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Kaum sind Deutschlands neue Elite-Universitäten gekürt, stehen auch schon die Headhunter vor der Tür. Rektoren und Präsidenten dürfen sich auf Bleibeverhandlungen mit ihren Professoren einstellen. Doch das Exzellenz-Geld ist dafür tabu. Von diesem Problem können die „alten“ Elite-Unis ein Lied singen.

Der chinesische Amtskollege von Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan (CDU) wollte es genau wissen. Welche seien die besten Hochschulen Deutschlands, fragte er die Ministerin. Der Verweis auf die drei Elite-Universitäten konnte den Mann nicht befriedigen. „Kenn‘ ich schon, was sind die nächsten?“, antwortete er. Schließlich versprach Schavan, auch die Namen der sechs neuen Titelträger nach deren Kür umgehend nach Peking zu melden. „Ich will sie alle besuchen“, sagte ihr chinesischer Kollege, „ich will Kontakte.“ Bestärkt von solchen Begegnungen prophezeit Schavan den nun neun deutschen Elite-Universitäten glorreiche Zeiten. „Sie werden nun einen Ansturm der internationalen Wissenschaftswelt erleben“, verkündete sie bei einem Besuch an der frisch ausgezeichneten Universität Konstanz.

Headhunter ante portas

Doch für den Konstanzer Rektor Prof. Dr. Gerhart von Graevenitz dürfte – nachdem er das Glas mit dem Jubel-Sekt beiseite gestellt hat – bedeuten, dass möglicherweise harte Zeiten auf ihn zukommen werden. Er braucht nur zu den „alten“ Elite-Unis nach München und Karlsruhe herüberzuschauen. Die Chefs der beiden Münchner Universitäten haben nämlich im ersten Jahr nach dem Titelgewinn erfahren, dass die internationale Forschergemeinde nicht nur mit den Elite-Professoren in Deutschland sprechen und arbeiten will – sondern sie in vielen Fällen gleich abwirbt. Der Sprecher der Technischen Universität (TU) München, Dr. Ulrich Marsch, sagt: „Wir haben wesentlich mehr Rufe als vorher, das hat sich nachweisbar erhöht.“

Vor allem aus dem Ausland erreichten die Forscher verlockende Angebote. Internationale Headhunter haben die deutsche Exzellenz entdeckt. TU-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Herrmann soll nie zuvor so viele Bleibeverhandlungen geführt haben wie seit dem Erfolg im Oktober 2006. „Es ist furchterregend“, wird er zitiert. Prof. Dr. Bernd Huber, Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), berichtet von ständig neuen Verhandlungen mit Professoren. Im Frühjahr war für die LMU von 22 Rufabwendungsverfahren die Rede, an der TU von sieben. Inzwischen nennen die Universitäten keine Zahlen mehr. Für eine belastbare Statistik wäre es wohl noch zu früh, sagt Dr. Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes. Doch er hält die Berichte der Uni-Chefs für plausibel. Schon ein Jahr nach Kür der ersten Elite-Universitäten vitalisiere sich der Berufungsmarkt. „Da geht jetzt die Post ab“, sagt der Experte, dessen Verband in mehr als der Hälfte der Berufungsverfahren Bewerber begleitet. Dabei profitierten die Universitäten bei der Suche nach Personal ebenso vom neuen Glanzimage wie ihre Professoren, deren Marktwert steige.
Verlierer sind zunächst jene Unis, die in keiner der drei Förderlinien der Exzellenzinitiative Erfolg hatten. Für sie wird es schwerer, Top-Leute zu berufen. Einer der wichtigsten Gründe für den Hochschulwechsel eines Professors sei die Ausstattung, sagt Hartmer. „Da sind die Elite-Hochschulen in einer komforta¬bleren Lage.“ Der Wettbewerb hat sie wissenschaftlich aufgehübscht. Nebenbei ermöglicht der Titel Serviceangebote von der Kinderkrippe, über der Umzughilfe bis zur Job-Vermittlung für den Ehepartner des umworbenen Forschers. Der Chef der dritten Elite-Universität des Jahres 2006, der Karlsruher Rektor Prof. Dr. Horst Hippler, sagt, es sei wohl „etwas leichter geworden, jemanden zu kriegen“.

Das Elite-Geld hilft nicht

Doch allein das tolle Image einer Exzellenz-Universität werde umworbene Wissenschaftler kaum befriedigen, ist Hartmer sicher. Die Hochschulchefs werden tief in die Tasche greifen müssen. „Es wird schwerer, die Leute zu halten“, sagt der Experte, „es müssen erheblich höhere Gehälter gezahlt werden.“ Was Hartmer den umworbenen Pro¬fessoren als fro¬he Botschaft verkünden kann, ist für die stolzen Universitäten eine bittere Botschaft. Denn das frische Exzellenzgeld ist für Top-Zuschläge in Bleibeverhandlungen tabu. Rektor Hippler sagt: „Da ist nix drin.“ Anders als seine Münchner Kollegen will er bislang zwar nicht von außergewöhnlich vielen Bleibeverhandlungen sprechen. Doch auch Hippler erwartet in der internationalen Spitze einen schärferen Wettbewerb  und fordert, für diesen müsse die Politik den Hochschulen die Fesseln abnehmen.

„Wir haben wesentlich mehr Rufe als vorher, das hat sich nachweisbar erhöht.“

Die Kollegen an der ETH Zürich lächelten immer noch, sagt Hippler, wenn die deutsche Konkurrenz mit W-Besoldung und Vergaberahmen um die besten Köpfe buhle. „Da muss sich etwas tun. Es ist riesiger Bedarf da, nach der Elite-Initiative“, erklärt Hippler und fordert ein Verfahren, bei dem das Salär eines Professors aus verschiedenen Quellen stammen darf und etwa von Land, Stiftungen und Firmen gemeinsam gezahlt wird. Das heutige System sei zu starr, sagt der Rektor, „damit sind wir nicht wettbewerbsfähig.“ Eine Einschätzung, die Landespolitiker teilen. Baden-Württemberg steckt seit Mitte 2005 Geld aus Privatisierungserlösen in Spitzenberufungen. Über die Landesstiftung wurden seither für 26 Professuren 17 Millionen Euro gezahlt. Noch einmal 19 Millionen Euro liegen in der Kasse. Das Geld fließt zwar nicht in die Lohntüte der Forscher, aber die Unis können ihnen so teure Geräte oder Laborbauten spendieren.

„Es schimpfen auch andere über die Münchner: Die werben uns alle ab.“

Der Konstanzer Rektor von Graevenitz ist überzeugt, ohne das Programm hätte seine Universität kaum Spitzenforscher berufen und halten können – und den Elite-Titel nicht errungen. Selbst Rufe von zwei Max-Planck-Instituten wehrte die Universität zuvor ab. Von Graevenitz ahnt, dass es jetzt erst richtig losgeht – und kündigt an, sich erneut um die Hilfe des Landes zu bemühen. In Karlsruhe und München werben seine Kollegen für die Chance, die Gehälter der Top-Professoren kräftig in die Höhe schrauben zu dürfen. Der das Gehaltsgefüge zusammenhaltende Vergaberahmen gehöre reformiert, fordern sie. Unterstützt werden sie von der Landesregierung in München. Nina Reinfelder, Sprecherin im bayrischen Wissenschaftsministerium, sagt: „Damit die Hochschulen konkurrenzfähig sind und das Niveau der Berufungen nicht absinkt, müssen wir den Vergaberahmen erweitern und flexibilisieren – und zwar möglichst rasch.“ Das Gesetz zur Professorenbesoldung der früheren rot-grünen Bundesregierung müsse bei den  Grundgehältern wie dem Vergaberahmen korrigiert werden. „Zu dieser Frage sind wir in intensiven Gesprächen mit dem Finanzministerium“, sagt Reinfelder. Dessen Freude ist weniger groß: Der Vergaberahmen deckelt die Summe der Leistungsbezüge. Wird er erweitert, wird es teuer.

Die beiden Münchner Universitäten unterstützen die Initiative des Wissenschaftsministeriums. TU-Präsident Wolfgang Herrmann warnt: „Wir wollen unsere besten Köpfe nicht verlieren.“ Umgekehrt fürchten andere Hochschulen den Sog der deutschen Elite-Uni. Der Konstanzer Rektor von Graevenitz berichtet über Gespräche im Rektorenkreis: „Es schimpfen auch andere über die Münchner: Die werben uns alle ab.“

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