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Exzellenz – aber bitte nachhaltig!

Die Exzellenzinitiative hilft Forschungseinrichtungen, begabten Nachwuchs zu rekrutieren. Alles prima? Mitnichten. Die aufgebauten Strukturen brauchen weitere Förderung, um konkurrenzfähig zu bleiben, ergab eine Studie des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ).

Die Exzellenzinitiative ist mit dem Ziel angetreten, „den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken, seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und Spitzen in Universitäts- und Wissenschaftsbereich sichtbarer zu machen“. Das besagt eine gemeinsame Pressemitteilung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrates vom 23. Juni 2005. Ihr zentrales Förderkriterium: die Qualität der beteiligten Wissenschaftler sowie des wissenschaftlichen Umfelds. Förderrelevant waren sowohl die an den Anträgen maßgeblich beteiligten Personen (Principal Investigators) als auch die Intentionen, Strategien und Erfolgsaussichten der Exzellenzeinrichtungen, hoch qualifiziertes wissenschaftliches Personal im In- und Ausland zu rekrutieren. Und zwar nicht nur als Professoren, sondern auch als Postdocs, Promovierende und Gastwissenschaftler.

In den Exzellenzeinrichtungen wurde deshalb das Rekrutierungsprozedere verändert: So wurden Berufungsverfahren zum Teil erheblich verkürzt, professioneller gestaltet und – zumindest für das deutsche Wissenschaftssystem – neue proaktive Rekrutierungsstrategien verfolgt; für die vorzugsweise ins Ausland ausgedehnte Doktorandenauswahl wurden an einigen Einrichtungen Assessment-Center-ähnliche Verfahren durchgeführt und zusätzliche Unterstützungsstrukturen etwa in der Kinderbetreuung und durch Dual-Career-Programme angeboten.

Bereits in der Startphase wurde ein nahezu alle Exzellenzeinrichtungen beschäftigendes Problem virulent: die Befristung der durchweg sehr ambitionierten Vorhaben, die zum einen die Rekrutierung des wissenschaftlichen Personals und zum anderen die Umsetzung der Projekte erschwert, die fast durchgängig einen längeren Zeitraum als fünf Jahre in Anspruch nehmen wird. Was nach Ablauf der Förderperiode mit den neu aufgebauten Strukturen geschieht, ist nach wie vor offen. Vor allem für die Exzellenzcluster mit ihrem erheblichen Fördervolumen ist aber der Aspekt Nachhaltigkeit von existenzieller Bedeutung.

Beim Umgang mit diesem Problem zeigen sich jetzt schon unterschiedliche Strategien beim Aufbau der Exzellenzcluster: als dauerhafte Einrichtung der Universität, die zwischen einem klassischen Institut und einer typischen universitären Querschnittseinrichtung zu verorten und mit infrastrukturellen Maßnahmen in Form von räumlicher Nähe auf Verstetigung orientiert ist. Oder sie sind als temporärer Forschungsverbund angelegt, der jedoch nicht zuletzt durch Berufungsentscheidungen zumindest auf die mittelfristige strategische Orientierung des Fachbereichs oder der Fakultät Einfluss nimmt

Rekrutierungserfolge und Rekrutierungsprobleme

Die Rekrutierung von Personal ist zentral während der Aufbauphase der Exzellenzeinrichtungen. Von den 4 000 Stellen und Stipendien, die mit dem Geld der Exzellenzinitiative geschaffen werden sollen, konnten bis April 2008 bereits 38 Prozent besetzt werden. Hiervon entfallen insgesamt zwei Drittel auf Doktoranden, 21 Prozent auf Postdocs und jeweils sechs Prozent auf Professoren und Predocs. Von den rekrutierten Personen sind 36 Prozent Frauen. Auffallend – aber nicht verwunderlich – ist, dass der prozentuale Anteil der Frauen von Promovierenden über Postdocs hin zu Professoren abnimmt. Ein positives Bild zeigt sich hinsichtlich der Rekrutierung aus dem Ausland: 24 Prozent der besetzten Stellen wurden an Wissenschaftler aus dem Ausland vergeben. In den Graduiertenschulen beträgt dieser Anteil bei den Doktoranden 28 Prozent und ist vergleichbar mit Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG).

„Was nach Ablauf der Förderperiode mit den neu aufgebauten Strukturen geschieht, ist nach wie vor offen.“

Den Principal Investigators der Cluster zufolge ließen sich für die ausgeschriebenen Stellen für Doktoranden, promovierte Nachwuchswissenschaftler und Professoren überwiegend Personen mit den gewünschten Profilen finden. Dies allerdings oft nur mit großen Anstrengungen. Es zeigten sich hier trotz günstiger Rahmenbedingungen – beispielsweise die Attraktivität großer interdisziplinärer Forschungscluster mit einer internationalen Ausstrahlung – auch Probleme, die symptomatisch für das deutsche Wissenschaftssystem sind. Neben dem Mangel an geeigneten Kandidaten (23,4 Prozent) geben die Principal Investigators ein nicht wettbewerbsfähiges Gehaltsniveau (16,4 Prozent) und die Befristung der ausgeschriebenen Stellen (14 Prozent) als zentrale Probleme bei der Rekrutierung an. Auf der Nachfrageseite wirkt sich die Konkurrenz zu anderen Exzellenzeinrichtungen, zu außeruniversitären Forschungsinstituten und – in Disziplinen wie den Ingenieurwissenschaften – auch zur Industrie aus. Dies betrifft zwar vor allem die ausgeschriebenen Professuren, aber auch die Postdocs, die das deutsche Wissenschaftssystem inzwischen als wichtige Statusgruppe wahrgenommen hat. „Verbargen“ sich vor einigen Jahren hinter dieser Bezeichnung wissenschaftliche Mitarbeiter oder Assistenten, ist die Konkurrenz um diese Schlüsselgruppe inzwischen groß aufgrund attraktiver Förderprogramme der DFG und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Ihr bisheriges Gehaltsniveau mit seiner eingeschränkten Flexibilität stellt sich – nicht zuletzt auf dem internationalen (Stellen-)Markt – als Rekrutierungshindernis heraus; selbst bei den Promotionsstipendien ist die Situation in einigen Exzellenzeinrichtungen kritisch.

Ein weiteres Problem ist die Befristung der Stellen. Sie bedeutet einen erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber konkurrierenden Einrichtungen. Befristete Stellen für die ausgeschriebenen Professuren sind nach Angaben der Befragten für ermittelte Wunschkandidaten nicht attraktiv und auch nicht durch die Exzellenzinitiative aufzuwerten. Hier wurden schnell Lösungsmöglichkeiten gefunden, etwa Tenure-Track-Optionen. In einigen Fällen war es dadurch erst möglich, in die USA abgewanderte Spitzenforscher zurückzuholen. Die im Rahmen der Exzellenzinitiative angebotenen Tenure-Track-Stellen bargen jedoch Konfliktpotenzial und erhöhten den Abstimmungsbedarf mit den beteiligten Fakultäten und der Hochschulleitung. Darüber hinaus bemühte man sich in den Exzellenzclustern um eine Weiterfinanzierung der Stellen durch die Hochschule beziehungsweise eine Anschlussfinanzierung durch die Einwerbung von Drittmitteln.

Heute schon versuchen die Einrichtungen, Mittel von anderen Stellen zu akquirieren, sei es von der Wirtschaft und/oder nationalen und internationalen Forschungsförderern. Es gibt erste Erfolge, doch müssen diese Bemühungen ausgebaut werden, denn „diese Art von Förderung wäre natürlich eine Basis, auf der dieses Netzwerk weiter funktionieren könnte“, sagt etwa der Sprecher eines Clusters. Trotz aller Probleme gibt es bei der Personalrekrutierung auch Erfolge, die den geförderten Einrichtungen erlauben, ihre ambitionierten Vorhaben durchzuführen. Fünf Jahre Förderperiode sind allerdings eine knapp bemessene Zeit, um neue Strukturen in den Hochschulen zu etablieren und hoch qualifizierte und international reputierte Wissenschaftler zu gewinnen – setzt man die üblichen Zeiträume von circa zwei Jahren für Berufungen dagegen. Zudem wird die Besetzung befristeter Stellen umso schwieriger, je näher das Ende des Förderzeitraums rückt. Und da die Graduiertenschulen und Exzellenzcluster nicht in der Anfangsphase die Besetzung sämtlicher beantragter Stellen planen, sondern über die Förderjahre verteilt, wird das Problem noch gravierender.

Katalysator Exzellenzinitiative?

All diese Probleme sind zwar für das deutsche Wissenschaftssystem und seine Politik nicht außergewöhnlich, verstärken aber den Druck, schnell flexible und innovative Lösungen zu finden, die längerfristig haltbar sind. Gerade die Befristungen von Stellen und die zunächst nicht vorgesehenen Tenure-Track-Optionen bereiten noch Kopfzerbrechen. Nach der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master geht es um die Frage, welche beruflichen Karriereperspektiven sich für Nachwuchswissenschaftler bieten, welche Wissenschaftssysteme anderer Länder hier vorbildlich sind und für welche Berufsrollen eigentlich ausgebildet wird. Die durch die Exzellenzinitiative ausgelösten neuen Initiativen sind hierbei sicherlich mit einzubeziehen und auszuwerten.

Zurzeit stehen die Vorzeichen in Richtung Fortführung der Exzellenzinitiative – ein positives Signal. Bei alledem sollte jedoch genau beobachtet werden, welche Markteintrittschancen in die „Welt der Exzellenz“ Newcomerprojekte haben, damit Verstetigung der bisher geförderten Exzellenzeinrichtungen nicht zum Ausschlusskriterium für neue Ideen, Initiativen und Projekte wird.

Die Studie im Internet: www.forschungsinfo.de/Publikationen/Download/working_paper_5_2008.pdf

Zu den Autorinnen

Dr. Dagmar Simon,
1954 geboren, promovierte Politikwissenschaftlerin,
ist die kommissarische Leiterin der Forschungsgruppe „Wissenschaftspolitik“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Sie ist an dem Projekt „Monitoring der Exzellenzinitiative“ des iFQ beteiligt.

Anne-Marie Scholz
studierte Sozialwissenschaft in Bochum. Seit Januar 2008 ist die 27-Jährige als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) in Bonn tätig und beschäftigt sich mit dem Monitoring der Exzellenzinitiative.

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