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„Plagiatskontrolle ist ein hartes Geschäft“

Kopieren und Einfügen ist für etliche Studenten und manche Doktoranden ein praktisches Mittel, um Zeit zu sparen. Es ist Aufgabe der Professoren, das zu verhindern. Doch anstatt jetzt mehr zu misstrauen, sollten sie besser betreuen, sagt der Münchener Rechtsprofessor Dr. Volker Rieble, Autor des Buches „Das Wissenschaftsplagiat“.

duz: Herr Rieble, in der Politik mag die Plagiatsaffäre Guttenberg erledigt sein. Die Frage nach dem Versagen der Wissenschaft ist jedoch nicht vom Tisch. Waren die Gutachter zu gutgläubig?

Rieble: Ich bin grundsätzlich gutgläubig. Und das mit gutem Grund. Denn ich möchte auf keinen Fall den redlichen Doktoranden mit einem Generalmisstrauen begegnen; das würde die Offenheit des wissenschaftlichen Gesprächs belasten. Ich will einen Vertrauensvorschuss geben, den Doktoranden als selbstständigen Wissenschaftler wahrnehmen. Dazu passt es nicht, dass ich die ganze Zeit denke, er könnte abgeschrieben haben. Das macht Promotionen kaputt. Besser als Misstrauen ist Betreuung.

duz: Wie sieht eine gute Betreuung aus?

Rieble: Das hängt sehr vom Doktoranden ab, etwa von seinen Fähigkeiten oder wie gut er selbstständig arbeiten kann. Da würde ich keine Vorgaben machen. Wenn ich mit einem Doktoranden in Kontakt bin, dann ist das sehr schwer, ein Plagiat abzugeben. Ich würde merken, wenn ein Kandidat über sein Thema nicht nachgedacht hat und nicht darüber sprechen kann.

duz: Die Vertrautheit zwischen Betreuer und Betreutem kann wohl eher bei internen Doktoranden wachsen. Wäre es sinnvoll, auf externe Doktoranden zu verzichten?

Rieble: Sicher nicht. Dann hätten wir nicht nur einen Inzuchtbetrieb. Wir müssten die Assistentenstellen achteln oder sechzehnteln. Gerade Frauen würde die Promotion und damit ein Gleichstellungsmerkmal erschwert, weil sie neben der Promotion vielfach noch arbeiten müssen. Außerdem gibt es Menschen, die aus intrinsischen und nicht aus Karrieregründen promovieren, und das sind gerade auch Externe. Wenn wir also in Deutschland tatsächlich mehr Bildung wollen, dann müssen wir diese Anstrengungen auch unterstützen.

duz: Würde die Betreuung verbessert, wenn die Zahl der Doktoranden pro Lehrstuhl reduziert oder ein besseres Anreizsystem etabliert würde, das die Qualität und nicht die Quantität der Promotionen belohnt?

Rieble: Ach wissen Sie, wer viele promoviert, hat auch viel Arbeit. Die eigene Kapazität setzt Grenzen. Ich habe im Jahr acht bis  zehn Arbeiten. Mehr könnte ich gar nicht lesen. Problematisch ist eher der Umstand, dass einige Großordinarien die Arbeiten nicht mehr selber lesen, sondern den Chefassistenten auch noch die Promotionskorrekturen machen lassen. Es gibt sogar Fälle, in denen promovierende Mitarbeiter gebeten werden, ihr Votum selber zu schreiben. Aber das sind keine Breitenphänomene. Man könnte allerdings verlangen, dass die Prüfer die Arbeit nicht nur unterschreiben, sondern mit ihrem Votum versichern, dass sie die Arbeit selbst korrigiert haben.

duz: Promovierende müssen versichern, dass sie ihre Arbeit selbst geschrieben haben. Trotzdem wird plagiiert. Brauchen wir neue Standards für Dissertationen?

Rieble: Nein. Wissenschaft ist ein Freiraum und zunächst auch ein Freiraum für Banalität. Die Freiheit hat natürlich ihre Grenzen dort, wo verbindliche Regeln verletzt werden. Aber da kann man mit neuen Ordnungsmaßnahmen oder einem größeren Verfahrensaufwand auch nichts erreichen.

duz: Vielleicht aber mit Plagiatssoftware. Warum wird sie für Promotionen und Habilitationen nicht regelmäßig eingesetzt?

Rieble: Weil es unsinnig wäre. Normalerweise wird nicht aus dem Netz, sondern von Doktor- oder Magisterarbeiten abgeschrieben, die meist als Buch und nicht online veröffentlicht sind. Da würde man nichts erreichen. Zu Guttenberg, der aus Zeitungen kopiert hat, ist da eine Ausnahme. Vor allem aber ist die Plagiatskontrolle ein sehr hartes Geschäft, weil Sie neben das vermeintliche Original die wahren Originale legen und schauen müssen, ob etwas hochkommt. Das systematisch zu machen, kann sich niemand leisten. Dafür hat kein Betreuer Zeit, und dafür wird er auch nicht bezahlt.

duz: Bei Studienarbeiten funktioniert die Plagiatssoftware.

Rieble: Studierende holen sich viel aus dem Internet und schreiben vor allem untereinander ab. Wenn etwa für eine Hausarbeit Lösungen kursieren, dann gibt es eine Binnen-Selbstähnlichkeit in der jeweiligen Gruppe. Wenn alle Arbeiten elektronisch vorliegen, können Sie innerhalb der Gruppe Selbstähnlichkeiten herausfinden.

duz: In der Wissenschaft wird längst auch online veröffentlicht.

Rieble: In den Naturwissenschaften sicher. Ich versuche ja ein Gespür dafür zu wecken, dass wir deutlich mehr Plagiatsprobleme bekommen, wenn wir wirklich auf eine Open-Access-Kultur umsteuern.

duz: Heißt das auch, dass im Internetzeitalter Kopieren und Plagiieren eine andere Bedeutung bekommen?

Rieble: Plagiieren könnte zumindest alltäglicher, selbstverständlicher werden. Trotzdem bleibt es inakzeptabel. Deshalb muss man von den Betreibern verlangen, dass sie ihre online vorgehaltenen Originale mit einer Plagiatssoftware schützen. Das fände ich angemessen. Schließlich multipliziert Open Access die Wirkungskraft des Abschreibens deutlich, weil auch die Plagiate online stehen. Wenn man eine neue Technik hat, muss man auf die Gefahren angemessen reagieren.

duz: Dieser Software würden Sie also vertrauen?

Rieble: Es gibt sie, aber sie soll noch nicht besonders gut sein, meint die Expertin Deborah Weber-Wulff. Ich rechne damit, dass irgendwann eine Software zum linguistischen Textvergleich in der Lage ist, Plagiate herauszufischen. Schwieriger wird es mit Übersetzungsplagiaten. Doch auch die kommen ans Tageslicht, wie jene Arbeit eines deutschen Habilitanden, der aus einem russischen Original abschrieb. Als das Original ins Englische übersetzt wurde, flog er auf. Wogegen man letztlich nichts machen kann, sind Ghostwriter, die nicht abschreiben. Da müssen wir bei der alten Methode bleiben: Man lässt es laufen und wenn es rauskommt, reißt man dem Delinquenten den Kopf ab. Das ist in der Kunst genau so.

duz: Das hört sich nach Rache an. Plädieren Sie für drastischere Sanktionen?

Rieble: Nein. Grundsätzlich funktioniert das Promotionswesen in Deutschland gut. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, aber ich denke, 95 Prozent der Arbeiten sind einwandfrei. Nicht alle sind toll, viele aber sind ein Fundus neuer Ideen, Anregungen, Experimente. Für Plagiierer ist die Öffentlichmachung Sanktion genug. Herr zu Guttenberg wird damit ausreichend bestraft. Andere kommen davon, weil die Unis den Skandal scheuen. Ich finde, wenn eine Universität einen Doktortitel öffentlich verleiht, dann soll sie auch den Entzug, wenn er dann rechtskräftig ist, öffentlich machen.

Info zum Buch: www.wissenschaftsplagiat.de

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