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Damit Karrieren planbar werden

Juniorprofessoren wollen die Hausberufung nach dem Tenure track-Modell. Ihre Karriere wäre dann planbarer. Und: Solche Professuren könnten schneller besetzt werden, weil sie nicht öffentlich ausgeschrieben werden müssten. Die ersten Bundesländer brechen mit einem deutschen Dogma: dem Hausberufungsverbot.

Patrick Hostert hat es geschafft. Der Juniorprofessor der Humboldt -Universität (HU) Berlin hat eine Lebenszeit-Professur in greifbarer Nähe. Hostert erhielt den Ruf auf die Professur für Geomatik – und zwar auch an der HU. Als er im September 2002 als Juniorprofessor am Geographischen Institut begann, wurde ihm nichts versprochen: Eine Dauerprofessur wurde ihm weder zugesagt noch in Aussicht gestellt; von einem Tenure track, also der Möglichkeit, bei guter Leistung auf eine Dauerprofessur berufen zu werden, war keine Rede. Er musste davon ausgehen, dass er sich im Anschluss an die Juniorprofessur woanders umsehen muss.

Inwiefern gilt das Verbot?

Doch dann wurde im Herbst 2004 die Professur am Geographischen Institut ausgeschrieben, er bewarb sich und setzte sich gegenüber den rund 50 Bewerbern durch. Damit ist Hostert ein Beispiel für eine Ausnahmeregelung beim so genannten Hausberufungsverbot. Doch: Inwiefern gilt überhaupt das Verbot? „Es gab nie ein Hausberufungsverbot und es wird nie ein solches Verbot geben können, solange Artikel 33 des Grundgesetzes gilt“, stellt Dr. Dirk Böhmann, Justiziar beim Deutschen Hochschulverband, klar. In Absatz zwei ist nämlich geregelt, dass jeder „Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte hat“. Aber die Hausberufung entspreche eben nicht „den wissenschaftlichen Usancen“, beschreibt Böhmann die hochschuleigenen Regeln und betont: „Es ist insoweit richtig, dass es kein Hausberufungsverbot im juristischen Sinne gibt, da sich der Beste oder die Beste für die Professur durchsetzen können muss.“

In der deutschen Hochschullandschaft wird das Hausberufungsverbot trotzdem eingehalten, auch bei den meisten Juniorprofessoren: Was nicht sein darf, das nicht sein kann. Dabei könnte eine Hausberufung nach dem US-amerikanischen Tenure track-Modell eine Menge Zeit sparen. Denn die Hochschule müsste dann eine Stelle nicht neu ausschreiben, sondern könnte – wenn sie den Besten ohnehin schon als Juniorprofessor im eigenen Haus hat – diesen nur mit einer externen Evaluation auf den Lehrstuhl setzen.

Doch Eigengewächse sind in Deutschland regelrecht verrufen. So brachte die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vergangenen November die „deutsche Tradition des Verbots der Hausberufung“ ins Spiel, als sie auf die von der EU-Kommission im März verabschiedete ‘Europäische Charta für Forscher’ und den ‘Kodex für die Einstellung von Forschern’ antwortete. Brüssel hatte darin gefordert, so genannte Laufbahnentwicklungsstrategien für Forscher an Hochschulen zu entwickeln. Das, so die HRK, sei gegen die Tradition. Denn: Schnell ist von Seilschaften und Vetternwirtschaft die Rede. Und wie vielen, fähigen Bewerbern wurde schon mit eben dieser Begründung der Ruf versagt? Das Verbot ist nicht ohne Grund Bestandteil der hochschulpolitischen Debatten – es wird gelebt. Trotzdem kommen Fälle wie bei Patrick Hostert in jedem Fach vor, besonders häufig in der Medizin.

Solch ein echtes Tabu scheint die Hausberufung also nicht mehr zu sein. Erste Steine aus der dicken Anti-Hausberufungs-Mauer brechen. So steigt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit ihrer neu aufgelegten, auf fünf Jahre befristeten Heisenberg-Professur in den Tenure track ein. Nach drei jahren positiv evaluierte Professoren sollen von der Hochschule auf eine Dauerstelle übernommen werden, „soweit dies landesrechtlich zulässig ist“, sagt die DFG. Das Tabu ist offenbar nicht mehr zeitgemäß. Vor allem, wenn es um den vermeidbaren Karriereknick erstklassiger Juniorprofessoren geht. Läuft deren Stelle aus, wäre die US-amerikanische Version der Hausberufung eine große Chance. Deshalb fordern nicht nur hier zu Lande Nachwuchsforscher den Tenure track für die Juniorprofessoren – wie etwa der an der TU Clausthal ansässige Verein „Juniorprofessur“ (duzMAGAZIN 08/2004, S. 28f.) –, sondern auch deutsche Nachwuchswissenschaftler, die in den USA leben. Einige von ihnen hatten Ende September vergangenen Jahres das Problem in einem offenen Brief angesprochen (duzMAGAZIN 10/2005, S. 9). Die Politiker reagierten (www.gsonet.org/shared/articles/OpenLetter/OffenerBrief.htm). Nordrhein-Westfalens (NRW) Wissenschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart warb daraufhin im Dezember damit, dass die Hochschulen seines Landes das „Hausberufungsverbot bereits geöffnet“ hätten und die Hochschulen Tenure track für Juniorprofessoren einrichten können. Bayerns Wissenschaftsminister Dr. Thomas Goppel reagierte als fester Stein in der alten Mauer. Er verwies auf die Regeln, die der Bund vorgegeben habe, wonach nur in Ausnahmefällen Tenure track möglich sei.

"Wir brauchen gerade für Juniorprofessoren Tenure track nach US-amerikanischem Vorbild.“

Schuld an dem vermeintlichen Verbot war das alte Hochschulrahmengesetz (HRG), an das sich die Länder zu halten hatten. Früher schrieb es eine Begründungspflicht für Hausberufungen vor. Nachdem es dort aber nicht mehr steht, ist diese Passage jetzt noch in vielen Landeshochschulgesetzen (LHG) nachzulesen. Nur ausnahmsweise sollen Bewerber der eigenen Hochschule bei der Berufung auf eine Professur berücksichtigt werden. Wenn zufälligerweise der Beste für die Stelle eben schon an der eigenen Hochschule arbeitet, soll er – ausnahmsweise – auch den Ruf erhalten. Aber vorher muss öffentlich ausgeschrieben werden. Doch dadurch zieht sich das Berufungsverfahren über mehrere Monate hin. Wenn zudem die Hochschule nicht in Bundesländern wie NRW oder Baden-Württemberg steht, wo die LHG den Hochschulen bei der Berufung Autonomie zugestehen (siehe S. 8ff.), dann kann es mit der Besetzung noch länger dauern. Mindestens bei Juniorprofessoren könnten sich die Hochschulen den Aufwand sparen. Wenn diese Stellen bereits öffentlich ausgeschrieben wurden, dann müssten sie nur als volle Professur verlängert werden.

Manche LHG erlauben das. Etwa in Berlin. Dort können Juniorprofessoren der eigenen Hochschule auf eine Dauerprofessur berufen werden, „wenn sie nach ihrer Promotion die Hochschule gewechselt hatten oder mindestens zwei Jahre außerhalb der berufenden Hochschule wissenschaftlich tätig waren“. Genau so ist es in NRW.

Einsatz für den Tenure track

Damit ist auch Patrick Hostert kein Eigengewächs der HU. Der 38-Jährige bringt auswärtige Erfahrungen mit. Studiert hat er in Bonn, Trier und Edinburgh. Sechs Jahre lang arbeitete er an der Uni Trier, bevor er an die HU ging. Heute setzt er sich dafür ein, dass künftig die Juniorprofessur mit Tenure track vergeben wird.

Unterstützung erfährt er durch den kommissarischen Präsidenten der HRK und Rektor der RWTH Aachen, Prof. Dr. Burkhard Rauhut: „Die deutsche Tradition des Hausberufungsverbots muss überdacht werden. Wir brauchen gerade für Juniorprofessoren mehr Tenure track nach US-amerikanischem Vorbild, weil wir sonst die besten Leute verlieren. Das heißt, es muss viel öfter als bisher möglich sein, Juniorprofessoren nur nach externer Evaluierung und ohne erneute öffentliche Ausschreibung in eine dauerhafte Professur zu übernehmen.“

Was das konkret bedeutet, zeigt der Fall Hostert. Der Nachwuchsforscher konnte nicht nur an der HU einen guten Eindruck hinterlassen. An der Freien Universität Berlin, die eine ähnliche Professur ausschrieb, landete er auf Listenplatz zwei. Kein Wunder also, dass die Verhandlungen zwischen ihm und der HU bis Redaktionsschluss andauerten. Die HU hätte den Forscher problemlos halten können, wenn sie auf eine erneute öffentliche Ausschreibung verzichtet hätte. So musste sich Hostert weiter umschauen, bewies, dass er hochqualifiziert ist, und kann der HU im letzten Moment noch verloren gehen. Das wäre aus Sicht der Uni viel Arbeit gewesen, ohne den Besten zu bekommen, den man schon im Hause hatte.

Nach Ansicht des Wissenschaftsrates (WR) soll in der Laufbahn des Juniorprofessors das Hausberufungsverbot nur einmal wirksam werden – am Anfang oder am Ende der Juniorprofessur. So steht es in den ‘Empfehlungen zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren’ vom Mai 2005. Wird also ein Juniorprofessor aus der eigenen Hochschule ernannt, so ist klar, dass er sich danach um eine Stelle außerhalb der eigenen Hochschule bewerben muss. Oder man kommt von außerhalb und kann bei guter Leistung bleiben.

Dennoch, mahnt der WR, solle dieser Weg – wie auch eine Juniorprofessur mit Tenure track – nicht zur Regel werden. Der Grund: Die Chancen derjenigen dürfen nicht gemindert werden, die eine andere Laufbahn gewählt haben, wie die Habilitation.

Genau deshalb forderten die deutschen Wissenschaftler in den USA auch die Abschaffung der Habilitation, damit durch die Juniorprofessur mit Tenure track-Option solche Ungerechtigkeiten gar nicht erst entstehen. Von diesem Weg wurde allerdings schon die ehemalige Bundesforschungs­ministerin Edelgard Bulmahn (SPD) im Juli 2004 in Karlsruhe höchstrichterlich heruntergeschubst (duz MAGAZIN 08/2004, S. 26f.). Doch: „Die Juniorprofessur macht nur Sinn, wenn die Nachwuchsforscher die Chance haben, auch an der Universität berufen zu werden“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Schluchter. Er war Vorsitzender der Arbeitsgruppe des WR, die die Empfehlung vom vergangenen Mai ausgearbeitet hatte. Deshalb habe der WR gesagt, dass eine Tenure track-Zusage sinnvoll sei: „Ansonsten wäre die Juniorprofessur eine Fehlkonstruktion.“ Das ist sie dort, wo Tenure track nicht erlaubt ist, weil junge Karrieren nicht wirklich längerfristig planbar sind. 

Nun existieren beide Karrierewege – Juniorprofessur und Habilitation – nebeneinander. Die unterschiedlichen Lebensläufe müssen nach deutschem Recht alle die gleichen Chancen auf eine Professur im öffentlichen Dienst bekommen. Das gelte etwa für die Nachwuchsforscher der außeruniversitären Forschungseinrichtungen, betont Schluchter. Manche LHG sehen deshalb beim Übergang von der Juniorprofessur zur Dauerprofessur eine Ausschreibung vor. Wenn aber eine Stelle ausgeschrieben werden muss, handele es sich beim Tenure track um eine „unechte Zusage“, so Schluchter, „dieser Zwitter ist sehr unbefriedigend“. Aber aus diesem Dilemma sei eben nicht anders herauszukommen gewesen.

Gegen ein solch kompliziertes Vorgehen regt sich Widerstand. Prof. Dr. Eicke R. Weber, Chef der German Scholars Organization (GSO) in Berkeley, hält die Möglichkeit der Berufung nach positiver Evaluierung – ohne Konkurrenz von außen – für wichtig. „Unbedingte Bedingung aber muss sein, dass der Kandidat durch ein offenes kompetitives Verfahren auf die Juniorprofessur berufen wurde. Dies würde Deutschland sicher im internationalen Wettbewerb um Nachwuchswissenschaftler attraktiver machen.“

„Die Juniorprofessur macht nur Sinn, wenn die Forscher die Chanche haben, auch an der Uni berufen zu werden.“

Auch Prof. Dr. Giovanni Galizia, Neurobiologe an der Universität Konstanz mit Erfahrungen aus den USA, sieht am Ende der Juniorprofessur keine öffentliche Ausschreibung, sondern „ein kritisches, extern evaluiertes Tenure track-Verfahren“, das über die Entfristung entscheidet: „Wie soll eine Arbeitsgruppe wachsen und gedeihen, wenn klar ist, dass sie nach einer Frist aufhören muss – und zwar unabhängig davon, wie gut sie ist?“ Dies sei schließlich der Vorteil der langfristigen Perspektive des Tenure track Assistent Professors, wie es ihn an vielen US-amerikanischen Universitäten gibt.

Mehr Zugeständnisse sind gefährlich

Eine Hausberufung für den Juniorprofessor ja, aber bitte möglichst am Ende. Das meint Prof. Dr. Katharina Landfester, Chemieprofessorin an der Universität Ulm. Sie hatte vor gut zwei Jahren mit einer Arbeitsgruppe der Jungen Akademie eine ernüchternde Zwischenbilanz über die Juniorprofessur gezogen. Danach sind in vielen Fällen einfach langjährige Mitarbeiter auf die neuen Stellen berufen worden. Diese Praxis der Hausberufung habe den Seilschaften Tür und Tor geöffnet. Deshalb mahnt Landfester zur Vorsicht und spricht sich gegen eine weitere Aufweichung des Hausberufungsverbots aus. Wolfgang Schluchter hielte das ebenfalls für „sehr gefährlich“.
Patrick Hostert kann ruhigen Gewissens auf seine künftige Dauerstelle blicken. Bleibt er an der HU, kommt ein Verdacht der Vetternwirtschaft bei ihm wohl kaum auf. Er wurde nach drei Jahren als Juniorprofessor positiv evaluiert, hat sich wie alle anderen auf die Dauerprofessur an der HU beworben und im Wettbewerb mit den anderen durchgesetzt. Und er schaut nach vorn: „Ich freue mich darauf, mit meinem neuen Team langfristig planen zu können.“

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