Amtes verbunden ist.“ Damit, dass die Richter die Reform in Bausch und Bogen kippen würden, rechnete im Vorfeld kaum ein Beobachter. Dass aber Ungemach droht, war abzusehen und ließ sich nicht zuletzt an Aussagen derjenigen ablesen, die die Interessen der Professoren vertreten.  „Wir wollen nicht zurück zur C-Besoldung, ein flexibler Bestandteil ist schon sinnvoll. Wir halten die W-Besoldung in ihrer jetzigen Form aber nicht für vereinbar mit dem Grundgesetz“, erklärte Kempen im Vorfeld der Karlsruher Entscheidung. „Belastungen müssen wirklichkeitsnah abgebildet werden, das kann nur über einen Aufwuchs beim Grundgehalt funktionieren.“

„Diese Gehälter tragen den langen und steinigen Karrierewegen der Wissenschaftler nicht Rechnung.“

Auch der Deutsche Beamtenbund (dbb) war und ist der Ansicht, Leistungselemente könnten „die Motivation der Kollegen weiter fördern“. Diese müssten allerdings, so dbb-Bundesvorsitzender Peter Heesen, „natürlich on top gewährt werden“. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nannte die leistungsorientierte Besoldung gar einen „Irrweg“, weil sie keine Verbesserung der Qualität von Forschung und Lehre bringe. „Diese Gehälter tragen weder den hohen Anforderungen in Lehre und Forschung noch den langen und steinigen Karrierewegen der Wissenschaftler Rechnung“, sagte Tarifexpertin Ilse Schad. GEW und DHV fordern: W3-Stufe für alle. In ein ähnliches Horn stößt der Berufsverband der Fachhochschulprofessoren, der Hochschullehrerbund. Er moniert die sinkende Attraktivität des Berufes wegen des höheren Einkommens in der Wirtschaft. Zu sehen sei dies bei Ingenieuren: Während das durchschnittliche Jahresgehalt eines promovierten Ingenieurs mit etwa 81 000 Euro angegeben werden könne, liege ein W2-Professor an einer FH in Hessen bei gut 51.000 Euro. Nicht verwunderlich sei es daher, so der hlb, dass die Bewerberzahlen deutlich gesunken seien und in einer Vielzahl von Berufungsverfahren mehrere Ausschreibungen erforderlich seien.

Der wahre Stresstest zeigt sich jedoch bei den Zulagen für besondere Leistungen. Das hängt mit dem Generationenwechsel in der Professorenschaft zusammen. Die Zahl der W-Professoren steigt Jahr für Jahr. Beispiel Berlin: Seit Herbst 2006 wurden dort von den knapp 2800 Professuren 1056 neu besetzt. Sie alle kämpfen um Gehaltsboni. Doch den Hochschulen fehlt oft das Geld für jeden Antrag. Und die Art und Weise der Vergabe ist umstritten. „Das Modell braucht besser entwickelte verlässliche Zulagensysteme“, sagte Löwer im Vorfeld der Karlsruher Entscheidung. Sein Vorschlag: das Senioritätsprinzip aus der C-Besoldung als mögliche Zulage in die W-Besoldung zu übernehmen. Um solche Zulagen wird im Alltag zwischen Hochschulleitungen und Professoren verhandelt, was das Zeug hält. Der Aufwand steigt, je mehr W-Professoren kommen. Längst wird in großem Stil ab- und weggeworben (duzMAGAZIN 04/2010, S. 9ff.). Noch habe darunter der „innere Friede an den Hochschulen“ nicht gelitten, konstatiert Bernhard Kempen. Das sei vor allem der Mentalität seines Berufsstandes zu verdanken: „Wir wollen wissenschaftliche Überzeugungstäter und keine Professoren, die nur um des Geldes willen engagiert sind.“

Die Ausgabe 02/12 des duz MAGAZIN  hat den thematischen Schwerpunkt "Die Professoren und die W-Besoldung". Mehrere Beiträge widmen sich ausführlich den wichtigsten Fragen zum Leistungslohn und seinen Folgen.

Verdienen Professoren zu wenig? Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat eine Webumfrage zum Thema gestartet.

Artikel zuletzt aktualisiert am 14.02.2012

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