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Wie lange sind Europas Marie-Curie-Stipendien noch ein Aushängeschild?

Unter Nachwuchsforschern gelten die Marie-Curie-Stipendien als karrierefördernd: Sie haben großes Renommee und sind gut dotiert. Weniger gut ist, dass man sich nur einmal im Jahr bewerben kann und sich geschickt verkaufen muss.

Sie sind Doktoranden, Postdocs oder Forscher aus der Industrie, Philologen oder Ingenieure. Sie kommen aus Euro-pa oder aus Indien, sie gehen erstmals ins Ausland oder kehren zurück in ihr Heimatland. Mehr als 60 000 junge Wissenschaftler haben seit 1994 ein Marie-Curie-Stipendium der EU bekommen. Das Programm ist eines der Aushängeschilder der europäischen Forschungsförderung. Doch wie es damit weitergeht, ist derzeit offen.

Am 11. Juli treffen sich bei der europäischen Wissenschaftstagung Euroscience Open Forum (Esof) in Dublin die Geldgeber von der EU-Kommission und die Stipendiaten aus ganz Europa, um über die Zukunft des Programms zu sprechen. Viel Konkretes wird das Team aus Brüssel nicht zu sagen haben. Noch mindestens bis Mitte 2013 feilschen EU-Kommission, Parlament und Rat um das neue Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020, das von 2014 bis 2020 läuft. 80 Milliarden Euro hat die Kommission gefordert. Durchsetzen wird sie sich damit kaum. Das ist schon jetzt klar. Auch das laufende Forschungsprogramm von 2007 bis 2013 liegt mit gut 50 Milliarden Euro etwa ein Fünftel unter dem damaligen Kommissionsvorschlag. Für die Marie-Curie-Programme gab es 4,75 Milliarden Euro.

Im Horizon-2020-Paket sind 5,75 Milliarden eingeplant. Aber nur, wenn der Kommissionsvorschlag durchkommt. Zudem soll das Budget zunächst auf niedrigerem Niveau starten und bis 2020 gesteigert werden. 65 000 Stipendiaten könnten in der nächsten Runde hinzukommen. Wird das Horizon-Budget kleiner als die Kommission will, wird befürchtet, dass die Nachwuchsprogramme gekürzt werden und der Fokus stärker auf den Europäischen Forschungsrat (ERC) fällt, der neben etablierten auch junge Forscher fördert. 13,2 Milliarden Euro sind für ihn veranschlagt.

„Beim Budget haben Parlament und Rat das letzte Wort“, sagt Alessandra Luchetti, die bei der EU-Kommission für das Marie-Curie-Programm verantwortlich ist. Veränderungen wird es aber ohnehin geben. Eine der wichtigsten sei, dass die bisherigen acht Marie-Curie-Aktivitäten auf vier verschlankt werden, sagt sie. Künftig soll es nur noch Doktorandenförderung, Postdoc-Förderung und ein Personalaustausch-Programm geben, in dem Institutionen Mitarbeiter zu Partnereinrichtungen in einem anderen Land schicken. Außerdem werden bestehende Mobilitätsprogramme gefördert. Dr. Hans-Dieter Arndt, Chemieprofessor an der Universität Jena, hat an seinem Lehrstuhl Erfahrung mit diversen Stipendientypen gemacht und auch Marie-Curie-Fellows betreut. „Zumindest in Europa ist das Programm weithin bekannt, und es hat hohes Renommee“, sagt er. Die Stipendien sind gut dotiert. Doktoranden können nach Berechnungen der Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen (Kowi) mit einem Bruttogehalt von etwa 35 000 Euro rechnen, zuzüglich Reisezuschüssen und Einmalzahlungen; Postdocs erhalten deutlich mehr. Mit dem EU-Geld wird der Stipendiat an der Gastinstitution angestellt, meist für ein bis zwei Jahre.

Doch die Bewerbung ist schwierig. „Es geht nicht nur um das Wissenschaftliche, sondern auch darum, wie das Projekt und die Person in den EU-Rahmen passenen“, sagt Arndt. Ohne Hilfe sei der Antrag für einen Postdoc fast nicht zu schaffen. Die Bewertung nach einem Punktesystem kann dazu führen, dass ein wissenschaftlich guter Kandidat durchfällt, weil er nicht genug zu Karriereplanung, Gastinstitut oder EU-Kontext geschrieben hat. Nicht immer sind solche Entscheidungen leicht nachvollziehbar. Die Konkurrenz ist groß: Je nach Programm hat nur jeder zehnte bis maximal jeder zweite Antrag Erfolg.

Zudem kann man den Antrag nur einmal jährlich stellen, bis zum 15. August. Bei anderen Förderern geht dies jederzeit. Wer nach seiner Promotion ins Ausland gehen möchte, muss bis dahin die Doktorarbeit in der Tasche und ein Gastinstitut haben. Bewilligt wird der Antrag frühestens Anfang des Folgejahres. Das Geld fließt nicht vor März und eine Zwischenfinanzierung ist nötig. „Man muss sich schon sehr lange im Voraus organisieren“, sagt Dr. Pol Besenius, einst Marie-Curie-Fellow, jetzt Nachwuchsgruppenleiter am Zentrum für Nanotechnologie der Uni Münster. Auch er hat den Eindruck, dass auf dem nichtwissenschaftlichen Teil des Antrags viel Gewicht liegt. „Das bereitet einen aber auf die Zukunft vor. Auch wenn man später Forschungsgelder beantragt, gibt es diesen Teil. Man muss der Gesellschaft erklären, warum man das Geld braucht.“ Ein Problem ist, dass die Fellows wenig Kontakt untereinander haben. „Verglichen mit der Zahl der Leute ist das Netzwerk schwach, auch wenn die MCFA sich viel Mühe gibt“, sagt er.

Die MCFA, die Marie Curie Fellows Association, ist eine Gruppe ehemaliger und aktueller Stipendiaten, Besenius ist im Beirat. Bei 300 aktiven Mitgliedern, die zwischen 20 und 40 Euro Jahresbeitrag zahlen, ist der Spielraum des Netzwerks begrenzt. Die EU-Kommission rief es 1996 ins Leben und zog sich wieder zurück. Nun organisiert die Kommission selbst jährlich Fellow-Treffen und arbeitet seit 2011 an einer neuen Marie-Curie-Alumni-Vereinigung. Der Auftrag für ihren Aufbau, finanziert mit voraussichtlich 2,1 Millionen Euro über die kommenden Jahre, ist ausgeschrieben, ob die MCFA beteiligt wird, ist offen.

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