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Gefeiert wird in Blasewitz

Anfang März haben die Gutachter entschieden: Sieben neue Unis dürfen sich um das Exzellenz- Etikett bewerben. Die TU Dresden ist eine von ihnen. Sie könnte die erste Elite-Uni Ostdeutschlands werden. Die Hoffnung ist groß, aber auch der Berg an Arbeit.

Wenn die Technische Universität Dresden im Juni 2012 zur Exzellenz-Uni gekürt werden sollte, wird das wohl am Abend in einem Restaurant in Dresden-Blasewitz gefeiert. Aus Tradition. Rektor Prof. Dr. Hans Müller-Steinhagen, der selbst in dem schicken Villenviertel wohnt, lud bereits im September 2010 zum Essen an die Elbe, als nach nächtelangen Diskussionen das Konzept für die Bewerbung stand.

Bei Speis und Trank vernetzen

Als Anfang März die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Wissenschaftsrat die TU Dresden und sechs weitere Unis aufforderten, sich für das beste Zukunftskonzept zu bewerben, traf sich Müller-Steinhagen erneut mit seinen Kollegen aus der Hochschulleitung sowie mit Direktoren von Max-Planck-, Fraunhofer-, Leibniz- und Helmholtz-Instituten in Blasewitz, um den Erfolg zu feiern. „Wir werden dort bestimmt auch sitzen, wenn der Antrag am 1. September abgegeben ist“, sagt der Rektor.

Bei Speis und Trank vernetzt sich die Dresdner Wissenschaftsszene offenbar gern. „Interdisziplinäres Denken ist das Prinzip unserer Universität“, sagt Müller-Steinhagen. Das würde wohl jeder Rektor von seiner Hochschule behaupten. Aber „abgesehen von München kann kaum eine deutsche Stadt ein so dichtes Netz von außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Museen und Bibliotheken vorweisen wie Dresden“, sagt Müller-Steinhagen. Und deshalb zielt die Bewerbung für die Exzellenz-Uni in diese Richtung. „Dresden-Concept“ heißt das Projekt, an dem 14 Partner unter Federführung der TU arbeiten (www.dresden-concept.de).

Bis zum nächsten Essen sind es noch fünf Monate harter Arbeit. So ein Vollantrag ist kein Pappenstiel. Das wissen Wissenschaftler und Verwaltungsmitarbeiter der bestehenden neun Exzellenzunis. Über Monate haben sie geschuftet und mussten immer damit rechnen, dass sich der Aufwand nicht in Ruhm und Geld auszahlen könnte. Auch im Maschinenraum der Dresdner Uni steigt seit Anfang März die Betriebstemperatur. Angeworfen wurde der Motor allerdings schon im Oktober vergangenen Jahres. Seither feilen rund 100 Mitarbeiter in 15 Arbeitsgruppen (AG) an dem großen Antrag. Denn es geht um viele Millionen Euro. Der Druck ist groß. Maximal zwölf Elite-Unis kann es geben, muss es aber nicht. Und höchstens fünf der sieben neuen Kandidaten können in die Champions League aufsteigen.

Transparenz ist wichtigstes Ziel

Die AGs werden von Prorektoren und Dekanen geleitet und beschäftigen sich mit klassischen Themen der Profilierung einer Uni, nur eben auf Exzellenzniveau. Zum Beispiel mit Internationalisierung oder dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Vor allem aber geht es um eine effizientere und modernere Infrastruktur. Großes Ziel ist unter anderem, die inneruniversitären Prozesse effektiver zu machen und anzubinden an die außeruniversitären Einrichtungen. So sollen die 14 Fakultäten zu einer Handvoll Schools zusammengefasst werden.

Der Aufwand dafür ist enorm. Denn eines der wichtigsten Ziele in dem Prozess ist Transparenz. „Für die gesamte Universität soll ersichtlich sein, wer in den Arbeitsgruppen sitzt und was da besprochen wird“, sagt Prof. Dr. Gerhard Rödel, Prorektor für Forschung, der drei AGs leitet. Alle universitären Gruppen sind vertreten, auch die Studenten und außeruniversitären Partner. Letztere waren von Anfang an dabei. Bereits seit Herbst 2008 brütete eine Vierer-Gruppe am heimischen Esstisch von Prof. Dr. Wieland Huttner, Direktor des Max-Planck-Institutes (MPI) für Molekulare Zellbiologie und Genetik, nächtelang über dem Konzept. Später zog Müller-Steinhagen in die unmittelbare Nachbarschaft und hatte einen kurzen Heimweg. Die Idee: Alle Institute der vier außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Museen und Bibliotheken sollen mit der TU eng kooperieren. „Dresden“ im Arbeitstitel Dresden-Concept steht für „Dresden Research and Education Synergies for the Development of Excellence and Novelty“.

Das große Ziel ist, „Synergien zwischen der TU Dresden und ihren außeruniversitären Partnern zu entwickeln“, sagt Huttner, „viele verschiedene Juwelen werden Teil eines Ringes sein“. Bei dem großen Wir-Gefühl geht es im Arbeitsalltag vor allem um klare Governance-Strukturen, um die effektive Ausnutzung der wissenschaftlichen Infrastruktur in der Stadt, um gemeinsame Berufungen von Professoren, um Lehre und Doktorandenausbildung. Ein Drittel seiner Zeit investiert Huttner in die Ausarbeitung des Vollantrags. Er arbeitet in drei Arbeitsgruppen mit. Das bedeutet: ein bis zwei Treffen pro Woche. „Das Tempo ist sportlich“, sagt Gerhard Rödel. Bereits Ende März war die Null-Nummer des Vollantrags fertig. Nun werden die Ideen konkreter gefasst und zu Textbausteinen gegossen, die am Ende in den fertigen Antrag fließen. Die Leiter der Arbeitsgruppen besprechen regelmäßig die Zwischenstände.

„Das Tempo ist sportlich.“

Aber auch die Vision, die hinter dem Antrag steckt, ist sportlich. Zwar sind die meisten der bestehenden neun Exzellenzunis erfolgreich gewesen, weil sie mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen kooperierten und am Ende sogar, wie in Karlsruhe, fusionierten. Doch mit Instituten aller vier Forschungseinrichtungen zusammen anzutreten, ist ein großer Wurf. Für große Visionen allerdings ist Müller-Steinhagen bekannt. Als Leiter des Stuttgarter Institutes für Thermodynamik am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum legte er die wissenschaftlichen Grundlagen für das Projekt Desertec, mit dem Sonnen¬energie aus Nordafrika nach Europa transportiert werden soll. Nun setzt er regionale Meilensteine. Dafür steckt er gut ein Viertel seiner Arbeitszeit in den Exzellenzantrag, schätzt er. „Der Raum Dresden ist in einer fantastischen Situation“, sagt Prof. Dr. Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, der seit Anfang des Jahres das Forschungszentrum Rossendorf zu seinen Zentren zählt. Aus seiner Sicht lohnt es sich mitzumachen, weil „Helmholtz nur dann stark ist, wenn die Unis stark sind“.

Stark ist aber nur, wer auch effizient ist. Weil dies nicht allein Voraussetzung für den Sieg bei der Exzellenzinitiative ist, sondern über die Zukunftsfähigkeit der TU Dresden entscheidet, will die Uni ihre Verwaltungsstrukturen verschlanken. Dieser Prozess läuft parallel zur Exzellenz-Bewerbung und ist gleichzeitig mit ihr verzahnt. Denn ein wesentlicher Teil des Antrages ist die Modernisierung der Verwaltung. Um das alles zu beherrschen, wurde Ende letzten Jahres Barbara Uhlig als Prozessmanagerin von Siemens geholt. Dem Kanzler zugeordnet, koordiniert sie 200 TU-Mitarbeiter, die in 12 Arbeitsgruppen rund 350 Teilprozesse analysieren und neu entwickeln.

Verwaltung als Stütze für Forschung

Nun bringt sie ihre Erfahrungen als Unternehmensberaterin bei SAP und Siemens an der TU ein und baut eine neue Prozess- und IT-Landschaft auf. Zudem genießt sie es, in ihrer Heimatstadt nach Jahren der Vielfliegerei „abends in meinem Bett in meinem Haus zu landen“. Weniger stressig ist es nicht geworden. Das mag auch daran liegen, dass sie ihre Routine nicht eins zu eins von der Wirtschaft auf die Wissenschaft übertragen konnte. So erfordert der Wechsel von einer Männerarbeitswelt in eine Welt mit vielen Frauen „einen völlig anderen Arbeitsstil“, sagt sie. Aber auch die „Telko“, die Telefonkonferenz, musste sie als schnelles Abspracheinstrument erst bekannter machen, um Zeit zu sparen.

Die Vision der auf drei Jahre angelegten Reform „TU Do – TU Dresden optimieren“, ist, dass die Verwaltung nichts anderes tut, als Forschung, Lehre und Studium zu unterstützen. Da dies heute nicht mehr ohne Informationstechnik geht, ist das praktische Ziel, eine standardisierte campusübergreifende IT-Software einzuführen, die in der Verwaltung und an den Fakultäten gleichermaßen funktioniert. „Es gibt zu viele Insellösungen“, sagt Uhlig. Doch dafür müssen etliche Verwaltungsprozesse auf den Tisch, zum Beispiel: Studiengangsorganisation, Studierendenbetreuung, Lehrveranstaltungsmanagement, Drittmittel- und Forschungsprojekte, Wissenstransfer, Personal, Haushalt, Controlling. „Die Fakultäten sollen von zeitraubenden Verwaltungstätigkeiten entlastet werden, damit sie sich verstärkt ihren Hauptaufgaben in Forschung und Lehre widmen können“, sagt Uhlig. Zudem soll eine Technologieplattform die gemeinsame Nutzung von Geräten auf dem Campus erleichtern. Und die Wissenschaftler sollen bei der Organisation von Konferenzen mehr Unterstützung bekommen.

„Kommunikation hat einen solch hohen Stellenwert.“

Die an der Reform beteiligten Mitarbeiter entwickeln dafür neue Arbeitsabläufe. Und sie reden miteinander. „Kommunikation hat einen solch hohen Stellenwert“, sagt Uhlig. Sie verschickt regelmäßig Projekt-Neuigkeiten. Und bei Informationsveranstaltungen sollen Mitarbeiter, die nicht mitmachen, erleben, was sich verändern wird. Zum Beispiel, wie viel besser künftig ein Drittmittelprojekt abgewickelt wird. Den Stolz darüber, dass man selbst etwas verändern kann, sieht Uhlig den Leuten an. Gleichzeitig steigt deren Belastung. Denn das alles muss ohne Personalaufstockung klappen. Die Arbeit, die liegen bleibt, wird neu verteilt, denn die Projektarbeit erfolgt in der regulären Arbeitszeit. Damit sie merkt, ob die Stimmung kippt, führt Uhlig regelmäßig Einzelgespräche. Zudem hat sie auf Anraten der Unternehmensberatung Horvath & Partner zwei Changemanager ins Haus geholt, die dabei helfen, den Prozess zu moderieren.

Man wird sehen, ob die TU Dresden diese Reform meistert. Die Frage ist zunächst, ob sie damit auch Eliteuni wird. MPI-Direktor Wieland Huttner ist zuversichtlich, weil sie Standards setzen werde: „Sachsen sollte sich dieser Chance bewusst sein.“ Schafft es die TU Dresden nicht, würde Mitte Juni 2012 vielleicht nicht nur das festliche Essen in Blasewitz abgesagt. Dann „besteht die Gefahr, dass Dresden auch seine wissenschaftlichen Leistungsträger verliert“, warnt Huttner. Das schlüge schwer ins Kontor, zumal, wenn das Wissenschaftsministerium seine Pläne umsetzt und rund 1000 Stellen an den Landeshochschulen streicht. Doch wäre dies nur eine der üblichen Sparmaßnahmen, mit denen die Hochschulen seit Jahren gebeutelt werden. Was wiederum ein Grund ist, warum die Unis so viel Energie in die Exzellenzanträge stecken: Sie wollen zeigen, was sie wirklich können.

Prof. Dr. Wolfgang Ketterle

„Interessante Einblicke gewonnen“

Eine Expertenkommission hat die Antragsskizzen ausgewählt, die nun zu Vollanträgen ausgearbeitet werden sollen. Der in den USA arbeitende Physiker Wolfgang Ketterle war Mitglied der Kommission.

Berlin. Die Gemeinsame Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrates hat insgesamt 59 Projekte für die Endrunde bestimmt. Sie wurden aus 227 Bewerbungen ausgewählt.

duz: Herr Ketterle, wie viele Anträge haben Sie begutachtet?

Ketterle: Das waren cirka 200 Antragsskizzen. Insgesamt hat es drei Tage gedauert.

duz: Fiel Ihnen die Auswahl schwer?

Ketterle: In den meisten Fällen nicht. Aber es gibt immer einige Grenzbereiche. Da gab es auch längere Diskussionen.

duz: Was hat Ihnen die Teilnahme an der Kommissionsarbeit denn persönlich gebracht?

Ketterle: Diese Arbeit hat mir die Zufriedenheit gebracht, an einer wichtigen Initiative mitgearbeitet zu haben, die die Wissenschaft in Deutschland weiterbringt. Außerdem habe ich interessante Einblicke in die Forschungslandschaft gewonnen.

duz: Sie würden also wieder teilnehmen?

Ketterle: Aber ja, ich würde wieder teilnehmen. Es hat neben der vielen Arbeit auch Spaß gemacht.

duz: Wie wird die Initiative im Ausland wahrgenommen?

Ketterle: Sehr positiv. Viele Kollegen sind beeindruckt davon, wie Deutschland exzellente Wissenschaft vorantreiben will und sich auch für den Wettkampf der Ideen und der Universitäten stark macht.

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